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Versuchter Raubmord in Köln: Urteil gesprochen – 36 Jahre nach der Tat

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Von: Mick Oberbusch

Polizei und Staatsanwaltschaft haben einen 36 Jahre alten Kölner „Cold Case“ neu aufgerollt und einen Angeklagten festgenommen. Nun gab es das Urteil.

Update vom 10. Mai 2023, 16:55 Uhr: Der erste sogenannte Cold-Case-Prozess am Kölner Landgericht ist mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Das Gericht sah es zwar als erwiesen an, dass der heute 56 Jahre alte Angeklagte vor knapp 36 Jahren einen Mann niederschlug und ihm schwere Verletzungen zufügte. Einen Mordversuch aus Habgier könne man aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Aufgrund der langen Zeit zwischen Tat und Prozess waren Verurteilungen wegen anderer Tatvarianten wegen Verjährung ausgeschlossen. Im Mai 1987 hatte der damals 20-Jährige bei einer Kneipentour im Kölner Stadtteil Ehrenfeld einen 50-Jährigen kennengelernt, in dessen Wohnung die Tour in den frühen Morgenstunden endete.

Gerichtsverhandlung in "Cold Case" in Köln
Der Angeklagte gemeinsam mit seinem Anwalt bei einem Prozesstermin im März 2023. © Henning Kaiser/dpa

Dort – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – habe der Angeklagte den Mann aus Habgier niedergeschlagen, um an mehrere hundert Mark zu kommen. Der Angeklagte hatte über seinen Verteidiger mitteilen lassen, der 50-Jährige sei übergriffig geworden. Als der 20-Jährige habe gehen wollen, sei er gegen einen Schrank gestoßen worden. Da habe er Panik bekommen, aus dem Schrank den erstbesten Gegenstand gegriffen und damit „zwei- oder dreimal auf den Kopf“ geschlagen. Der 50-Jährige war seinerzeit mit schweren Kopfverletzungen in seiner Wohnung gefunden worden. Mit einer Not-Operation konnte sein Leben gerettet werden. Er starb 2013 eines natürlichen Todes, hatte aber bis zum Lebensende an den Folgen der Tat zu leiden.

Versuchter Raubmord in Köln: Ermittler entdecken nach 35 Jahren neue Spur

Erstmeldung vom 27. Oktober 2022, 14:37 Uhr: Köln – Es geschah im Mai 1987: Ein 50-jähriger Mann aus Köln besucht an diesem lauen Frühlingsabend diverse Gaststätten im Stadtgebiet, wobei er auch einen jungen Mann kennenlernt und mit ihm weiterzieht. Besagter, junger Mann wird später an dem Abend alleine auf dem Heimweg angetroffen – vom 50-jährigen Kölner fehlt zu diesem Zeitpunkt jede Spur. Nachbarn entdecken ihn am nächsten Morgen in seiner Wohnung, jedoch von Verletzungen, unter anderem am Kopf, übersät. Von seinem unbekannten, nächtlichen Begleiter fehlt seither jede Spur – bis heute.

Köln: Rätselhafter „Cold Case“ von 1987 neu aufgerollt – DNA-Probe bringt entscheidenden Hinweis

In den vergangenen Tagen, rund 35 Jahre nach dem ursprünglichen Vorfall, ist jedoch neue Bewegung in den Fall gekommen. Denn wie Polizei und Staatsanwaltschaft am 26. Oktober mitteilten, hat sich über drei Jahrzehnte nach dem Vorfall eine alte DNA-Probe als Schlüssel zur Festnahme des Hauptverdächtigen erwiesen. Der Mann, zu dem die DNA-Probe gehört, war am Tag zuvor verhaftet worden. Ihm wird ein versuchter Raubmord im Kölner Stadtteil Ehrenfeld vorgeworfen.

Die entsprechende DNA sei bei einer neueren Untersuchung an der mutmaßlichen Tatwaffe von damals festgestellt worden, erläuterte der Leiter der zuständigen Kölner Ermittlungsgruppe „Cold Cases“, Markus Weber. Dabei handele es sich um einen Pokal aus der Wohnung des Opfers, das damals lebensgefährliche Kopfverletzungen erlitten hatte. Die DNA sei dann abgeglichen worden – mit einem Treffer. Es ist ein echter Durchbruch, denn den mutmaßlichen Täter hatte die Polizei bis vor Kurzem nicht auffinden können. Auch, weil das Opfer den Tathergang nie wirklich genau beschreiben konnte.

