Wie wahrscheinlich ist ein Erdbeben in NRW? Experten über mögliche Katastrophe
Die Erdbeben in der Türkei und in Syrien sorgen für Entsetzen. Menschen in NRW haben jetzt die Frage: Kann eine solche Katastrophe auch hier stattfinden?
Hamm - In der Türkei und Syrien hat ein Erdbeben für eine riesige Katastrophe gesorgt. In vielen Teilen der Welt ist aufgrund dessen eine große Welle an Hilfsbereitschaft ausgebrochen. In NRW hat sogar ein Flughafen zu einer Spenden-Aktion aufgerufen. Wer den Opfern des Erdbebens helfen möchte, sollte aber beachten, dass Sachspenden nicht immer sinnvoll sind. Was aber auch in den Köpfen von einigen Menschen auftaucht: Die Frage, wie sicher wir eigentlich hierzulande sind. Wie wahrscheinlich ist es, dass uns in Nordrhein-Westfalen ebenfalls aus heiterem Himmel ein solches Katastrophen-Szenario ereilt?
Erdbeben in NRW: Wie wahrscheinlich ist das Szenario?
Eine durchaus überraschende Antwort gibt Prof. Dr. Klaus Rudolph Reicherter vom Institut der Neotektonik und Georisiken an der RWTH Aachen. Denn: „Es kommt laufend zu Erdbeben in NRW“, sagt der Experte. Aber eine Gefahr geht von diesen Erdbewegungen nicht aus. Die meisten dieser Erdbeben würden wir nicht einmal spüren. „Das hängt von der Stärke ab“, erläutert Reicherter.
Tatsächlich gäbe es aber auch eine gewisse Gefahr von mittelschweren Erdbeben, speziell im Raum um Aachen. Allerdings kämen die alle 3000 bis 5000 Jahre einmal vor. „Das heißt, wir haben momentan keine Hinweise auf vermehrte Aktivität, sollten uns aber auf ein Schadensbeben vorbereiten“, erklärt der Universitätsprofessor weiter. Das werde unter anderem mit Vorbereitungen seitens der Katastrophenschutzbehörden, entsprechender Versicherungen und Bauvorschriften bereits getan. Wie Dr. Sebastian Busch vom Geologischen Dienst in NRW auf Nachfrage von wa.de erläutert, sei das erdbebensichere Bauen in Deutschland durch diverse Regelwerke festgelegt. Worauf beim Bau von Gebäuden in NRW bezüglich der Erdbebensicherheit geachtet wird, erklärt ein Experte im Interview mit 24RHEIN.
Dr. Kasper D. Fischer, Leiter des Seismologischen Observatoriums an der Ruhr-Universität Bochum, trifft eine ähnliche Aussage, was die Wahrscheinlichkeit eines stärkeren Erdbebens in NRW betrifft: „Die Erdbebengefährdung in weiten Teilen NRWs ist sehr gering.“ Lediglich die westlichen Landesteile, insbesondere die Niederrheinische Bucht, die Eifel und Teile des Bergischen Landes, seien offiziell einer Erdbebengefährdungszone zugeordnet.
Wie groß ist die Erdbeben-Wahrscheinlichkeit in NRW?
„Die Gefährdung ist hier natürlich bei weitem nicht so hoch wie zum Beispiel in der Türkei, die von Plattengrenzen umgeben ist, aber es gibt sie“, ergänzt Brigitte Knapmeyer-Endrun, Stationsleiterin der Erdbebenstation Bensberg an der Universität zu Köln. Sie macht auch auf eine Risikoanalyse für das Szenario Erdbeben aufmerksam, die die Bundesanstalt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenvorsorge im Jahr 2020 durchgeführt hat. Dabei wurde ein Erdbeben der Stärke 6,5 in der Nähe von Köln angenommen. „Diese Stärke wird für die Niederrheinische Bucht als möglich angesehen“, erklärt Knapmeyer-Endrun.
Beachtenswert: Das ist eine „mehr als zehnmal geringere Bodenbewegung und mehr als dreißigfach weniger freigesetzte Energie als bei dem Beben an der türkisch-syrischen Grenze.“ Und wie auch ihr Kollege Prof. Dr. Klaus Rudolph Reicherter bereits erwähnte, macht auch die Expertin darauf aufmerksam: Bei einem solchen Szenario handelt es sich um ein Ereignis, das alle tausend Jahre einmal vorkommt.
Eine begriffliche Unterscheidung ist Dr. Kasper Fischer noch wichtig: Eine Erdbebengefährdung, von der auch hier im Text die Rede ist, „beschreibt nur die Wahrscheinlichkeit, dass ein Erdbeben ab einer bestimmten Stärke oder stärker in einem bestimmten Zeitraum auftritt“, so der Experte. Davon müsse man aber den Begriff „Erdbebenrisiko“ unterscheiden. „Hierbei wird auch der mögliche Schaden im Falle eines Erdbebens berücksichtigt. Dies ist in den dichten Ballungsräumen in der Regel deutlich höher als in weniger stark besiedelten Bereichen“, erläutert Fischer. „Was bei einem sehr großen Erdbeben passiert, hängt daher stark vom Ort ab.“
„Was Leute bei einem Erdbeben verletzt oder tötet, sind einstürzende Gebäude“
Brigitte Knapmeyer-Endrun macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam: „Was Leute bei einem Erdbeben verletzt oder tötet, sind in den meisten Fällen einstürzende Gebäude, die Menschen unter sich begraben oder diese mit Trümmern erschlagen.“ Die Expertin hat für Menschen, die sich während eines Erdbebens in einem Gebäude aufhalten, Handlungsempfehlungen. So sollte man sich unter einen massiven Tisch hocken oder unter einen stabilen Türrahmen stellen, um sich vor herabfallenden Deckenplatten oder umfallenden Schränken zu schützen. Wer sich während eines Erdbebens im Freien aufhält, sollte sich möglichst weit von Gebäuden fernhalten, um nicht von herabstürzenden Ziegeln erwischt zu werden. Empfehlenswert ist es auch, sich für einen solchen Katastrophenfall einen Notvorrat anzulegen, da nach einem Erdbeben der Strom für mehrere Tage ausfallen kann.