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365-Euro-Ticket: Wie es funktioniert – und welche Kritik es gibt

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Von: Nils Bothmann

Was folgt auf das 9-Euro-Ticket? Im Gespräch ist auch das 365-Euro-Ticket. Wie funktioniert es und in welchen Städten gibt es das 365-Euro-Ticket bereits?

Köln – Noch bis Ende August gilt das 9-Euro-Ticket. Damit kann der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) deutschlandweit für neun Euro im Monat genutzt werden. Inbegriffen sind fast alle öffentlichen Verkehrsmittel – außer dem Fernverkehr der Deutschen Bahn wie IC oder ICE. Als möglicher Nachfolger für das 9-Euro-Ticket ist auch das 365-Euro-Ticket im Gespräch.

Das Konzept ist simpel und steckt bereits im Namen: Für den Betrag von 365 Euro können Kunden alle öffentlichen Verkehrsmittel ein Jahr lang in dem entsprechenden Verkehrsraum nutzen – also für einen Euro pro Kalendertag. Durch die günstigen Fahrpreise sollen Personen animiert werden, das Auto in der Garage stehenzulassen. Unter Umständen kann die Einführung eines 365-Euro-Tickets auch zur Abschaffung anderer Tarife, Vereinfachung des Angebots und zu weniger Bürokratie führen.

365-Euro-Ticket: Wo gibt es das Tickt bereits? Österreich und Wien als Vorreiter

Vorreiter in Sachen 365-Euro-Ticket ist die österreichische Hauptstadt Wien. Dort wurde von der damaligen rot-grünen Stadtregierung am 1. Mai 2012 das erste 365-Euro-Ticket eingeführt. Innerhalb der ersten fünf Jahre führte dies zu einer Verdopplung der verkauften Jahreskarten. Für Personen ab 65 Jahren kostet die ermäßigte Jahreskarte dort nur 235 Euro. Weitere österreichische Verkehrsverbünde folgten dem Beispiel Wiens, später folgten landesweite Modelle. Aktuell gibt es das KlimaTicket für 1.095 Euro (= 3 x 365 Euro). Es gilt für den öffentlichen Nahverkehr in ganz Österreich sowie in allen Zügen der ÖBB und der WESTbahn.

365-Euro-Ticket in Deutschland: Hamburg und Leipzig für bestimmte Gruppen

In verschiedenen deutschen Städten wurde das 365-Euro-Ticket ebenfalls eingeführt – oft aber nur für eingeschränkte Personenkreise. In Hamburg beispielsweise gibt es BonusTicket für Auszubildende, in Leipzig ein 365-Euro-Ticket für einkommensschwache Personen, die über einen Leipzig-Pass verfügen. In Görlitz hingegen wurde das 365-Euro-Ticket 2019 als allgemeine Jahreskarte ohne Beschränkungen auf bestimmte Kreise eingeführt.

Manche Angebote kamen über das Planungsstadium nicht hinaus. Obwohl Bayerns Ministerpräsident Markus Söder 2019 die Einführung eines 365-Euro-Tickets forderte und später sogar eine flächendeckende Einführung in ganz Deutschland vorschlug, kam es in der Landeshauptstadt München noch nicht einmal zu einem entsprechenden Tarif für Studenten. Im Juli 2022 wurden die Pläne für 365-Euro-Studententicket beerdigt, weil der Freistaat Bayern sich finanziell nicht in geforderter Höhe beteiligen wollte.

Reisende am Kölner Hauptbahnhof
Das 365-Euro-Ticket wird als Option gehandelt, um auch in Zukunft günstigen Nahverkehr anbieten zu können © Roberto Pfeil/dpa

Modellstadt Bonn: Was lief beim Klimaticket für 365 Euro schief?

Bonn versuchte sich 2019 in einem Modellversuch an der Einführung eines Klimatickets für 365 Euro im Jahr. Da jedoch mit 79.000 Fahrkarten noch nicht einmal die Hälfte der Tickets verkauft wurde, wurde das Experiment nach einem Jahr beendet. Allerdings hatte der Versuch in Bonn einen entscheidenden Haken: Er galt nur für Neukunden. Dadurch beraubte sich die Stadt eines großen Kundenpotenzials. Außerdem gab es herbe Kritik von Nutzern, die sich dafür abgestraft sahen, dass sie bereits eine klimafreundliche, aber teurere Jahreskarte besaßen.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) setzt sich in einem Positionspapier dafür ein, dass Tarifsenkungen als Teil eines ganzheitlichen Gesamtkonzepts aus Push-und-Pull-Maßnahmen eingesetzt werden, um Nutzer nachhaltiger an die klimafreundlichen Verkehrsmittel zu binden.

9-Euro-Ticket in NRW: 365-Euro-Ticket als Nachfolger ab September?

Vom Bund wurde erklärt, dass es Ländersache sei, ob man ab September wieder zur normalen Preisgestaltung zurückkehrt oder eine andere Lösung favorisiert. In NRW werden derzeit mehrere Modelle als mögliche Nachfolger des 9-Euro-Tickets diskutiert. Vor allem die SPD, die bereits im Rahmen der Landtagswahl für ein 365-Euro-Ticket geworben hatte, macht sich für diese Option stark. Auch die schwarz-grüne NRW-Landesregierung will sich für einen kostengünstigen Nahverkehr starkmachen, legte sich aber noch nicht eindeutig fest. ÖPNV-Abonnenten in NRW profitieren im September und Oktober von einer Abo-Aktion, mit der Bestandskunden mit ihrem Regionalticket NRW-weit öffentliche Verkehrsmittel nutzen können. Dies beinhaltet Busse, Straßen-, Stadt- und U-Bahnen sowie Nahverkehrszüge (wie RE und RB) und die S-Bahn (2. Klasse).

In Köln hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) im Rahmen ihrer Wiederwahl für 365-Euro-Ticket der Kölner Verkehrs-Betriebe nach Wiener Vorbild geworben. Die Forderung war Teil ihres „Kölnplans“, den sie im Mai 2020 vorgestellt hatte. Bis jetzt ist dies allerdings weiterhin Zukunftsmusik: Im Herbst 2021 wurde dem Projekt vorerst eine Absage erteilt, da die Ausfälle aufgrund der Corona-Pandemie zu gravierend seien und das Angebot daher nicht finanzierbar. (nb) Fair und unabhängig informiert, was in Deutschland und NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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