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Gewalt am Aachener Weiher: Streetworker spricht unbequeme Wahrheit aus – und stellt klare Forderung

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Von: Nina Büchs

Gelände am Aachener Weiher und Streetworker Franco Clemens
Gewalt am Aachener Weiher in Köln: Streetworker Franco Clemens nennt Ursachen – und fordert mehr Prävention. © Marius Becker/dpa & Rheinflanke gGmbH

Neue Gewalttat am Aachener Weiher in Köln: Warum eskaliert es dort immer wieder? Und von wem geht die Gewalt aus? Streetworker Franco Clemens gibt Antwort. 

Köln – Der Aachener Weiher in Köln ist für viele Menschen ein beliebter Treffpunkt. Abends und am Wochenende sitzen hunderte Kölnerinnen und Kölner dort auf der Wiese, trinken Kölsch oder Schorle, spielen Flunkyball, hören Musik und genießen das gute Sommerwetter. Jedoch geht es dort nicht immer so friedlich zu. Vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie mehrten sich Negativ-Schlagzeilen über Gewalt und Schlägereien am Aachener Weiher. Auch am vergangenen Samstag, 13. August, eskalierte dort die Lage.

Eine Gruppe „mutmaßlich jüngerer Männer“ ging dort auf einen 18-Jährigen los und attackierte ihn mit einer Waffe. Er zog Schnittverletzung am Arm sowie Verletzungen im Gesicht davon, teilte die Polizei Köln mit. Warum eskaliert die Gewalt dort immer wieder? Und von wem geht die Gewalt aus? 24RHEIN hat darüber mit Streetworker Franco Clemens gesprochen.

Gewalt am Aachener Weiher in Köln: Jugendliche und junge Erwachsene greifen öfter zu Waffen

Streetworker und Sozialarbeiter Franco Clemens hat die Szene am Aachener Weiher im Blick. Eine zunehmende Gewaltbereitschaft innerhalb der Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellt er nicht fest. „Bei Auseinandersetzungen wird inzwischen aber häufiger eine Waffe, wie zum Beispiel ein Messer oder ein Schlagstock eingesetzt“, sagt Clemens.

Wer früher also eine Auseinandersetzung mit Fäusten geregelt hat, greift in der Regel nun schneller zum Messer. Auch am vergangenen Wochenende ist das passiert – denn der 18-Jährige soll dort laut Polizei auch offenbar mit einem Teleskopschlagstock verletzt worden sein.

Das ist Franco Clemens

Franco Clemens arbeitet als Streetworker und Sozialarbeiter, ist unter anderem pädagogischer Leiter von Jugendeinrichtungen und Leiter eines Erstaufnahmecamps für Flüchtlinge. Er ist sachkundiger Bürger im Jugendhilfeausschuss in Köln. Zudem engagiert Franco Clemens sich als Standortleiter im Verein „Rheinflanke e.V.“ in Düsseldorf für die Arbeit mit Jugendlichen.

Streetworker Franco Clemens: „Neues Milieu am Aachener Weiher“

Der Hotspot am Aachener Weiher sei durch die Corona-Pandemie begünstigt worden und unterliege immer mal wieder bestimmten Phasen, sagt Streetworker Clemens. Man könne jedoch nicht sagen, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die am Aachener Weiher Streit suchen, von den Kölner Ringen kommen. „Es hat sich da eine ganz eigene Szene dort aufgetan“, sagt Clemens.

Gewalt am Aachener Weiher: Nicht nur Jugendliche aus Brennpunkten

Auch könne man nicht davon ausgehen, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen alle aus einem sozial schwierigen Umfeld stammen. „Es sind immer noch Jugendliche dabei, die gezielt die Konfrontation suchen. Jedoch gibt es auch solche, die eigentlich als normale bürgerliche Jugendliche aufgewachsen sind und als Selbstschutz eine Waffe mit sich führen. Sie setzen diese dann ein, wenn es zur Auseinandersetzung kommt.“

Alkohol und Drogen spielen ebenfalls eine große Rolle, sagt der Streetworker. Das senke die Hemmschwelle, genau wie Ego-Shooter und gewaltverherrlichende Videos – deren Auswirkung, er aber klar einordnet: „Es ist nicht so, dass jeder, der diese Videos spielt oder ansieht, automatisch gewaltbereit ist. Doch die immer realistischer werdende Gewaltdarstellung hat seine Wirkung. Sie desensibilisiert und ein bestimmter Prozentsatz lässt sich davon auch animieren“, so Clemens.

Besonders wichtig dem Streetworker jedoch auch, dass in der Öffentlichkeit nicht ausschließlich Jugendliche als „gewaltbereite“ Gruppe dargestellt werden. „Die Jugendgewalt wird auch immer durch die Gewalt in der Erwachsenengesellschaft mitgeprägt. Die aggressive, polarisierende Stimmung strahlt sich auch auf die Jugendlichen aus.“ Dies sei insbesondere durch die Hetze der Rechten während Corona sichtbar geworden.

Gewalt in Köln: Streetworker plädiert für Prävention an Schulen

Damit sich gewalttätige Vorfälle nicht immerzu häufen, ist laut Streetworker Franco Clemens Aufklärung besonders sinnvoll. „Bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen fehlt oft an der Bewusstmachung, welche Konsequenzen es hat, wenn man mit dem Messer zusticht“, sagt er. Im schlimmsten Fall werde so aus einem Jugendlichen, der aus Schutz eine Waffe dabei hat, plötzlich ein Täter.

„Ein Jugendlicher mit normaler Entwicklung könnte dann wegen Totschlag vor Gericht stehen. Es bricht dann ja eine ganze Welt auch für diesen Menschen zusammen. Es kommen Gerichtsstrafen auf ihn zu, Anwaltskosten, Gefängnisstrafen und so weiter.“Clemens plädiert deshalb für mehr Präventation. „Man sollte auch in den Schulen mehr darüber aufklären“, findet er. Auch müsse man sich mehr mit den Wünschen und Zielen, mit den „Lebenswelten“ der Jugendlichen und jungen Erwachsenen beschäftigen. (nb) Fair und unabhängig informiert, was in Köln passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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