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1. FC Köln: Vorstand reagiert nach Nizza-Ausschreitungen mit Hilflosigkeit

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Von: Andreas Ohlberger

Die Reaktion des FC-Präsidiums auf die Vorfälle beim Spiel des 1. FC Köln in Nizza und gegen Union Berlin wirft Fragen auf. Ein Kommentar.

Köln – Im Nachgang der Spiele des 1. FC Köln in Nizza und des anschließenden Heimspiels gegen Union Berlin wandten sich Präsident Dr. Werner Wolf und seine Stellvertreter Dr. Carsten Wettich und Eckhard Sauren in einem Schreiben an die FC-Mitglieder. Es sei ein Punkt erreicht, „an dem wir so nicht weitermachen können“, heißt es dort.

Beim Conference-League-Spiel in Nizza hatten sich vermeintliche Fans aus dem Ultras-Millieu beider Vereine auf den Tribünen eine brutale Schlägerei geliefert, bei der 32 Menschen verletzt wurden. Auf Seiten der Kölner Schläger prügelten sich angeblich auch Mitglieder der „Supras“, einer in Frankreich verbotenen Fangruppierung von Paris Saint-Germain. Und dann das: Vor dem folgenden Heimspiel des 1. FC Köln gegen Union Berlin hing am Zaun der Südtribüne ein Transparent, auf dem die Kölner Ultragruppierung „Wilde Horde“ öffentlich ihre uneingeschränkte Solidarität mit den französischen „Supras“ unterstrich.

Vor dem Spiel des 1. FC Köln gegen Union Berlin solidarisierten sich die Ultras der „Wilden Horde“ mit den in Nizza auffällig gewordenen, verbotenen Pariser „Supras“.
Vor dem Spiel des 1. FC Köln gegen Union Berlin solidarisierten sich die Ultras der „Wilden Horde“ mit den in Nizza auffällig gewordenen, verbotenen Pariser „Supras“. © Ralf Treese/IMAGO

Fehlende Sprachkenntnisse? Umstrittenes Banner hängt halbe Stunde

Dass dieses Banner, welches laut FC-Geschäftsführer Christian Keller nicht, wie sonst üblich, im Vorfeld angemeldet worden war, 30 Minuten am Zaun hängen konnte, zeigt die Hilflosigkeit des Vereins, der sich von den Stimmungsmachern und ihren willfährigen Claqueuren am Nasenring durch die Manege führen lässt. Von knallharten Konsequenzen des Vereins, wie sie das Präsidium jetzt im Brief an die Mitglieder verspricht, keine Spur. Da hätte man schon mal ein Zeichen setzen können. Zeit genug, um die auf Französisch verfasste Botschaft zur Not mit Google zu übersetzten, war jedenfalls. Chance verpasst.

Vielmehr fordern Werner Wolf, Carsten Wettich und Eckhard Sauren „eine gemeinsame Haltung des gesamten FC und die Mitwirkung unserer Mitglieder und der Fanszene, um relevante Fortschritte zu erzielen“. Nur gibt es „den gesamten FC“ nicht. Vielmehr ist die einzige Gemeinsamkeit des überwiegenden Teils der FC-Mitglieder und der Ultraszene, dass man im gleichen Stadion sitzt. Die Schnittmenge bei den Intentionen beider Gruppen ist in etwa so groß, wie die Zahl der BVB-Fans mit Dauerkarte für die Arena Auf Schalke.

Der 1. FC Köln und seine Ultras – diffiziles Abhängigkeitsverhältnis

Gewalt- und Straftäter – anders als der Familienvater mit seinen Kindern – vermummen sich, so wie in Nizza gesehen, und lassen sich nicht identifizieren. Anschließend verschwinden sie in der anonymen Masse der friedlichen FC-Fans und tauchen dort unter. Nun zählt Denunziantentum weder beim 1. FC Köln, noch in irgendeiner anderen deutschen Fan-Szene zu den hervorstechenden Charaktereigenschaften. Einen Selbstheilungsprozess, also die Hoffnung, die Fans würden das Problem untereinander schon irgendwie selbst regeln, wird es folglich nicht geben. Zu gefestigt sind die Strukturen, zu dominant das Stimmungsdiktat der Ultras – und zu wichtig sind die Stimmungsmacher für den Verein.

Wenn die Ultras im Stadion vor und während des Spiels für Stimmung sorgen, Choreografien organisieren und zur Aufführung bringen, herrscht Friede, Freude, Eierkuchen. Denn dann sind sie die bunten und kreativen Fans, die der 1. FC Köln für sein stimmungsvolles Stadionerlebnis mit Freunden und Familien so dringend braucht. Und nicht nur das: Die Extra-Motivation von den Rängen, kann die Gastmannschaft lähmen und die Heimmannschaft beflügeln, sodass die Fans auch aus sportlicher Sicht einen Wert besitzen. Und weil Vorstand und Geschäftsführung das ganz genau wissen, stehen sie solchen Auswüchsen – egal was in den nächsten Wochen und Monaten initiiert wird – weitgehend hilflos gegenüber. (ao) Fair und unabhängig informiert, was in Deutschland und NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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