9-Euro-Ticket: Nachfolger für 29, 49, 69 oder 365 Euro? Was kommen könnte
Trotz hoher Beliebtheit soll das 9-Euro-Ticket nicht verlängert werden. Was könnte ab September folgen? Welche Nachfolger-Tickets sind denkbar?
Köln – Mit dem 9-Euro-Ticket ist der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland so einfach und günstig wie noch nie geworden. Während das bundesweit einheitlich Tarifsystem bleiben soll, wird über die zukünftige Preisgestaltung derzeit noch gestritten. Die Diskussion dreht sich dabei um mehrere teils sehr verschieden Optionen, die nach dem Ende des deutschlandweiten 9-Euro-Ticket im September folgen könnten. Eines haben sie alle gemeinsam: sie wären günstiger als die bisher geltenden Tarife.
9-Euro-Ticket: Nachfolger ab September? Diese Optionen werden diskutiert
Das im Juni gestartete 9-Euro-Ticket ist auf genau drei Monate ausgelegt: Juni, Juli und August 2022. Somit soll das ÖPNV-Sonderangebot ab September wieder verschwinden. Ab dann würden dann wieder die alten Tarife und Zonen gelten – eigentlich. Denn es werden aktuell mehrere Folgeverschläge als 9-Euro-Ticket-Nachfolger diskutiert:
- Verlängerung des 9-Euro-Tickets: Trotz mehrfacher Absage der FDP-Spitzenpolitiker wie Bundesfinanzminister Christian Linder ist eine mögliche Verlängerung des aktuellen Sonderangebotes noch nicht ganz vom Tisch. Die Linkspartei forderte angesichts hoher Gaspreise, das 9-Euro-Ticket bis Jahresende zu verlängern. Die Grüne Jugend macht sich sogar für ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket stark. Ebenfalls für eine zumindest zeitweise Verlängerung ist unter anderem der Deutschen Caritasverband oder der Verein „Campact“, der dafür sogar eine Petition ins Leben gerufen hat. Tatsächlich hat sich auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) als Stellvertreter aller Verkehrsunternehmen für eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets bis Ende Oktober ausgesprochen. Die Kosten lägen bei etwas mehr als einer Milliarde Euro im Monat, also zwölf Milliarden im Jahr.
- 29-Euro-Ticket: Die Verbraucherzentralen haben gegenüber der dpa ein leicht buchbares Ticket für Busse und Bahnen im Nahverkehr zum monatlichen Preis von 29 Euro vorgeschlagen, also für etwa einen Euro pro Tag. „Das würde in der Preiskrise alle entlasten, insbesondere aber Haushalte mit wenig Geld, und zudem der nötigen Verkehrswende mehr Schub geben“, heißt es in einer Mitteilung.
- 29- und 49-Euro-Ticket: Die Grünen sind mit einem neuen Vorschlag als Nachfolger für das 9-Euro-Ticket vorgeprescht. Dieser sieht zwei verschiedene Tickets vor: ein Regional-Ticket für 29 Euro im Monat und ein bundesweites Ticket für 49 Euro im Monat. Dabei wurden acht neue Regionen vorgeschlagen, die mindestens ein ganzes Bundesland umfassen. Gezahlt werden sollen die ÖPNV-Tickets durch die Abschaffung der pauschalen Versteuerung von Dienstwagen. Jedoch ist Mitregierungspartei FDP klar dagegen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zudem erklärt, im Haushalt würde es keine weiteren finanziellen Mittel für solche Tickets geben. Insofern es doch noch eine Einigung gäbe, wäre die Einführung der Tickets ab Oktober möglich.
- 69-Euro-Ticket: Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) schlägt ein bundesweit gültiges ÖPNV-„Klimaticket“ für 69 Euro im Monat als dauerhaftes Angebot vor. Jedoch würde aber nicht wie das 9-Euro-Ticket automatisch für Abonnenten gelten. Dieses Modell müsste der Staat mit rund zwei Milliarden Euro im Jahr bezuschussen.
- 365-Euro-Ticket: Die wohl meistdiskutiertes Option, auch vor dem 9-Euro-Ticket, ist ein Jahresabo für 365 Euro. Ein Ticket also für einen Euro pro Tag. Dieses ist zum Beispiel in Österreich bereits Realität. Die Umweltorganisationen Greenpeace und der BUND fordern jeweils diese Option für maximal einen Euro pro Tag. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich dafür ausgesprochen. Für Azubis gibt es das 365-Euro-Ticket bereits in mehreren deutschen Städten und Regionen wie Berlin, Hamburg oder München.
Möglichkeiten, was nach dem 9-Euro-Ticket kommen soll, gibt es also viele, doch eine klare Tendenz ist noch nicht absehbar. Bund und Länder ringen noch über ein mögliches Folgeangebot des Billig-Fahrscheins. Vor allem die Finanzierung ist ein großer Streitpunkt. Bayern pocht darauf, dass der Bund allein die Kosten für das Nachfolgeangebot im Nah- und Regionalverkehr übernimmt. Andere Länder wie signalisierten die Bereitschaft zur Mitfinanzierung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht aber keinen Spielraum für zusätzliche Mittel des Bundes.
Lindner sagte in der Augsburger Allgemeinen, in der Finanzplanung stünden für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets keine Mittel zur Verfügung. Jeder Euro müsste durch Kürzung anderswo mobilisiert werden, so der FDP-Politiker. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist derweil offen für einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets. Seinem Ministerium zufolge ist die Bereitschaft der Länder aber mitentscheidend, sich finanziell zu beteiligen. Welche Nachfolgelösung er präferieren würde, ist nicht bekannt.
