Deutschlands zweitgrößter See entsteht in NRW: Wann ist er eigentlich voll?
Unvorstellbar große Mengen an Wasser sollen aus dem Tagebau Hambach einen gigantischen See machen. Wenn es nach RWE geht, ist er in nicht ferner Zukunft nutzbar.
Köln – Das Vorhaben von RWE klingt unglaublich: Aus den riesigen Kraterlandschaften, die der Braunkohlebagger am Tagebau Hambach hinterlassen wird, soll ein gigantischer See entstehen. Einst standen in der Region ganze Siedlungen, nun sieht man dort nur graubraune Mulden so weit das Auge reicht. Um sich vorzustellen, dass dort mal der nach Volumen zweitgrößte See bundesweit entstehen soll, braucht es schon eine ganze Menge Fantasie. Was es in der Realität vor allem braucht: Wasser – insgesamt 4,3 Billionen Liter, die zu großen Teilen aus dem Rhein gepumpt werden sollen. Und Zeit, sehr viel Zeit.
Tagebau Hambach: 40 Jahre, bis der zweitgrößte See Deutschlands fertig ist?
Die Kohleförderung in dem Tagebau wird aufgrund des gesetzlichen Kohleausstiegs im Jahr 2029 enden. Im Anschluss soll mit der Flutung begonnen werden, so plant es RWE und die Bezirksregierung Köln. Doch man kann sich vorstellen, dass ein solches Mammutprojekt nicht von heute auf morgen abgeschlossen sein wird. Nach Angaben von RWE wird es fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis der Tagebau vollgelaufen ist: „Das wird 40 Jahre dauern, bis der See komplett gefüllt ist“, erklärte RWE-Sprecher Guido Steffen zuletzt gegenüber 24RHEIN.

RWE: Schon nach einem Jahrzehnt kann Tagebausee für Stromgewinnung genutzt werden
Vollkommen ungenutzt soll die Landschaft bis dahin jedoch nicht bleiben. Richtet man sich nach den Planungen des Energiegiganten, so könne man bereits nach zehn Jahren eine erste Nutzung des Gewässers in Angriff nehmen. Baden, Surfen oder Schnorcheln ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch unvorstellbar – doch nach dem Ende der Kohlestromgewinnung soll schon dann eine alternative Energiequelle angezapft werden können: Schwimmende Solarzellen sollen auf dem Wasser grünen Strom erzeugen.
Was hat RWE mit dem Tagebau Hambach vor?
Im und um den Tagebau Hambach – der 2018 durch die Räumung vom Hambacher Forst für Aufsehen sorgte – soll eine attraktive Wald-Seen-Landschaft entstehen, mit Badegewässer, Segelrevier und Erholungsgebiet. Die Flächen um das Gewässer könnten nach Vorstellung von RWE für Solaranlagen genutzt werden, um damit grünen Strom zu erzeugen. Neben dem Tagebau Hambach sollen dafür auch die Tagebauten Garzweiler und Inden in Seen umgewandelt werden.
Ab 2030, wenn in NRW Schluss ist mit der Braunkohlegewinnung, sollen deshalb drei unterirdische Rohe das Flusswasser vom Rhein im Dormagener Stadtteil Rheinfeld in das rund 26 Kilometer entfernte Grevenbroich-Frimmersdorf leiten. Dort befindet sich der Tagebau Garzweiler. Von dort soll das Wasser auf die Tagebauten Inden und Hambach weitergeleitet werden.
Auch im Umkreis sollen in der Zwischenzeit bereits Teile des „sorgfältig erarbeitete Rekultivierungskonzepts“, so die Formulierung von RWE, in die Realität umgesetzt werden. Weitere Solaranlagen sollen die Energiewende im Rheinischen Braunkohlerevier weiter vorantreiben. Aus dem Tagebau soll so bis 2070 eine attraktive und nachhaltige Wald-Seen-Landschaft entstehen. Doch die Pläne sind bereits in den 1990er-Jahren entstanden – das könnte jetzt ein Problem sein.
RWE will Tagebau Hambach zu gigantischen See machen – Naturschützer: „ist nicht umsetzbar“
Nur wenige Monate nach der Räumung von Lützerath steht der Energiegigant erneut in der Kritik: Laut Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aus NRW wird die Rechnung von RWE nicht aufgehen. Dabei sieht der Naturschützer die Wahl der Wasserquelle als eine zentrale Schwachstelle des Konzepts. Der Rhein werde aufgrund des Klimawandels besonders im Sommer erheblich geringere Mengen an Wasser führen, so die Befürchtung.

„Manche Experten gehen sogar davon aus, dass der Fluss in den Sommermonaten quasi vorübergehend austrocknet, da kann man dann nichts mehr umleiten“, so Jansen: „So wie RWE sich das vorstellt, ist es nicht umsetzbar“. Im besten Fall werde es 80 Jahre dauern, bis der Hambacher See den Namen See verdient.
Zweitgrößter See in Deutschland: RWE ist vom Nutzungsplan des Tagebaus Hambach überzeugt
RWE ist indes von der Durchführbarkeit des Mammutprojektes überzeugt. „Natürlich haben wir alle die Schreckensbilder aus den Sommern der vergangenen Jahre im Kopf“, sagte ein Unternehmenssprecher im Gespräch mit 24RHEIN. Die Folgen des Klimawandels seien jedoch bereits in das Modell, das der Genehmigung zugrunde liegt, mit eingeflossen, so der Sprecher: „Ja, es wird zu mehr Trockenphasen kommen. Aber es wird auch mehr Regenereignisse geben“.
RWE-Sprecher über Hambachsee: „Sind sehr zuversichtlich, dass das funktioniert“
Niedrigwasser sei zwar denkbar, aber: „Man muss sich vorstellen, der Rhein ist ein Strom. Es ist sehr viel Wasser, was da pro Sekunde vorbeirauscht“, wie der Sprecher sagt. Die Entnahmemenge sei im Verhältnis zur gesamten Wassermenge verschwindend gering. Zudem werde die Entnahmemenge an den Pegelstand angepasst: „Experten gehen davon aus, dass sich das über Jahrzehnte egalisiert. Nach den Prognosen wird der Rhein genug Wasser führen“. Der Energieriese RWE sei laut dem Sprecher sehr zuversichtlich, dass das Vorhaben wie geplant funktioniert.
Doch nicht nur vonseiten der Naturschützer wird RWE kritisiert: Auch bei Anwohnern in Dormagen, wo die Pipeline zwischen Rhein und Tagebau beginnen soll, regte sich zuletzt Widerstand. Vor allem der Bau der Pumpanlage stieß den Dormagenerinnen und Dormagenern aus dem Rhein-Kreis-Neuss sauer auf. (mg) Fair und unabhängig informiert, was in Köln passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.