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Duisburg-Marxloh soll ein Ankunftsstadtteil werden: Das steckt hinter der Idee

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Von: Peter Sieben

Geschäfte an der Weseler Straße in Duisburg-Marxloh
Duisburg-Marxloh gilt als Brennpunkt: Doch die Stadt will jetzt den Fokus auf Potenziale in dem Stadtteil richten. © Peter Sieben

Duisburg-Marxloh wird den Ruf als Brennpunkt und „No-go-Area“ nicht los. Tatsächlich gibt es noch massive Probleme. Doch die Stadt hat eine Vision.

Duisburg – Marxloh ist nicht Mündelheim. Der einwohnerstärkste Stadtteil ganz im Norden von Duisburg ist anders als die teils dörflich und gutbürgerlich geprägten Gegenden im Süden. Marxloh gehört zu den ärmsten Vierteln in ganz Deutschland, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Kriminalitätsrate überdurchschnittlich. Und es gibt viel Zuwanderung. Immer wieder gerät Duisburg-Marxloh als sogenannter Brennpunkt-Stadtteil in die Schlagzeilen. Doch die Stadt Duisburg sieht jetzt neue Chancen und will das Viertel aufwerten – mit einem einzigartigen Projekt.

Das „Wunder von Marxloh“: Brautmodenmeile statt Leerstand und Verelendung

Aus Marxloh soll ein sogenannter Ankunftsstadtteil werden, unter dem Arbeitstitel „Arrival City“ läuft das Projekt. Mitinitiiert hat die Idee Kommunalpolitiker Claus-Werner Lindner. Man muss Zeit mitbringen, wenn man mit dem großgewachsenen Mann durch Marxloh geht, denn alle paar Hundert Meter bleibt er stehen, grüßt einen Bekannten, hält ein kurzes Schwätzchen mit einem Anwohner. Lindner kennt jeden Winkel und viele Menschen, die hier wohnen.

Claus-Werner Lindner in Duisburg-Marxloh
Claus-Werner Lindner ist jeden Tag in Duisburg-Marxloh unterwegs. © Peter Sieben

„Marxloh wird immer Marxloh bleiben“, macht Lindner klar. Heißt: Schick und hip im herkömmlichen Sinne wird das Viertel wohl nie werden. Man wolle den Stadtteil auch gar nicht ummodeln, sondern den Fokus auf Potenziale richten. Erfolgsgeschichten gebe es hier ja schon jetzt. Die Weseler Straße etwa nennt man hier gern „das Wunder von Marxloh“. Die lange Straße, die mitten durch den Stadtteil führt, hatte vor 15 Jahren noch mit massivem Leerstand zu kämpfen, die Häuser waren dem Verfall ausgeliefert. Jetzt ist die Straße weit über die Grenzen der Stadt hinweg als Brautmodenmeile bekannt – inzwischen ist hier das größte Einzelhandelszentrum für Braut- und Abendmoden in ganz Deutschland. Ein Hochzeitsmodegeschäft reiht sich hier an das nächste, dazwischen sind zahlreiche Juweliere.

Aus Duisburg-Marxloh soll ein Ankunftsstadtteil werden

Vornehmlich türkische Geschäftsleute haben sich angesiedelt, so wie Meftun Coban. Der einstige Elektrotechniker hat zusammen mit seiner Frau Nuray 2012 den Laden „Nuray Gelinlik“ aufgemacht. „Gelinik“ liest man hier oft, es ist das türkische Wort für Brautkleid, erklärt Coban. Das Geschäft haben sie inzwischen ausgebaut, früher waren hier leerstehende Wohnungen. Inzwischen ist auch Tochter Aysegül Meftun ins Geschäft eingestiegen.

Meftun Coban mit Tochter Aysegül Meftun in ihrem Brautmodenladen „Nuray Gelinik“ in Duisburg Marxloh.
Meftun Coban mit Tochter Aysegül Meftun in ihrem Brautmodenladen „Nuray Gelinik“ in Duisburg Marxloh. © Peter Sieben

Was an der Weseler Straße funktioniert hat, soll auf den ganzen Stadtteil übertragen werden. Die Grundlage für das „Arrival City“-Konzept lieferte der britisch-kandische Autor Doug Saunders, der über Jahre Parallelen zwischen Stadtteilen ausgemacht hat, die hohe Zuwanderungsraten haben. Demnach bieten solche Stadtteile immer bezahlbare Mieten, sind zentrumsnah und haben eigene Regeln des Zusammenlebens entwickelt. Diese Erkenntnisse wolle man nutzen, um die Entwicklung des Stadtteils neu zu denken, erklärt Lindner: „Dahinter steckt ein ganzheitlicher Ansatz, die städtischen Dezernate werden viel enger als sonst ressortübergreifend zusammenarbeiten.“

Müllberge und neue Drogenszene in Marxloh

Konkret geplant ist unter anderem eine Sanierung der Fußgängerzone und eine Umgestaltung des zentralen August-Bebel-Platzes. Aktuell ist der Platz von Bushaltestellen zerstückelt, künftig soll daraus ein echter Treffpunkt für die Marxloher werden – ein Ort des Austauschs. Denn das soziale Leben findet in einer typischen „Arrival City“ auf der Straße statt und in Netzwerken helfen sich Zuwanderer gegenseitig, so die Theorie.

In Marxloh, wo sich über Jahrzehnte eine vornehmlich türkische Community entwickelt hat, sind mittlerweile neue Zuwanderer dazugekommen: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine leben rund 5000 ukrainische Geflüchtete im Stadtteil. Und seit seinigen Jahren siedeln sich hier auch Menschen aus Rumänien und Bulgarien an. Das birgt bisweilen Konfliktpotential.

Müll am Straßenrand in Duisburg-Marxloh
In manchen Vierteln von Duisburg-Marxloh wird Müll einfach am Straßenrand entsorgt. (Archiv) © Peter Sieben/IDZRNRW

Duisburg-Marxloh hat weiterhin Gewalt- und Drogenprobleme – Stadt hat neue Lösungsideen

Bei allem Optimismus: Marxloh hat nach wie vor massive Probleme. An Silvester gab es hier Krawalle, Jugendliche hatten Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr angegriffen. Zwar seien die „Tumultlagen“ zurückgegangen, heißt es bei der Polizei. Doch nach wie vor passieren Massenschlägereien im Duisburger Stadtteil. Es gibt Straßenzüge in Marxloh, in denen sich regelrechte wilde Müllkippen entwickelt haben. Und seit zwei Jahren beobachtet die Polizei eine völlig neue harte Drogenszene in Marxloh. Doch dafür gibt es zumindest Lösungsansätze, heißt es bei der Stadt:

Politiker aus Marxloh: „Mechelen war ein Drecksloch, jetzt blüht die Stadt auf“

Noch ist das Konzept eine Vision. Aber es gebe Beispiele, die zeigen, dass es funktionieren kann, sagt Claus-Werner Lindner. Vorbild ist auch die belgische Stadt Mechelen, die in einigen Vierteln in den 90er Jahren mit extrem hohen Kriminalitätsraten und Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatte. „Mechelen war ein Drecksloch, jetzt blüht die Stadt auf“, sagt Lindner. Das wünscht er sich auch für Marxloh. (pen)

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