Ganz grundsätzlich könnte aber Nachbar Österreich ein großes Vorbild sein. Dort wurde nicht nur 2012 in Wien das allererste 365-Euro-Ticket überhaupt eingeführt, sondern Ende 2021 dann auch das landesweite „Klimaticket“. Mit diesem kann man für den Preis von 1095 Euro (drei Euro pro Tag) ein ganzes Jahr lang alle öffentliche Verkehrsmittel in dem Land nutzen. Es basiert zusätzlich auf einem Drei-Stufen-Modell. So kann man auch das Klimaticket auch nur für eine einzelne Region kaufen. Dann kostet es lediglich 365 Euro pro Jahr.
0-Euro-Ticket statt 9-Euro-Ticket: Auch kostenloser ÖPNV als Nachfolger im Gespräch

Etwas, das auch immer wieder zur Sprache kommt, ist komplett kostenloser Nahverkehr. Im Zuge des 9-Euro-Tickets auch gerne mal als „0-Euro-Ticket“ bezeichnet. Wie der Business Insider mit Verweis auf eigene Quellen berichtet, soll dies zuletzt tatsächlich in der Politik diskutiert worden sein. Demnach hätten Städte wie Berlin diese Option erwogen. Tatsächlich gibt es in Deutschland bereits kostenlosen ÖPNV: Die Stadt Monheim an Rhein im Kreis Mettman bietet diesen seit 2020 an. Mit Luxemburg gibt es derweil aber auch ein ganzes Land, dass öffentliche Verkehrsmittel zum Nulltarif ebenfalls seit zwei Jahren anbietet.
Deutschlandweit ist das aber erstmal Utopie. Laut SPD-Fraktionsvizechef Detlef Müller sei klar, dass ein ÖPNV zum Quasi-Nulltarif nicht finanzierbar sei: „Preisanreize dürfen nicht zulasten des Betriebs und des Ausbaus des ÖPNV gehen“. In diesem Kontext ergänzte Wissing: „Es ist ja nicht so, dass der niedrigste Preis immer die größte Zufriedenheit herbeiführt. Wenn die Leistung dahinter nicht stimmt, dann nutzt es niemandem, für einen Euro fahren zu können, aber die Takte nicht passen.“
9-Euro-Ticket: Nachfolger nicht schon ab September – ist wohl „Ländersache“
Mit einem nahtlosen Folgeangebot für das 9-Euro-Ticket dürfte es aber so oder so schwer werden. Denn der Bund hat mit den Ländern verabredet, dass erst Anfang November die Ergebnisse einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zur generellen Zukunft und Finanzierung des ÖPNV vorliegen sollen. Diese sollen bei der Bewertung helfen, weshalb vorher auch keine Entscheidung für einen Nachfolger fallen wird. Möglich wäre ein Anschluss nach Worten von Bundesverkehrsminister Volker Wissing Ende des Jahres 2022 oder Anfang 2023.
Obwohl das 9-Euro-Ticket von der Bundesregierung initiiert wurde, sieht Volker Wissing sieht bei einem Nachfolgeangebot nicht den Bund in der Pflicht. „Ich kann ein Ticket gar nicht gestalten, sondern das müssen die Länder machen“, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch (20. Juli) im ARD-Morgenmagazin. Als er das Ticket vorgeschlagen habe, sei dies mit Empörung von den Ländern kritisiert worden. „Und jetzt sind alle ganz begeistert und wollen das dauerhaft haben. Jetzt muss man schauen, wie die Länder das finanzieren wollen.“ Wissing hatte zuvor bereits mehrfach betont, dass die Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs Ländersache sei.
9-Euro-Ticket Nachfolger in NRW: SPD will 365-Euro-Ticket, Landesregierung vage
Angesichts dieser Tatsache wird die Haltung der regionalen Politik wieder deutlich relevanter. Auch in NRW gibt es einige Ideen für einen 9-Euro-Ticket-Nachfolger. Im Zuge der Landtagswahl 2022 vor allem die SPD massiv für ein 365-Euro-Ticket geworben. Landeschef Thomas Kutschaty bestätigte nun diese Forderung. „Das neue Ticket muss über die Abschaffung des unsinnigen Tarifdschungels hinaus gehen. Ja, an der Vereinheitlichung der Preise führt kein Weg mehr vorbei“, sagte der Oppositionsführer im NRW-Landtag am Montag (18. Juli). Sein Credo: Ein Euro pro Tag, egal ob als Monats- oder Jahresticket.
Doch was ist mit der schwarz-grünen Landesregierung? Denn diese wird letztlich wohl die Entscheidung für Nordrhein-Westfalen treffen. Der zuständige Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer hatte sich immer wieder klar für ein Folgeangebot des 9-Euro-Tickets ausgesprochen. Gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung sagte der Grünen-Politiker: „Wir sind zu Gesprächen über die kurzfristige Verlängerung und eine dauerhafte Nachfolgeregelung bereit“. Krischer hatte zuvor in einem WDR-Interview erklärt, dass man in der Landesregierung bereits über die Nachfolge nachdenke und auch in Gesprächen mit anderen Ländern und dem Bund sei.
Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und Grüne sehr allgemein für „einen preiswerten ÖPNV für alle“ ausgesprochen. Das Bündnis möchte vergünstigte Ticketangebot für Schüler, Azubis, Freiwilligendienstleistende, Berufspendler und Senioren als E-Ticket testen. Zumindest die NRW-Verkehrsbünde sind bereits aktiv geworden und bieten mit einer Abo-Aktion als Anschluss an das 9-Euro-Ticket an. (os mit dpa) Fair und unabhängig informiert, was in Deutschland und NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.
Dieser Text wurde am 19. August inhaltlich aktualisiert. Neuerung: Details bei Verlängerung des 9-Euro-Tickets und 365-Euro-Ticket ergänzt.