Das ist kein Scherz: Stadt Köln lässt Verkehrsregeln jetzt vorsingen
In Köln sollen Verkehrsregeln jetzt mithilfe von Musik erklärt werden. Die Stadt hat dafür mehrere Videos produzieren lassen. Und die waren nicht billig. Jetzt wird Kritik laut.
Köln – Dass das Zusammenleben zwischen Radfahrern und Autofahrern nicht immer ganz harmonisch läuft, ist nicht nur in Köln der Fall. Ob riskante Überholmanöver, sogenannte Dooring-Unfälle oder brenzlige Ampelsituationen. Nicht selten kommt es zu Streitereien oder Verletzten, gerade im Bereich von Fahrradstraßen. Und genau da will die Stadt Köln nun ansetzen und das Verkehrschaos lösen – mit einer sehr skurrilen Idee.
Verkehrschaos soll mit Musik verschwinden: Köln setzt auf skurriles Projekt

Der Plan: Die Regeln für Fahrradstraßen in der Kölner Innenstadt und den anderen Stadtbezirken vorsingen. Was wie ein schlechter Aprilscherz klingt, wird tatsächlich seit Anfang Mai umgesetzt. Immerhin will Köln schon seit Jahren freundlicher werden. Unter dem Motto „Hier spielt eine andere Musik“ werden die geltenden Regeln mit Redewendungen aus der Musikwelt erklärt und mit Musik unterlegt, so die Stadt Köln. Das Ziel ist es, den allgemeinen Wissensstand zu den geltenden Verkehrsregeln in Fahrradstraßen zu erweitern. Eine empirische Untersuchung begleitet die Kampagne.
Das Besondere dabei ist, dass die Regeln von Kölner*innen, die gleichzeitig leidenschaftliche Musiker*innen und Fahrradfahrer*innen sind, mit Redewendungen aus der Musikwelt erklärt werden. Sie sind die Hauptfiguren der Motive dieser Kampagne und verleihen dieser ihre Gesichter.
Aus einem Mindestabstand wird ein „Mindestintervall“ und statt 30er-Zone heißt es „Immer schön piano – 30 km/h“. Insgesamt gibt es vier Videos, die auf die in Fahrradstraßen geltenden Regeln aufmerksam machen. Seit Dienstag, 9. Mai, sind die kurzen Clips zu sehen – unter anderem auf Facebook und Instagram. Auch auf Plakaten, im Radio und auf Gratis-Postkarten in Kneipen und kulturellen Einrichtungen soll „Hier spielt eine andere Musik“ laufen. Im September soll eine zweite Welle der Kampagne ausgebaut werden.
„Hier spielt eine andere Musik“: Diese vier Verkehrsregeln werden jetzt vorgesungen
- „Mindestintervall 1,5 Meter“ soll auf den Mindestabstand von 1,50 Meter aufmerksam machen. Wer einen Radfahrer überholt, muss mindestens so viel Abstand einhalten, erklärt DJ Rachel Raw in dem Video.
- „Immer schön piano – 30 km/h“ soll darauf aufmerksam machen, dass Autofahrer auf Fahrradstraßen maximal 30 km/h schnell fahren dürfen. In dem Video erklärt Thelonious Herrmann, besser bekannt als Pianomann „Stadtgeklimper“, die Verkehrsregel.
- „Hier spielen Radfahrende die erste Geige“ soll erklären, dass auf Fahrradstraßen Autofahrer lediglich geduldet sind. Sie sind mehr oder weniger Gäste auf der Straße und müssen sich dem Radverkehr anpassen, so Geigenschüler Nathan
- „Mehrstimmig fahren erlaubt“ soll verdeutlichen, dass Radfahrer auf Fahrradstraßen auch nebeneinander fahren dürfen. In dem Video erklärt das der Jugendchor St. Stephan.
Köln erklärt Verkehrsregeln jetzt mit Musik, doch es gibt Kritik
Ins Leben gerufen wurde die Aktion vom Dezernat für Mobilität der Stadt Köln. Und Amtsleiter Thorsten Siggelkow ist vom Erfolg überzeugt: „Wir möchten das Angebot für Radfahrende weiter optimieren und setzen auf das Miteinander der einzelnen Verkehrsarten, was gerade in Fahrradstraßen von großer Bedeutung ist.“ Ähnlich sieht es Ascan Egerer, Beigeordneter für Mobilität der Stadt Köln: „Die Kampagne wird dazu beitragen, dass alle Verkehrsteilnehmenden die dort geltenden Regeln verstehen und anwenden.“
SPD-Fraktion: „500.000 Euro für Gesangs-Einlage zum Fenster rausgeworfen“
Doch das sehen nicht alle so. Gerade auf Facebook gibt es viel Kritik. „Das ist jetzt aber wirklich Satire, oder?“ und „Immer, wenn du denkst, schlimmer geht nicht, kommt jemand und belehrt dich eines Besseren“, heißt es unter anderem. Und auch aus der SPD-Ratsfraktion gibt es deutliche Kritik. Eine autofreie Altstadt und mehr Fahrradstraßen seien zwar die richtigen Ansätze, damit mehr Kölnerinnen und Kölner bei der Verkehrswende mitmachen, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Joisten. Aber: „Was sicher nichts bringt, ist 500.000 Euro für eine Gesangs-Einlage zum Fenster rauszuwerfen, die bei den Menschen auf der Straße nur für Kopfschütteln sorgt.“ So werde die „Verkehrswende vergeigt“, findet Joisten. „Das Geld sollte die Stadt doch besser für eine klare Beschilderung, bauliche Trennungen von Radwegen und für mehr Präsenz von Ordnungskräften ausgeben, damit Straßenrowdys direkt aus dem Verkehr gezogen werden, wenn sie sich nicht an die Regeln halten.“
Laut Bild soll die Kampagne 500.000 Euro kosten. Davon übernimmt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen des Förderprojektes „Informationskampagne Fahrradstraßen“ (IKFS) 80 Prozent. „Die übrigen 20 Prozent werden aus städtischen Mitteln finanziert“, teilt die Stadt Köln mit. Das wären somit rund 100.000 Euro. Für Köln ist es nicht der erste skurrile Vorschlag: Für Karneval soll es ein Thekenleitsystem geben, das wie das Parkleitsystem funktioniert. (jw)