„Cold Cases“: Pensionierte Ermittler finden Hinweise zu 35 Jahre altem Fall – Verdächtiger festgenommen

Fahndungsplakat von 1987, Ermittler Markus Weber
Das Fahndungsplakat nach dem Vorfall 1987 (l.) – und Markus Weber (r.), Leiter der „Cold Cases“-Ermittlungsgruppe in Köln (IDZRW-Montage). © Oliver Berg/dpa & Polizei Köln/dpa

Es gab zwar ein Phantombild, und rund 25 Personen wurden überprüft. Aber alles verlief im Sande. 2013 starb das Opfer, das sich bis zu seinem Lebensende nie gänzlich von den Folgen des Angriffs erholt hatte. Neun Jahre später glauben die Ermittler nun aber, den Tatverdächtigen, den jungen Mann von einst, gefunden zu haben. Ausgangspunkt war die „Cold Cases“-Einheit beim Landeskriminalamt, in der schon pensionierte Ermittler alte Fälle durchgehen. Über diese landete der Mordversuch nochmals auf dem Tisch der Kölner „Cold Cases“-Gruppe unter Leitung des erfahrenen Mordermittlers Weber.

„Cold Cases“-Einheit beim LKA rollt alte Kriminalfälle neu auf

► In der „Cold Cases“-Einheit des LKA gehen bereits pensionierte Ermittler alte Fälle durch und suchen nach neuen Hinweisen.

► Die Ermittlungsgruppe unter der Leitung des erfahrenen Ermittlers Markus Weber untersucht diese Einheit in Köln systematisch ungeklärte Tötungsdelikte aus den Jahren 1970 bis 2015. Hinzu kommen ungeklärte Vermisstenfälle und Fälle mit noch nicht identifizierten Toten. 

► Grund für die Schaffung dieser neuen Einheit sei, Täter zur Rechenschaft zu ziehen und den Hinterbliebenen der Opfer Klarheit zu verschaffen.

Der Verdächtige, nun 56 Jahre alt, sei bei seiner Festnahme „sicherlich überrascht“ gewesen, sagte Weber. Er habe angegeben, dass er sich nicht mehr erinnern könne und nichts damit zu tun habe. Die Beschreibung von damals passe allerdings. Zudem habe es einst einen Hinweis gegeben, dass der Mann in einer Gaststätte als „Jimmy“ angesprochen worden sei. Dieser Spitzname sei dem Verdächtigen ebenfalls zuordenbar.

„Cold Case“ in Köln im Jahr 1987 – immer noch offene Fragen zum Motiv des Täters

„Cold Cases“ – was ist das überhaupt?

► Bei „Cold Cases“ handelt es sich um ungelöste Kriminalfälle. Dieser Begriff wird vor allem im Zusammenhang mit neuen polizeilichen Ermittlungen benutzt, d.h. wenn die Fälle wieder aufgegriffen werden. Dies passiert vor allem bei Mord-Fällen, da diese in manchen Ländern nicht verjähren.

► Mit ständig weiterentwickelnder Kriminaltechnik oder teils neuen wissenschaftlicher Erkenntnisse in Bezug auf Tatort- oder Täterverhaltensanalyse können alte Mordfälle teilweise noch Jahrzehnte später aufgeklärt und die Täter verurteilt werden. Der Begriff „Cold Cases“ stammt aus den USA. Dort wurde erstmals 1996 beim FBI eine sogenannte „cold case unit“ gegründet.

Die Staatsanwaltschaft geht von einem finanziellen Motiv für die Tat aus. Bargeld soll aus der Wohnung verschwunden sein. Die DNA des Verdächtigen, die den Abgleich nun ermöglichte, schlummerte nach Angaben der Behörde wohl schon seit Ende der 80er Jahre in der Datenbank. Seinerzeit sei sie wegen eines anderen Deliktes erhoben worden. Dieses Delikt sei zwar mittlerweile „gelöscht“. Für die DNA-Daten allerdings gebe es keine Löschfristen. Auch in Duisburg war ein „Cold Case“ um den vor 24 Jahren erschossenen Ahmet Tuncer zuletzt noch einmal neu aufgerollt worden – bislang allerdings ohne Erfolg. (mo mit dpa) Fair und unabhängig informiert, was in Köln & NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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