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Wilde Papageien in Köln: Anwohner beschweren sich über Lärm und Dreck

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Von: Johanna Werning

Zwei Papageien sitzen auf einem Ast. Im Hintergrund sieht man ein Panorama vom Kölner Dom.
Tausende wilde Papageien leben in Köln (IDZRW-Montage) © Oliver Berg/dpa & Julian Stratenschulte/dpa

Tausende wilde Papageien leben in Köln. Auch in anderen Städten siedeln sich die Vögel an. Doch nicht bei jedem sind die Papageien beliebt.

Köln – Sie sind bunt, frech und ein bunter Farbklecks in der urbanen Vogelwelt: Grüne und gelbe Papageien haben in vielen Großstädten Deutschlands Einzug gehalten – auch in Köln. Auf 20.000 Exemplare insgesamt schätzt der Biologe Michael Braun die Population der Halsbandsittiche mit ihrem leuchtend grünen Gefieder und dem schwarzen Kragen der Männchen. „Die Exoten haben eine freie ökologische Nische für sich gefunden“, erläutert Braun, der sich wissenschaftlich mit dem Alexandrinus manillensis beschäftigt hat. Insbesondere am Rhein haben die Vögel optimale Lebensbedingungen gefunden.

Bunte Papageien in Köln und überall: „Halsbandsittich ist quasi der neue Spatz“

Halsbandsittiche
Gewicht: 130 g (Erwachsener)
Art: Halsbandsittich
Familie: Eigentliche Papageien (Psittacidae)
Gattung:Edelsittiche (Psittacula)
Ordnung: Papageien (Psittaciformes)

Ausgerechnet Bäume auf der noblen Kö – der Einkaufsstraße in Düsseldorf – haben sich die Vögel als Nachtlager auserkoren, sehr zum Unmut der Einzelhändler. An der Rheinpromenade in Köln sind sie hingegen eine echte Touristenattraktion. „Die Leute fühlen sich wie im Amazonaswald“, sagt Horst Bertram, Chef des Kölner Naturschutzbundes Nabu. Und Eko Fresh und Kasalla haben den bunten Vögeln sogar einen Song gewidmet.

In Heidelberg werden Reisende vor dem Hauptbahnhof am Abend vom Kreischen der etwa 1000 Exemplare auf ihren Schlafbäumen an einer der größten Kreuzungen der Stadt begrüßt. Und in Stuttgart suchen Gelbkopfamazonen im innerstädtischen Rosensteinpark nach Nahrung.

„In den Citys ist es noch mal wärmer als in der Umgebung“, sagt Braun, der die Heidelberger Gruppe untersucht hat. Das Phänomen sei nicht auf Deutschland begrenzt, auch in anderen mitteleuropäischen Ländern und Südeuropa seien Papageien mittlerweile zu Hause. Der Halsbandsittich habe sich von seinem Ursprungsland Indien nach Südostasien und Südamerika ausgebreitet und sei nun weltweit die häufigste Papageienart, sagt Naturschützer Bertram. „Der Halsbandsittich ist quasi der neue Spatz.“

Bunte Papageien in Deutschland: Darum haben sich die Vögel so ausgebreitet

Die Ursprünge der deutschen Populationen liegen Jahrzehnte zurück. „In den 60er und 70er-Jahren gab es in Deutschland einen Papageien-Hype“, erzählt Bertram. Die Haltung von Papageien sei damals ein verbreitetes Hobby gewesen. Aus der Gefangenschaft geflüchtete Exemplare bildeten die Basis für die einzelnen Bestände. So war das auch in Stuttgart, wo die einzige deutsche Gruppe der Gelbkopfamazonen zu finden ist.

„Damals haben Vogelfreunde gesammelt, um eine Partnerin für ein entflohenes Männchen zu erwerben“, erzählt Bianca Horn, langjährige Beobachterin der 60 Papageien. Aus der damaligen Verbindung gingen 1986 drei Jungvögel hervor und verhalfen einer Spezies zu neuem Schwung, die in ihrer mittelamerikanischen Heimat fast ausgestorben ist. Dort gibt es laut Bund für Umwelt und Naturschutz nur noch 3500 Exemplare.

