Überschallknall durch Kampfjets: Kommt das jetzt wieder häufiger vor?
Ein Twitter-User berichtet von einem vermeintlichen Überschnallknall im Nordwesten. Was dahinter steckt und ob es an Air Defender 2023 liegt.
Köln – Ein lauter Knall am Himmel, vibrierende Scheiben, jaulende Hunde. Wenn es einen Überschnallknall gibt, dann bekommen Anwohner dies auf jeden Fall mit. Am 20. März etwa durchbrach ein Tornado-Kampfjet im Kreis Lippe (NRW) die Schallmauer und alarmierte damit sogar die Polizei. Am 1. Mai sorgten Eurofighter für einen Doppelknall im Bereich Ostwestfalen-Lippe. In letzterem Falle gehörten die beiden Kampfjets zur Alarmrotte, wie die Luftwaffe erklärte.
Die Maschinen waren aufgestiegen, nachdem ein niederländisches Passagierflugzeug den Funkkontakt verloren hatte. Es handelte sich dabei jedoch nicht um einen Notfall, sondern um menschliches Versagen beim Frequenzwechsel, wie die Eurofighter beim Kontakt mit der Maschine feststellten. Mittels Handzeichen konnten sie die Piloten des Passagierflugzeugs auf den Fehler aufmerksam machen.

Welche Belastungen Air Defender 2023 mit sich bringt
Im Juni wird die Kampfjet-Dichte im deutschen Luftraum gehörig zunehmen, denn dann wird die Übung Air Defender 2023 durchgeführt. Vom 12. bis 23. Juni findet das gigantische Kampfjet-Manöver unter der Leitung der Bundeswehr statt. Teile des deutschen Luftraums werden zu dieser Zeit als Übungszonen für Air Defender 2023 für den zivilen Luftverkehr gesperrt sein. Die Bundeswehr versichert, die Einschränkungen möglichst gering zu halten, es wird jedoch mit Beeinträchtigungen des Reiseverkehrs durch das Manöver gerechnet. Reisende sollten sich informieren, was auf sie zukommen könnte und welche Rechte sie im Falle eines Flugausfalls haben.
Dies sind jedoch nicht die einzigen Auswirkungen, die von dem Manöver erwartet werden. Es wird mit erhöhtem Fluglärm durch Air Defender 2023 gerechnet. Schließlich werden rund 220 Maschinen aus 25 teilnehmenden Nationen am Himmel sein, von denen die Bundeswehr insgesamt 62 Stück stellt. Die USA verlegen dafür rund 100 Maschinen, die sich ebenso wie Flugzeuge anderer Teilnehmerländer auf verschiedene Stützpunkte in Deutschland verteilen. Hier eine Liste aller Standorte, von denen aus Flieger im Rahmen der Übung Air Defender 2023 hauptsächlich starten werden:
- Wunstorf in Niedersachsen
- Lechfeld in Bayern
- Spangdahlem in Rheinland-Pfalz
- Volkel in den Niederlanden
- Čáslav in Tschechien
Besteht Überschallknall-Gefahr durch Air Defender 2023?
Angesichts dieser großen Menge an Kampfjets besteht die Sorge, dass es im Juni öfter zum Überschnallknall durch Air Defender 2023 kommen kann. Schließlich erreichen die beteiligten Kampfjets, darunter Eurofighter, Tornados und F-35, die entsprechenden Geschwindigkeiten.
Was ist ein Überschallknall?
Flugzeuge erzeugen während eines Flugs Druckwellen in der Luft, die sich in Schallgeschwindigkeit ausbreiten. Bei einer Geschwindigkeit von etwa 330 Metern pro Sekunde (ca. 1188 km/h) überholt ein Kampfjet jedoch seine eigenen Druckwellen und durchbricht damit die Schallmauer, was für einen lauten Überschallknall sorgt. Dieser breitet sich in Form eines Kegels hinter der Schallquelle aus, der eine Breite von bis zu 80 Kilometern haben kann. Neben dem Lärmereignis kommt es dabei zu Druckschwankungen, die von Menschen und Tieren ebenfalls wahrgenommen werden können. Wer Pech hat, hat nach einem Überschnallknall in der Umgebung ein Druckgefühl im Ohr.
