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Ballermann-Image der Altstadt muss weg – „Wer Köln liebt, macht so was nicht“

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Von: Claudia Hessel

Dr. Joachim Groth vor einem Luftbild aus Richtung Norden mit Blick auf Rhein, Dom, Altstadt von Köln
Dr. Joachim Groth, Vorsitzender der Kölner „Bürgergemeinschaft Altstadt“ blickt mit Sorge auf die Entwicklung des Gebiets. © Hans Blossey / Imago & Claudia Hessel

Mit der Altstadt von Köln fühlen sich viele Einwohner der Stadt kaum noch verbunden. Dabei ist sie eigentlich die Visitenkarte der Domstadt.

Köln – Wann waren Sie zum letzten Mal in der Altstadt von Köln? Bestimmt ist es länger her, denn im Grunde fühlt sich der Kölner mit seiner Altstadt kaum verbunden oder darin wohl. Wen wundert es: ständig neue Baustellen, hässliche Graffitis, Werbeschilder grell und groß an historischen Gebäuden und dann immer wieder abendlicher Lärm. Aber offenbar kümmert es keinen. Ein Zustand, der schon jahrelang hält. Hat der Kölner seine Altstadt aufgeben?, frage ich mich.

Kölner Altstadt: Wohlfühlen in zugemüllten und zugestellten Gässchen fällt schwer

Nicht ganz. Nach dem Motto: Frage nicht nur, was Deine Stadt für Dich tun kann. Frage auch, was Du für Deine Stadt tun kannst, setzt sich seit 1994 eine Bürgergemeinschaft für eine lebenswertere Altstadt ein. Ortstermin mit Dr. Joachim Groth, Vorsitzender des Vereins. Wir gehen durch die vielen Gassen der Altstadt: Er kritisiert: „Die Altstadt ist eigentlich die Visitenkarte von Köln. Der Rheingarten beispielsweise wurde als Kultur- und Erholungszone erschaffen. Hier sollen Bürger und Bürgerinnen sich wohlfühlen.“

Wohlfühlen in zugemüllten und zugestellten Gässchen, Plätzen und Durchgängen fällt aber tatsächlich schwer. „Wenn ich das sehe, und wie Wände mit Graffiti-Tags zugeschmiert sind, dann ist das mehr als ärgerlich. Tags sind keine Kunst. Wer seine Stadt liebt, macht so was nicht.“

Altstadt: 90 % der Reklame-Schilder entsprechen nicht Vorgaben der Stadt Köln

Besonders negativ fällt auf: Die überdimensionierten Werbeanlagen vieler Lokale, insbesondere die der Fast-Foodläden an historischen Gebäuden. Offenbar hält sich kein Inhaber an die Qualitäts-Kriterien aus der Werbesatzung der Stadt Köln. So hat die Stadtverwaltung festgestellt, dass von 292 angebrachten Reklameschildern 261 der Werbesatzung nicht entsprechen. Sie sind im Grunde illegal angebracht. Nach Auffassung von Groth müsste die Stadt konsequenter agieren, „denn seit 20 Jahren ist so gut wie nichts passiert.“

Das gängige kölnische Laissez-faire macht die Altstadt wahrlich nicht zum Aushängeschild für Köln. Dabei gibt es gerade dort eine reiche Kultur-Landschaft von Philharmonie, Museen, Kirchen – allen voran der Kölner Dom – historischen Häusern und Bühnen wie Hänneschen-Theater und Senftöpfchen. Und Lokale, von den berühmten Brauhäusern bis zu Küchen aus aller Welt und dazu ein babylonisches Sprachengewirr. Die Kölner Altstadt ist ohne Zweifel „et Hätz vun Kölle“ und Millionen Touristen, aber auch Partygänger strömen jährlich dorthin. Und letzteres ist auch das Problem.