Seit sieben Jahren widmet die Fotografin ihre Freizeit den Vögeln und ihrem Sozialverhalten. Festgestellt hat sie, dass die Tiere monogam sind. Wenn aber ein Männchen seine Partnerin verliert, tue es alles, um einem anderen das Weibchen auszuspannen. „Papageien sind nicht gerne alleine“, hat die 50-Jährige festgestellt. Schon die Jungvögel lernten diese Paarfindungskämpfe spielerisch.

Derzeit macht der Hobby-Ornithologin ihr Lieblingsvogel Rodolfo Sorgen. Seine Partnerin hat ihre Eier bereits in eine Bruthöhle gelegt, doch der Gatte bleibt verschwunden und kann ihr wahrscheinlich weder die 24 Tage bis zum Schlüpfen noch beim ersten Flug der Jungen nach zwei Monaten behilflich sein. Rodolfo könnte von einem Greifvogel oder einem Auto erwischt worden sein.

Wie können sich Papageien an Orten aufhalten, die Tausende Kilometer von ihrem natürlichen Lebensraum entfernt sind? Der kräftige, krumme Schnabel ist der Schlüssel zu ihrem Überleben, meint Experte Braun. Damit seien die Einwanderer nicht auf Körner angewiesen und könnten wie mit einer Zange auch Wal- und Haselnüsse knacken. Auf dem Speiseplan der Vegetarier stehen auch Beeren und Früchte, von denen es dank exotischer Gewächse wie dem Trompetenbaum auch im Winter genug gibt.

Papageien in Köln, Düsseldorf und Heidelberg – doch die Vögel sind nicht immer willkommen

Anders als die Nilgänse breiten sich die Papageien nicht stark aus. „Die bleiben einem Ort treu“, sagt Biologe Braun. Auch im Winter in wärmere Gefilde zu fliegen, kommt ihnen nicht in den Sinn. Tiefe Temperaturen können die Tropenvögel verkraften, wenn auch manchmal mit Erfrierungen an den Krallen. Papageien gehören nicht zu den invasiven Arten, die einheimische Tiere verdrängen. Konkurrenten sind sie lediglich mit Dohlen, Spechten und Hohltauben bei der Suche nach Bruthöhlen in alten Bäumen.

Ganz konfliktfrei ist das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier nicht. In Heidelberg nisteten Papageien 2003 in der Wärmedämmung eines Seniorenheimes. Brutkästen lösten das Problem.

In Köln wollte man schon eine „Vergrämungsbeauftragte“ einsetzen, um die Tiere zu verscheuchen, nachdem Anwohner von Schlafbäumen sich über Lärm und Kot der insgesamt 3000 Kölner Vögel in der Kölner Innenstadt beschwert hatten. An der Rheinuferpromenade sorgen die Papageien teilweise für viel Dreck. Besonders betroffen war ein Biergartenbetreiber, dessen Markise täglich von Papageien verschmutzt wurde. Die Vögel zogen 50 Meter weiter auf Bäume vor einem Hotel, dessen Gäste nun das bunte Treiben genießen. „Eine glückliche Fügung“, sagt Bertram. So musste die „Vergrämungsbeauftragte“ nicht mit Lärm, Licht und Greifvogelattrappen ausrücken. Im nahen Düsseldorf war einst sogar im Gespräch, die Sittiche mit Falken von der Flaniermeile zu vertreiben.

Nach Bertrams Worten ist das Aufsuchen eines gemeinsamen Schlafbaumes ein Urinstinkt der Tiere, der ihnen Sicherheit gibt. Würden sie vertrieben, teilten sie sich in mehrere kleine Grüppchen auf. „Das Schlafplatzsplitting bedeutet Stress und Unruhe für die Sittiche.“ Sein Fazit:“Dann würden sich noch mehr Menschen gestört fühlen.“ (dpa/jw) Fair und unabhängig informiert, was in Köln und NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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