Nach 9-Euro-Ticket: Kommen bundesweite Bahntickets im Nahverkehr?
Das 9-Euro-Ticket wurde in Deutschland millionenfach verkauft. Doch was folgt danach? Eine Idee ist ein dauerhaft einheitliches Tarifsystem.
Köln/Berlin – Derzeit jagt eine Bahn-Aktion die andere: Nach dem 9-Euro-Ticket verkauft nun die Deutschen Bahn das „Egal-Wohin-Ticket“. Zwar gibt es in der Politik eine große Debatte darüber, ein dauerhaft günstiges ÖPNV-Abo anzubieten, jedoch wurde das bereits von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ausgeschlossen. Mit der Ampel-Koalition dürfte das also ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket oder ähnliches vorerst nicht kommen. Dafür möchte Bundesverkehrsminister Volker Wissing aber eine dauerhafte Vereinfachung des Tarifsystems im öffentlichen Nahverkehr.
Nach 9-Euro-Tickets: Wissing will Einheitlichkeit bei ÖPNV-Tarifzonen
Womöglich könnte das im Juni gestarteten 9-Euro-Ticket eine echte Trendwende in Deutschland eingeläutet haben. Seit der Ankündigung des ÖPNV-Sonderangebots steht eine dauerhafte Umstrukturierung im Raum. Sei es finanzieller oder auch organisatorischer Art.
„Wenn die komplizierten Tarifzonen verschwinden und die Tickets bundesweit gelten, wird der öffentliche Nahverkehr sehr viel stärker genutzt“, sagte Volker Wissing der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Wir sollten deswegen endlich Wege finden, den Tarif-Dschungel in Deutschland zu beenden.“ Derzeit kann man mit dem 9-Euro-Ticket durch ganz Deutschland fahren, etwas, das vorher nicht so einfach möglich war.
Mit einem Ticket durch ganz Deutschland fahren: „ÖPNV muss attraktiver werden“
Bei Kommunen und Verbänden stößt der Minister mit seinem Vorschlag auf Zustimmung – allerdings unter Bedingungen, vor allem finanzieller Art. Der Deutsche Städtetag etwa begrüßte den Vorstoß grundsätzlich, verwies aber auf Finanzierungslücken. Der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Helmut Dedy, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag (9. Juli): „Der ÖPNV muss attraktiver werden, die Städte unterstützen ein einfacheres Tarifsystem.“ Der Städtetag freue sich daher, dass der Bundesverkehrsminister nun offenbar mit den Ländern und den Trägern des Öffentlichen Nahverkehrs über bundesweit geltende Tickets sprechen wolle.
Positivere Resonanz für Wissings Vorstoß gab es vom Fahrgastverband Pro Bahn. Die Tarifstruktur im Nahverkehr sei in Deutschland sehr kompliziert, sagte Andreas Schröder von Pro Bahn der Deutschen Presse-Agentur. Hier eine Veränderung anzustoßen, sei deshalb „grundsätzlich zu begrüßen“. Angesichts des Beharrungsvermögens der Verkehrsverbünde werde dies aber sicherlich nicht einfach sein. Ein mögliches Modell wäre beispielsweise ein „kilometerabhängiger Tarif“.

ÖPNV-Tarifzonen in Deutschland: Vereinheitlichung könnte viel Geld kosten
Laut dem Städtetag sei die Vereinheitlichung der ÖPNV-Tarifzonen allerdings kein einfaches Unterfangen, weshalb hier „kreative Lösungen“ gefragt seien. Eine Voraussetzung sei, „dass zeitgleich die massiv gestiegenen Kosten im Bereich Energie und Personal“ ausgeglichen werden und damit der Bestand gesichert werde. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte: „Es ist völlig unrealistisch, den Tarif-Dschungel zu lichten, ohne Geld dafür in die Hand zu nehmen.“
9-Euro-Ticket-Nachfolge: Kommt dauerhaft günstiges Bus und Bahn fahren in Deutschland?
Wissing nannte das 9-Euro-Ticket in der Neuen Osnabrücker Zeitung einen „fulminanten Erfolg“ und die „beste Idee für den Bahnverkehr seit ganz langer Zeit“. Eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets scheint trotz der Begeisterung des Ministers jedoch unwahrscheinlich. Dass die Finanzierung des ÖPNV für die Länder eine große Herausforderung sei, „kann ich nachvollziehen“, sagte er. „Allen ist aber auch klar, dass der Bund kein Monatsticket für 9 Euro auf Dauer finanzieren kann. Das wären jährlich rund zehn Milliarden Euro.“
Inzwischen kursieren aber verschiedene Modelle, mit denen das Reisen im Nah- und Regionalverkehr auch nach dem Ende des 9-Euro-Tickets günstiger und unkomplizierter sein soll – wenn auch nicht zum selben Kampfpreis. So haben die Verbraucherzentralen etwa die Idee eines 29-Euro-Tickets ins Spiel gebracht, also die Fortsetzung des radikal vereinfachten Modells zu etwas höheren Preisen. Und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat das Konzept eines sogenannten Länder-Plus-Tickets entwickelt, das den komplizierten Tarif-Flickenteppich durch acht sich teils überlappende Großräume ersetzt. Abos für Fahrten in diesen Großräumen sollen pro Monat zwischen 30 und 75 Euro kosten.
Nachfolge 9-Euro-Ticket: Österreich machts vor – Klimaticket oder 365-Euro-Ticket?
Dabei könnte Nachbarland Österreich ein Vorbild sein. Dort gibt es seit Oktober 2021 das sogenannte „Klimaticket“, mit dem man für den Preis von 1095 Euro (drei Euro pro Tag) ein ganzes Jahr lang alle öffentliche Verkehrsmittel in dem Land nutzen kann. Bereits 2012 hatte die österreichische Hauptstadt Wien als erster Ort überhaupt das 365-Euro-Ticket eingeführt. Mit diesem kann man ein Jahr lang den ÖPNV nutzen. Dies hatte in den ersten fünf Jahren zu einer Verdoppelung der verkauften Jahreskarten geführt. (os mit dpa) Fair und unabhängig informiert, was in NRW und Köln passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.