Autohaus führt 4-Tage-Woche ein – bei gleichem Lohn
Der Fachkräftemangel trifft nahezu alle Branchen. Ein Autohaus mit Filialen in Köln und Bonn setzt nun auf ein neues Konzept: weniger Arbeit bei gleichem Lohn.
Köln – Egal, ob Handwerk, Gastronomie oder Pflege: Der Mangel an Fachkräften bereitet vielen Unternehmen massive Kopfschmerzen – auch in NRW. Immer mehr Menschen gehen in Rente und Nachwuchskräfte sind rar. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (IHK) meldet, dass 85 Prozent der Betriebe negative Effekte durch das Defizit an geeigneten Mitarbeitern befürchten. Eine Kölner Autohaus-Kette versucht die Personalkrise nun abzuwenden und bietet als Anreiz eine 4-Tage-Woche an – bei gleichbleibendem Lohn.
4-Tage-Woche für Mechatroniker bei Kölner Betrieb
Dionysius Steingass ist Geschäftführer von „La Linea“. Der Autohändler verkauft und wartet PKW an insgesamt neun Standorten im Rheinland - unter anderem in Köln, Bonn und Euskirchen. „Die 4-Tage-Woche ist für uns eine wichtige Maßnahme, um die Work-Life-Balance unserer Mitarbeiter zu verbessern und die Attraktivität unserer Arbeitsplätze zu erhöhen“, sagt Dionysius Steingass. Für die „La Linea“-Werkstatt-Mitarbeiter ist seit Februar Realität, was in vielen anderen Unternehmen noch heiß diskutiert wird.
Wer bei dem Kölner Autohaus arbeitet, hat nun die Wahl:
► Entweder an vier Tagen pro Woche bei identischem Gehalt (33 Stunden/Woche) arbeiten
► Oder beim alten Arbeitszeitmodell bleiben und entsprechend mehr Lohn erhalten
„La Linea“-Chef Steingass ist davon überzeugt, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit zu mehr Motivation und Produktivität innerhalb der Belegschaft führen wird.

Expertin: „Fachkräftemangel hat Automobilbranche definitiv erreicht“
Branchenweit versuchen viele Betriebe, den Arbeitsplatz attraktiver zu machen, wie Claudia Weiler, Geschäftsführerin der KFZ-Innung Köln, gegenüber 24RHEIN erklärt: „Flexible Arbeitszeiten sind durchaus ein Thema. Aber es gibt auch sehr viele andere Incentives, die aktuell greifen.“ So werden unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung des Betriebsklimas – wie beispielsweise Teamevents – durchgeführt, um den Mangel an geeignetem Personal aufzufangen, so Weiler.
Zwar sei die Branche in der Personallage im Vergleich zu anderen Sparten häufig noch ein Stück weit verwöhnt, aber: „Der Fachkräftemangel hat uns definitiv erreicht“.
Was sind Incentives?
Das Wort Incentives stammt vom spätlateinischen incentivus ab, was so viel bedeutet wie anregend oder reizend. Laut Definition ist ein Incentive also eine „angebotene Gratifiktion“, die beispielsweise in Form von Geld oder Sachleistungen eine Leistungssteigerung anreizen soll.
4-Tage-Woche bereits in vielen EU-Staaten getestet – Experte: „überwältigender Erfolg“
Ganz neu ist die Idee von der verkürzten Arbeitszeit als Anreiz nicht. So hatte der Unternehmer Lasse Rheingans vor wenigen Jahren für Schlagzeilen gesorgt, weil er in seiner Bielefelder Agentur die 25-Stunden-Woche bei vollem Lohn eingeführt hatte. Aber: Bislang waren solche Modelle eben eher Thema bei Agenturen mit klassischen Bürojobs. Bei Handwerksbetrieben ist das bisher ungewöhnlich.
Andere Länder in Europa sind da schon weiter: In manchen Staaten wird das Modell bereits flächendeckend angewandt, so beispielsweise in Island oder Belgien. Fast 90 Prozent aller Angestellten arbeiten in Island beispielsweise nur noch vier Tage in der Woche. Ein Test dazu war dort ein „überwältigender Erfolg“, so die Einschätzung des Politikforschers Will Stronge. Auch eine andere großangelegte Studie zuletzt, dass eine 4-Tage-Woche zu mehr Produktivität führt und die Umsätze des Unternehmens steigert.
Arbeitsmarktexperte: 4-Tage-Woche kann auch negative Folgen haben
Was spricht also gegen ein solches Modell in Deutschland? „Da ist sehr, sehr viel Flexibilität erforderlich, sowohl von den Arbeitnehmern als auch von den Arbeitgebern“, erklärt der Arbeitsmarktexperte Alexander Spermann gegenüber dem ZDF. Denn: Eine 4-Tage-Woche bedeute eben auch, dass 100 Prozent des Umsatzes von Unternehmen innerhalb von nur 80 Prozent der Arbeitszeit erreicht werden muss. Mehr, anstatt weniger Stress könnte die Folge für Mitarbeiter sein.
Deshalb müsse die Arbeitsorganisation so aufgestellt werden, dass der Stress nicht noch zunehme, beispielsweise durch flexible Arbeitsorte, so Spermann – bei einer Werkstatt nur schwer leistbar. Man müsse sich zudem von der „reinen Vier-Tage-Betrachtung“ lösen und stattdessen über eine Verteilung der 16 Arbeitstage im Monat nachdenken – oder sogar eine Jahreszeit- oder Lebenszeit-Betrachtung einführen, so der Experte. (mg) Fair und unabhängig informiert, was in NRW und Deutschland passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.