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Zweitgrößter See Deutschlands entsteht in NRW – doch es gibt Probleme

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Von: Maximilian Gang

RWE will im Tagebau Hambach einen gigantischen See erschaffen. Die Pläne dafür sind aber schon Jahrzehnte alt – und das sorgt nun für Probleme.

Dormagen – 4,3 Milliarden Kubikmeter Wasser sollen die Kraterlandschaft des Tagebaus Hambach fluten. Dort, wo einst ganze Siedlungen standen, wurde über Jahrzehnte Kohle abgebaut. Bis 2070 soll in der Tagebau-Grube der nach Volumen größte See in Nordrhein-Westfalen und der zweitgrößte bundesweit entstehen – auf einer Fläche von 4.200 Hektar. Dafür soll unter anderem Wasser aus dem Rhein in die Mulden gepumpt werden, so der Plan von RWE und der Bezirksregierung Köln. Bereits seit den 1990er-Jahren steht das Vorhaben. Doch in Dormagen – wo die Pipeline zwischen Rhein und Tagebau beginnen soll – werden Stimmen gegen das Mammutprojekt immer lauter.

Grafik vom geplanten Hambacher See
Die Grafik zeigt, wie es einmal aussehen könnte: Aus den Kraterlandschaften des Tagebaus Hambach soll der größte See in NRW entstehen. © RWE

Hambacher See: Menschen Dormagen reagieren mit „vehementer Ablehnung“ auf RWE-Plan

Nach der Räumung von Lützerath gibt es erneut Aufregung um RWE: Für den Energieriesen ist die Umgestaltung des Tagebau Hambach zu einer Wald-Seen-Landschaft ein „sorgfältig erarbeitetes Rekultivierungskonzept“ – für die Bevölkerung in Dormagen sind die Pläne indes ein Graus. Erst vor wenigen Wochen hatten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der Stadt im Rhein-Kreis-Neuss ihrem Ärger Luft gemacht.

Von vehementer Ablehnung ist in einer Mitteilung der Stadt die Rede. Zu groß wird die Lärmbelästigung durch den Bau und Betrieb der benötigten Pumpanlage, zu massiv die Eingriffe in Landschaft und Natur, zu immens die Schmutzbelastung – so die Befürchtung der Anwohner. Auch Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld macht kein Geheimnis aus seiner kritischen Haltung gegenüber dem Projekt. „Ich glaube tatsächlich, dass durch die Veränderungen der letzten 30 Jahre viele neue Fragen aufgetaucht sind. Ob die damals im Verfahren schon abgeprüft worden sind, wage ich zu bezweifeln. Das gilt es im jetzigen Verfahren nochmal anzuschauen: Ist das alles richtig? Da habe ich auch noch viele Fragezeichen“, so Lierenfeld gegenüber dem WDR.

Was hat RWE mit dem Tagebau Hambach vor?

Im und um den Tagebau Hambach – der 2018 durch die Räumung vom Hambacher Forst für Aufsehen sorgte – soll eine attraktive Wald-Seen-Landschaft entstehen, mit Badegewässer, Segelrevier und Erholungsgebiet. Die Flächen um das Gewässer könnten nach Vorstellung von RWE für Solaranlagen genutzt werden, um damit grünen Strom zu erzeugen. Neben dem Tagebau Hambach sollen dafür auch die Tagebauten Garzweiler und Inden in Seen umgewandelt werden.

Ab 2030, wenn in NRW Schluss ist mit der Braunkohlegewinnung, sollen deshalb drei unterirdische Rohe das Flusswasser vom Rhein im Dormagener Stadtteil Rheinfeld in das rund 26 Kilometer entfernte Grevenbroich-Frimmersdorf leiten. Dort befindet sich der Tagebau Garzweiler. Von dort soll das Wasser auf die Tagebauten Inden und Hambach weitergeleitet werden.

Vorhaben laut RWE zwingend notwendig – Belastung für Anwohner soll minimiert werden

„In der Bauzeit wird es in der Tat Lärm geben“, entgegnet ein Sprecher von RWE, der selbst bei der Versammlung dabei war, im Gespräch mit 24RHEIN. „Aber wir werden die Belastung minimieren, beispielsweise dadurch, dass der Baustellenverkehr nicht durch den Ort läuft“. Sobald die Pipeline zum Tagebau Garzweiler gebaut ist, soll es keine weitere Belästigung mehr geben, so der Sprecher: „Das Bauwerk wird schalldicht abgekapselt, die Anwohner werden nichts hören“. Nach der Bauphase soll zudem die Strecke, die zur Verlegung der Rohre aufgegraben wird, wieder geschlossen und rekultiviert werden.

Eine Grafik des geplanten Hambachsees
Der Tagebau Hambach soll zu einer Wald-Seen-Landschaft umfunktioniert werden. © RWE

Nach Stilllegung des Tagebaus sei der Vorgang zwingend notwendig, wie der Sprecher sagt: „Wenn die Tagebauten Hambach und Garzweiler zu Ende gehen, werden dort sehr große Mulden bleiben, die irgendwie gefüllt werden müssen. Ansonsten stellen sie eine Gefahr für die Menschen dar“. Diese Mulden mit anderen Materialien, wie beispielsweise Kies oder Sand, zu füllen, würde Millionen von LKW-Fahrten benötigen, so der Sprecher.

Stadt Dormagen will gegen Bauprojekt von RWE klagen

Trotzdem wollen Verwaltung und Politik aus Dormagen den Plänen von RWE etwas entgegensetzen, wie ein Sprecher der Stadt gegenüber 24RHEIN sagt: „Wir werden uns dafür einsetzen – dafür haben wir auch den Auftrag vom Stadtrat bekommen – das Vorhaben von RWE Power zu stoppen“. Bereits während der Versammlung kündigte Dormagens Bürgermeister an, das Verfahren auf Rechtmäßigkeit zu prüfen. Der Sprecher fügt hinzu: „Wenn es keine rechtlichen Möglichkeiten geben sollte, wollen wir das Projekt verändern, um die Belastung für Anwohner so gering wie möglich zu halten“.

Bürger aus Dormagen können noch bis Mitte April Beschwerde einlegen

Der Appell des Bürgermeisters: Die Dormagenerinnen und Dormagener sollen Stellungnahmen verfassen und bei der Kölner Bezirksregierung einreichen. „Wir haben die Zusage von der Bezirksregierung bekommen, dass alle Stellungnahmen von Bürgern und von der Stadt mit in den Entscheidungsprozess einfließen“, erklärt der Sprecher der Stadt. Deshalb appelliert der Bürgermeister: „Jede einzelne Einwendung gegen das Projekt ist wichtig und erhöht die Chancen, noch etwas zu verändern“.

Der Tagebau Hambach
Aktuell gleicht der Tagebau Hambach eher einer Wüstenlandschaft als einer Naturoase. (Archivbild) © Christoph Hardt/Imago

Bis zum 17. April noch läuft die Frist der Bürgerbeteiligung bei der Bezirksregierung Köln. Danach sollen diese ausgewertet werden, um dem Braunkohleausschuss Ende des Jahres als Grundlage im Abwägungsprozess zu dienen. (mg) Fair und unabhängig informiert, was in NRW und Deutschland passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren. Hinweis: In einer früheren Version war von 4,3 Milliarden Litern Wasser die Rede, die zum Befüllen des Tagebaus Hambach benötigt werden. Richtigerweise soll der See jedoch 4,3 Milliarden Kubikmeter Wasser fassen.

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