„Köln ist eigentlich nicht für Großveranstaltungen gebaut“

„Köln ist eigentlich nicht für Millionenbesuche gebaut. Es gibt keinen Platz, wo Großveranstaltungen in der Innenstadt problemlos möglich sind, geschweige denn einen Bebauungsplan, der das erlaubt. Trotzdem wird eine Großveranstaltung nach der anderen genehmigt, weil es Publikum in die Stadt bringt,“ erklärt Groth.

Die Bürgergemeinschaft, die von Oberbürgermeisterin Henriette Reker immer als wertvoller Mahner gelobt wird, bringt hier eine 150 Seiten starke Dokumentation mit konstruktiven Vorschlägen zur Fußball EM in die Diskussion. Der Text ging an alle entscheidenden Stellen in der Verwaltung und Politik und ist bald auf der Website des Vereins zu lesen.

Groth und sein Verein fürchten: „So, wie der Fußball im Moment aufgestellt ist, man denke an die Krawalle von Nizza, schaffen die Kölner Pläne einen gigantischen Hotspot für Ausschreitungen in der Innenstadt. Was passiert, wenn man 8.000 Fans - egal ob Sieg oder Niederlage - entlässt? Randale oder Euphorie - das werden Zustände, die kaum noch zu bewältigen sind."

Köln: „Wir wollen kein Ballermann-Image mehr für die Altstadt“

Seit dem beharrlichen und oft zähen Austausch mit Politik und Verwaltung sowie der akribischen fotografischen Dokumentation der Missstände, bewirkt die Initiative Verbesserungen. „Uns geht es auch darum, das Kulturgut Altstadt mit seinen Sozialstrukturen zu erhalten. Wir wollen kein Ballermann-Image mehr für die Altstadt, die in einem schlechten Zustand ist, auch weil Kulturinstitutionen wie das Römisch-Germanische Museum und sein Publikum fehlen."

Das Netzwerk hat sich noch weitere Ziele gesetzt: Auch die kulturellen Schätze der Altstadt sollen wieder mehr Beachtung erfahren. „Die Stadt könnte ihr Welterbe wesentlich besser vermarkten“, sagt er. „Mit der Via Culturalis und all den damit zusammenhängenden Planungen wie dem Laurenz Carré,  dem Dom Carré , den Museumsbauten, einer wiederbelebten Hohe Straße soll Köln wieder zu seiner alten Stärke im Kunst und Kulturbereich zurückfinden. Eine kreative Mischung aus jung und alt, mit Menschen aus allen Nationen. Köln als Trend-City in Deutschland, die nach vorne geht."

Dr. Joachim Groth ist Vorsitzender der Kölner „Bürgergemeinschaft Altstadt“. Während er genau dort, im Kölner Stadtbezirk Innenstadt lebt, lehrt und arbeitet er an der Ruhr-Universität in Bochum.

24RHEIN-Gastautorin Claudia Hessel ist Chefmoderatorin von RTL West – und eingefleischte Kölnerin. DieTV- Journalistin leitet als Vorstandsvorsitzende das Kölner Forum für Kultur im Dialog und ist ehrenamtlich im Kölner Presseclub aktiv. Dieser Beitrag stammt aus dem Newsletter des Kölner Presseclub, den Sie hier abonnieren können.

Nach unserem Rundgang durch die Altstadt und vielen spannenden Ideen und konstruktiven Vorschlägen bin ich zuversichtlich: Dies ist bürgerschaftliches Engagement, für das Köln bekannt ist und auf das es stolz sein kann. Allerdings reicht es nicht, wenn einige Engagierte ehrenamtlich in dieser Stadt an den Verbesserungen arbeiten. Wichtig ist, eine breite Bewegung in der Kölner Bevölkerung zu erreichen. Den Schriftzug „Liebe deine Stadt“ kennen alle. Ihn gilt es, im Miteinander umsetzen und nicht auf andere zu warten. (Claudia Hessel/IDZRW)

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