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In Duisburg sind auf einer Straße mehr Brautmodenläden als in ganz München

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Von: Peter Sieben

Meftun Coban mit Tochter Aysegül Meftun in ihrem Brautmodenladen „Nuray Gelinik“ in Duisburg Marxloh.
Meftun Coban mit Tochter Aysegül Meftun in ihrem Brautmodenladen „Nuray Gelinlik“ in Duisburg-Marxloh. © Peter Sieben

Mitten in Duisburg-Marxloh liegt ein Schmuckstück: Aus der einst trostlosen Weseler Straße ist eine Brautmodenmeile geworden. Aber der Wandel birgt neue Herausforderungen.

Duisburg – Auf der Weseler Straße in Duisburg-Marxloh ist mal wieder der Teufel los. Es ist Rushhour in Marxloh, quälend langsam schiebt sich der Verkehr voran, und dazwischen die Straßenbahn 903, die einfach nicht vom Fleck kommt. Der Straßenrand ist komplett zugeparkt, auf den zu engen Bürgersteigen rechts und links quetschen sich die Fußgänger an den Autos vorbei. Klingt nach Problem – und ist es auch; eines, um das die Stadt sich kümmern will. Und trotzdem nennt man diesen Zustand hier „das Wunder von Marxloh“. Denn vor nicht allzu langer Zeit sah es im Viertel sehr viel schlimmer aus und niemand wollte hier sein.

Duisburg-Marxloh: Schaufenster vernagelt, Trostlosigkeit an der Weseler Straße

Vor knapp 20 Jahren gab es an der Weseler Straße extrem viel Leerstand: In den Wohnungen lebte kaum noch jemand, die Geschäfte waren verwaist, die Schaufenster mit Brettern vernagelt. Ein Elendsviertel mitten im Stadtteil Marxloh, der ohnehin den Ruf als Brennpunkt weg hat. Heute ist die Straße weit über die Grenzen von NRW und Deutschland hinweg als Brautmodenmeile bekannt. Ein Hochzeitsmodegeschäft reiht sich hier an das nächste, dazwischen sind zahlreiche Juweliere – mehr als 120 Geschäfte findet man hier und in den Nebenstraßen. In Marxloh allein gibt es rund doppelt so viele Brautmodengeschäfte wie in ganz München.

Vornehmlich türkische Geschäftsleute haben sich in den späten Nullerjahren und danach angesiedelt. Die Immobilienpreise waren im Keller und die Nachfrage nach besonderer Brautmode groß: Weiße wie knallbunte Hochzeitskleider in lila, grün und blau mit Straßsteinen, Anzüge mit extrabreiten Revers und Rüschen – wer so etwas suchte, musste früher ins Ausland fahren. Jetzt kommen sie aus ganz Deutschland, aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich nach Marxloh, um sich für die Hochzeit einzudecken: Meist sind es Paare mit türkischen Wurzeln und ihre Familien, die Kleider auf der Weseler einkaufen.

Dutzende Brautkleider in einst leerstehender Wohnung

Zum Beispiel im Laden „Nuray Gelinlik“. Das Wort „Gelinlik“ liest man sehr oft an den Schaufenstern hier, es ist das türkische Wort für Brautkleid. 2012 hat Namensgeberin Nuray Coban das Geschäft gemeinsam mit Meftun Coban eröffnet. Da gab es schon die ersten Brautmoden-Läden an der Weseler Straße – warum denn dann noch einer? „Nun, wir haben gesehen, dass es ja bei den anderen auch funktioniert“, erklärt Meftun Coban, der gelernter Elektrotechniker ist. Das Geschäft hat die Familie inzwischen ausgebaut. Wo jetzt Dutzende Schaufensterpuppen in Hochzeitskleidern nebeneinander aufgereiht sind, waren früher leerstehende Wohnungen.

Stolz zeigt er, was sie hier umgebaut haben: Der marmorierte Boden, in dem sich die Spots an der Decke spiegeln, Wände, Regale, Umkleiden – alles neu. Die Immobilie gehört ihnen inzwischen. „Zum Glück“, sagt Vater Meftun. Denn Mieten seien drastisch angestiegen in den letzten Jahren.

Marxloh: „Die Leute, die hier wohnen, wissen, dass es nicht so schlimm ist“

Die Familie lebt gern in Marxloh, erzählt Tochter Aysegül Meftun, die auch ins Brautmodengeschäft eingestiegen ist. „Die Leute, die hier wohnen, wissen, dass es nicht so schlimm ist“, sagt sie. Nach wie vor hat Marxloh keinen guten Ruf – und das kommt nicht von ungefähr. Die Kriminalitätsrate ist immer noch überdurchschnittlich und über Jahre gab es immer wieder Massenschlägereien und brutale Auseinandersetzungen vornehmlich zwischen Clans und Rockerbanden in Marxloh. Die Tumultlagen seien zurückgegangen, heißt es bei der Polizei. Dafür gibt es jetzt neue Probleme: Banden aus dem rumänischen und bulgarischen Raum machen sich breit und es gibt eine neue harte Drogenszene in Marxloh.

„Wir haben Marxloh nie aufgegeben“

Und doch macht die Weseler Straße Hoffnung, dass aus dem Stadtteil was werden kann. „Wir haben Marxloh nie aufgegeben und wir werden Marxloh nicht aufgeben“, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) am Rande einer Presseveranstaltung in Marxloh. Tatsächlich gibt es ein neues Konzept für den Stadtteil: Unter dem Stichwort „Arrival City“ soll Duisburg-Marxloh zu einem sogenannten Ankunftsstadtteil werden, in dem Zuwanderer und Geflüchtete Hilfe beim Start bekommen. Und die Sache mit dem stetigen Stau auf der Weseler Straße? Auch dafür hat Sören Link immerhin schon eine Idee: „Wir werden den Verkehr deutlich zurücknehmen. Was ich mir vorstellen kann: Parkhäuser zentral in Marxloh am Beginn und am Ende der Weseler Straße. Von da aus können die Menschen dann wunderbar zu Fuß zu den Geschäften kommen.“ Konkrete Pläne gibt es dafür allerdings noch nicht. (pen) Fair und unabhängig informiert, was in NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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