Erdbeben: Wann es für Gebäude in NRW kritisch wird
Zehntausende starben bei der Erdbeben-Katastrophe in der Türkei und in Syrien. Offenbar waren viele Wohnhäuser nicht erdbebensicher. Wäre eine solche Katastrophe auch hierzulande denkbar?
Köln – Die schrecklichen Bilder und Nachrichten aus den Erdbeben-Gebieten in der Türkei und in Syrien sorgen weltweit für Trauer und Fassungslosigkeit. Mehr als 40.000 Menschen sind bei der Katastrophe gestorben. Inzwischen zeichnet sich ab: Offenbar waren viele Gebäude nicht erdbebensicher.
Erdbeben: Ist NRW sicher?

Nun fragen sich viele: Wäre ein derart furchtbares Szenario auch hier denkbar? Sind die Wohnhäuser hierzulande katastrophensicher? Die Flutkatastrophe 2021 immerhin hat gezeigt, dass Wohnhäuser Extremwetter oft nur bedingt standhalten. Heinrich Bökamp ist Präsident der Ingenieurkammer-Bau in Nordrhein-Westfalen und der Bundesingenieurkammer. Im Interview erklärt er, wie es um die Gebäudesicherheit in Nordrhein-Westfalen steht.
Erdbeben in NRW
Tatsächlich gibt es sehr oft Erdbeben in NRW – allerdings sind diese kaum zu spüren. Die Gefahr eines heftigen Bebens ist hier eher gering, berichtet wa.de
Herr Bökamp, wie erdbebensicher sind Gebäude in NRW?
In der ganzen EU gelten die gleichen Regeln bezüglich der Erdbebensicherheit von Gebäuden. Dabei wird vor allem auf die Statik geachtet. Wichtig ist, dass so wie geplant auch gebaut wird. Das war auch das Problem in der Türkei und Syrien. In Deutschland gibt es dafür das Vier-Augen-Prinzip bei jedem Bau, womit es hier einen Vorsprung gibt. Die Erdbebensicherheit ist bei einer solchen Magnitude wie in der Türkei und Syrien aber letztlich schwierig zu gewährleisten.
Worauf wird beim Bau von Gebäuden in NRW bezüglich der Erdbebensicherheit geachtet?
Jede Ausschreibung hat als oft einziges Vergabekriterium den Preis. Damit ist das Billigste gerade genug für uns. Um den Auftrag zu erhalten, ist die Neigung groß, möglichst viel Geld einzusparen. Damit steigt auch das Bestreben, verbindliche Vorschriften insbesondere für die sogenannte Standsicherheit großzügiger auszulegen.
Gibt es allgemeine Vorschriften für Naturkatastrophen oder auch explizit einzelne für Erdbeben?
Die Regeln gelten generell für alle Naturkatastrophen wie beispielsweise Hochwasser, extreme Schneelast oder eben Erdbeben. Beim Bau von Gebäuden versucht man alle abzudecken. Dabei wird aber auf Verhältnismäßigkeit geachtet. Mögliche Verformungen durch Erdbeben werden zum Beispiel in Kauf genommen, die rote Linie bildet aber die Sicherheit der Menschen in den Gebäuden. Diese sollte bei Gebäuden immer gegeben sein.
► Heinrich Bökamp ist Prüfingenieur für Baustatik, Fachrichtung Massivbau und Metallbau und staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung der Standsicherheit und Schall- und Wärmeschutz sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für den Konstruktiven Ingenieurbau.
► Seit 2009 ist Heinrich Bökamp Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, seit Oktober 2020 auch Präsident der Bundesingenieurkammer. Geboren in Warendorf-Freckenhorst, studierte er Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen und schloss sein Studium 1985 als Diplom-Ingenieur ab. 1991 promovierte er zum Thema „Spannermüdung unter Reibdauerbeanspruchung bei teilweiser Vorspannung“.
Erdbeben: Ab Stärke 6 wird es kritisch
Gelten die gleichen Vorschriften für private und öffentliche Gebäude?
Ja, es gibt verbindliche Regeln, die von der Bauüberwachung überprüft werden. Diese sind durch die jeweiligen Landesbauordnungen verbindlich eingeführt.
Ab welcher Erdbebenstärke wird es in NRW kritisch?
Ab der Stärke 6 gibt es erste massivere Schäden an Gebäuden. Zwischen 4 und 5 entstehen aber bereits erste Risse und Verformungen. Durch diese ist zwar erstmal nicht die Sicherheit der Menschen im Gebäude gefährdet, es besteht aber dennoch Eile, die Gebäude näher zu untersuchen. In den Stunden danach zeigt sich, ob das Gebäude entweder Stand hält oder eine ernsthafte Gefahr besteht. Gebäude sollten aber grundsätzlich schon zwei bis dreimal hin und her schwingen können, ohne einzustürzen. Das war in der Türkei und Syrien das Problem, da die Gebäude dort deutlich weniger widerstandsfähig gebaut waren.
Erdbeben: „Halb Düsseldorf liegt in einem Gefahrengebiet“
Besteht auch in NRW eine Erdbebengefahr?
Ja, Risiken sind auf Erdbebenkarten festgehalten. Unter anderem liegt halb Düsseldorf in einem Gefahrengebiet. Diese Gefahr wird aber bei den jeweiligen statischen Berechnungen für die Gebäude berücksichtigt. Wenn also nicht geschlampt wird, dann haben wir hier einen guten Erdbebenschutz.
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