Wie „Giftige Gase“ ein Kölner Viertel zu spalten drohen

Köln: Um nicht mehr durch Grill-Geruch belästigt zu werden, wendet der Bürgerverein am Eigelstein eine gefährliche und diskriminierende Strategie an, meint unser Gastautor Peter Pauls.
Köln – Was bringen Sie mit „extrem giftigen Gasen“ in Verbindung? Solche „Gase“ schreibt der Bürgerverein Eigelstein seit geraumer Zeit schon den Grills in der Weidengasse zu.
Um mich dem Begriff zu nähern, habe ich die Suchmaschine „Google“ assoziieren lassen. Im Resultat ist von giftigen Weltkriegs-Kampfstoffen die Rede, das Wort „tödlich“ wird verwendet und schließlich - nach einem Klick - findet sich auch eine Definition. Darunter „werden solche Substanzen verstanden, die etwa durch Verschlucken, Einatmen oder durch einen Hautkontakt bereits bei sehr geringer Aufnahme zum Tode führen bzw. chronische Gesundheitsschäden verursachen“. Von Grills steht da nichts.
Sofern Sie jetzt aufstöhnen und fragen: Warum schon wieder Eigelstein und wieder „giftige Gase“?
► Weil es um die Art des Umgangs in Köln geht.
► Darum, wie wir Konflikte lösen und mit anderen Meinungen umgehen.
► Wenn es überall so läuft wie am Eigelstein, wird Köln eine in Lager gespaltene Stadt.
► „Der Eigelstein wird Vorbild für weitere Räume in der Innenstadt sein,“ zitierte der Express vergangenes Jahr Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
„Extrem giftige Gase“ in der Kölner Weidengasse? Gesundheitsamt widerspricht
Warum belegt der Bürgerverein seine Nachbarn, mit denen er sich das Viertel teilt, mit einem solchen Vokabular? Ich empfinde es als diskriminierend, aggressiv und in der Wirkung rassistisch. Was das Gesundheitsamt zur Giftthese des Bürgervereins sagt? Ich habe gefragt. „Eine pauschale Einschätzung, dass alle diese Anlagen hochgiftige Stoffe“ ausstoßen, vermöge das Gesundheitsamt nicht zu teilen, heißt es in der Antwort. Und noch einmal, an anderer Stelle: „Die Einschätzung, dass die Anwohnenden der Weidengasse „extrem giftigen Abgasen“ ausgesetzt würden, wird auch von immissionsschutzrechtlicher Sicht nicht geteilt.“ Das sei - neben anderen - dem Bürgerverein so mitgeteilt.
Warum der Bürgerverein dennoch eine solche Sprache wählt? Vermutlich, weil sie wirkt. Sie wirkt so gut wie (verbotenes) DDT gegen Insekten und das notorische Glyphosat, ein „Totalherbizid“. Danach wächst kein Gras mehr. Leider schafft Sprache das auch im sozialen Miteinander. Dass einem ein Übermaß an Kochdünsten stinkt, kann ich nachvollziehen. Wer von anderen jedoch mehr Maß und Mitte fordert, sollte bei sich selber und der eigenen Wortwahl beginnen.
Soziologe: Verhalten des Bürgervereins erinnert an spezielle Form des Rassismus
Das Verhalten des Bürgervereins erinnert den Kultursoziologen Prof. Wolf-Dietrich Bukow an eine antiziganistische Strategie. Sie läuft nach einfachem Schema ab. Zunächst wird eine Story entwickelt: Quartier in Not. Dann werden Störungen definiert: Grills vergiften die guten Bürger, junge Männer belagern das Quartier. . . Praktische Erklärungen werden konstruiert, ausgebaut und eine Lösung wird versprochen. Erklärungen werden wiederholt, variiert und re-zitierend reproduziert. Schließlich verengt und verändert sich das Wirklichkeitsbild sowohl bei der bedrohten Community als auch der bio-deutschen Bürgerschaft. Zum Schluss werden „Gute“ und „Böse“ definiert. Soweit Prof. Bukow. Ich setze hinzu: Das Viertel droht zu zerfallen.
► Prof. Dr. Wolf-Dietrich Bukow ist emeritierter Professor für Kultur- und Erziehungssoziologie an der Universität zu Köln und Gründer der Forschungsstelle für Interkulturelle Studien (FiSt). Die Forschungsstelle beschäftigt sich mit Herausforderungen, die durch Mobilität, Migration und Diversifizierung der Gesellschaft entstanden sind.
► Unser Gastautor Peter Pauls ist Vorsitzender des Kölner Presseclubs. Zuvor war er lange Jahre Chefredakteur der Tageszeitung Kölner Stadt-Anzeiger. Dieser Beitrag stammt aus dem Newsletter des Kölner Presseclub, den Sie hier abonnieren können.
Keine schönen Aussichten? Gehen Sie in die Kölner Weidengasse und lächeln Sie die Menschen an. Es wird zurückgelächelt. (pp/IDZRW)