Diese Frage umtrieb auch einen Twitter-User, der am 18. Mai einen Tweet an die Luftwaffe schrieb: „Gestern gab es einen Überschallknall im Nordwesten. Kommt das während #AirDefender23 öfters vor, oder war das ein QRA? Frage für meinen Hund...“ Das Kürzel QRA steht für „Quick Reaction Alert“ und bezeichnet Einsätze der Alarmrotte. Sollte es sich bei dem erwähnten Lärmereignis am 17. Mai um einen Überschallknall gehandelt haben, dann ist dies ein wahrscheinlicher Grund, da die Übung ja erst im Juni beginnt.
Außerdem soll vermieden werden, dass es im Zuge von Air Defender 2023 zu entsprechenden Lärmereignissen kommt. Gegenüber 24RHEIN erklärte ein Bundeswehrsprecher, dass man keine Flüge mit Überschallgeschwindigkeit über oder in der Nähe von bewohntem Gebiet plane: „Zur Schonung der Bevölkerung sind diese Flüge allerdings lediglich über dem offenen Meer vorgesehen.“ Sollte es doch zu einem hörbaren Überschallknall kommen, stehe dieser nicht mit dem Manöver in Verbindung.
Ob das Geräusch, das den Hund des Twitter-Nutzers offensichtlich sehr verschreckte, tatsächlich ein Überschnallknall war, ist allerdings unklar. Der Twitter-Account der Luftwaffe, auf dem sonst über entsprechende Zwischenfälle berichtet wird, antwortete bislang nicht auf den Tweet des Users und gab auch sonst keine entsprechende Meldung hinaus. Auch Medienberichte über einen Überschallknall im Nordwesten Deutschlands sind aktuell keine zu finden – vielleicht handelte es sich auch nur um ein anderes, ähnlich klingendes Lärmereignis.
Enormer Aufwand für Riesen-Manöver Air Defender
Der Nordwesten Deutschlands kann während Air Defender 2023 allerdings mit einer Mehrbelastung rechnen. Dort liegt einer der drei Flugkorridore für das Manöver. Der „Flugkorridor Nord“ betrifft große Teile von Schleswig-Holstein, den Norden und Westen Niedersachsens, den Norden von NRW (nördlich von Münster) und Teile der Nordsee. Die Fliegerhorste Jagel/Hohn und Wunstorf, die neben Lechfeld zu den drei Hauptdrehkreuzen der Übung gehören, befinden sich in diesem Gebiet. Im äußersten Nordwesten ist außerdem der Fliegerhorst Wittmund – einer von vier Eurofighter-Stützpunkten in Deutschland. Von dort aus steigen zwar keine Maschinen für Air Defender 2023 auf, aber das dort stationierte Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ stellt die Eurofighter für die nördliche Alarmrotte, die im (vermuteten) Krisenfall ebenfalls schnell am Himmel sind.
An Air Defender 2023 wird auch das neueste NATO-Mitglied Finnland teilnehmen und vier Kampfjets vom F/A-18 Hornet für die Dauer der Übung nach Deutschland verlegen und zwar zum Fliegerhorst Jagel/Hohn. Auch über der Eifel kam es jüngst zu Überflügen: Vom 15. Mai an wurden zwölf Tornado-Kampfbomber aus NRW zur US-Air-Base Spangdahlem in Rheinland-Pfalz verlegt. Obwohl die Flugzeuge bis zum Beginn der Übung Air Defender 2023 dort verbleiben werden, hat dies nichts mit dem Manöver an sich zu tun. Am Fliegerhorst Nörvenich im Kreis Düren, wo die Jagdbomber eigentlich stationiert sind, werden aktuell „temporäre Infrastrukturmaßnahmen“ durchgeführt, wie die Luftwaffe sich ausdrückt. Dabei sollen die Anwohner für rund drei Wochen keiner Lärmbelastung ausgesetzt werden. (nbo)