Warum Köln verkommt: „Hier werden aus Chancen eher Krisen“

Die Liebe zu Köln macht auch blind – sie übersieht Schmutz, Verwahrlosung und Hässlichkeiten im öffentlichen Raum. Mit dieser Meinung steht unser Gastautor Michael Hirz nicht allein.
Köln – Der auffordernde Schriftzug „Liebe deine Stadt“, der viele Jahre über der Nord-Süd-Fahrt zu sehen gewesen ist, war vermutlich nirgendwo so unnötig wie in Köln. Denn an Liebe zur Stadt besteht kein Mangel, sie braucht weder einen Anlass noch eine besondere Begründung. Doch Liebe macht auch blind. Sie übersieht Schmutz und Verwahrlosung, sie blendet die zunehmende Hässlichkeit des öffentlichen Raums aus, sie hat längst gewöhnt an die heruntergekommenen Einkaufsstraßen der Innenstadt, die vermüllten Grünflächen, das enthemmte Partyvolk auf den Ringen und im Friesenviertel, die vielen Junkies und die organisierte, teils aggressive Bettelei, das täglich wachsende Verkehrschaos.
Paul Bauwens-Adenauer: „Erscheinungsbild von Köln ist katastrophal“

Klar, Köln ist besonders. Kommt man aus, sagen wir, Stockholm, Breslau oder auch nur Düsseldorf, merken wir: Es geht auch anders. Woran also liegt‘s? Diese Frage habe ich jemandem gestellt, den die Zuneigung zu seiner Heimatstadt nie unkritisch gemacht hat: Paul Bauwens-Adenauer. Ihn erreiche ich telefonisch in den USA. Köln habe ein enormes Potential, sagt er, die Stadt habe großartige Chancen. Aber offensichtlich werden in Köln aus Chancen eher Krisen. „Die Ausstrahlung, das Erscheinungsbild ist katastrophal“, man müsse sich nur rund um den Dom, Deutschlands prominenteste Sehenswürdigkeit, umschauen. Verwaltung und Politik, wobei er seine eigene Partei, die CDU, keineswegs ausnimmt, seien hierfür verantwortlich.
Aber, die Hoffnung stirbt zuletzt, es gebe immer wieder zukunftweisende Impulse. So etwa Paul Böhms kühne Vision für eine neugestaltete Innenstadt inklusive der Verlegung des Hauptbahnhofs ins Rechtsrheinische. „Ich bin Paul Böhm dankbar für diese Ideen.“ Überhaupt mahnt er ein langfristiges Konzept an, wobei er für eine weitgehende Verlegung des Öffentlichen Personennahverkehrs unter die Erde plädiert. „Wir müssen die Aufenthaltsqualität deutlich verbessern. Wir brauchen Plätze, auf denen man sich gerne aufhält“, so sein Credo mit Verweis auf andere Metropolen.
Unser Gastautor Michael Hirz
Der Publizist Michael Hirz war bis vor kurzem Programm-Geschäftsführer des Politik-Senders „Phoenix“ und hat u. a. den „Internationalen Frühschoppen“ moderiert. Jetzt ist Michael Hirz freier Journalist, Kommunikationsberater und sitzt im Vorstand des Kölner Presseclub. Dieser Beitrag stammt aus dem Newsletter des Kölner Presseclub.
Talk: „Die neue Mitte Kölns – warum der Hauptbahnhof auf die andere Rheinseite umziehen muss“
Über dieses Thema diskutieren im Kölner Presseclub Paul Bauwens Adenauer und der Architekt Paul Böhm. Termin: 28. Oktober 2021, 19:30 Uhr. Anmeldung und weitere Informationen hier.
Paul Bauwens-Adenauer: „Die CDU ist ein Sanierungsfall, sie ist konzeptions- und haltungslos“
Bei seiner Partei sieht er, in Köln wie im Bund, einen fatalen Mangel an Gestaltungswillen und Gestaltungskraft: „Die CDU ist ein Sanierungsfall, sie ist konzeptions- und haltungslos“. Nach dem Wahldesaster vom 26. September sieht er den Platz für die CDU in der Opposition: „So bitter das wäre, es ist vielleicht der einzige Weg zur inhaltlichen und personellen Erneuerung.“ Armin Laschet nun zum alleinige Sündenbock zu machen, sei der falsche Schluss: „Das ist billig.“ Auch Bayerns Markus Söder zum Beispiel sei „haltungslos“, das Versagen laste auf vielen Schultern.
Mit Noch-Kanzlerin Angela Merkel („Sie hat die Union da reingesteuert“) und der Unions-Führungsspitze geht Bauwens-Adenauer hart ins Gericht. In den Kernfragen, für die sie einst gestanden habe, also Europa, äußere und innere Sicherheit, Eigentumsbildung etc., bleibe sie orientierende Antworten schuldig. Die Frage, wovon wir künftig leben wollen, sei nicht thematisiert worden. „Wir zehren von der Substanz. Dabei sollte gerade die CDU, die immer auch die Partei der kleinen Leute war, das vermitteln, dass wir erwirtschaften müssen, was wir verteilen wollen.“
Der Unterschied zu seinem Großvater Konrad Adenauer sei, dass der „wusste, was er wollte, und dafür auch gestanden hat“. Damit habe der erste Nachkriegs-Kanzler Orientierung geben können.
Natürlich muss man Paul Bauwens-Adenauer nicht in allen Analysen und Einschätzungen folgen. Aber der Mann hat klare Vorstellungen von einer lebenswerten Stadt, ein fundiertes Urteil über die politischen Verhältnisse, ökonomischen Sachverstand und den Schneid, sich öffentlich und durchaus selbstkritisch in öffentliche Debatten einzubringen. In Abwandlung eines alten Werbespruchs kann man über Menschen wie ihn sagen: „Nie war er so wertvoll wie heute.“
Das ist Paul Bauwens-Adenauer
- Paul Bauwens-Adenauer, 1953 in Köln geboren, ist Architekt und Unternehmer
- Er ist ein Enkel des ersten Deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer
- Von 2005 bis 2015 war Paul Bauwens-Adenauer Präsident der IHK zu Köln
- Mit seinem Bruder Patrick Adenauer gründete er die Kölner Grün Stiftung, welche die Erhaltung und Verbesserung der Grünanlagen fördert