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Flüchtlingsrat mit klarer Forderung an Hendrik Wüst: „NRW muss Notbremse ziehen“

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Von: Maximilian Gang

Beim Flüchtlingsgipfel am 10. Mai einigten Bund und Länder unter anderem auf eine Verschärfung des Asylrechts. Der Flüchtlingsrat NRW reagiert empört.

Düsseldorf – Immer mehr Geflüchtete suchen Schutz in Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Anzahl an Asylanträgen im Zeitraum vom Januar bis April 2023 um 80 Prozent angestiegen. Schon vor Monaten schlugen zahlreiche Kommunen Alarm: Eine angemessene Unterbringung und Integration der Asylsuchenden sei mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich – und die Lage spitzt sich weiter zu. Beim Flüchtlingsgipfel einigten sich die Bundesregierung unter Kanzler Scholz und die Regierungschefs der Länder deshalb unter anderem auf eine Verschärfung des Asylrechts. Der Flüchtlingsrat NRW zeigte sich entrüstet.

Flüchtlingsrat nach Bund-Länder-Treffen empört über Wüst-Regierung: „NRW muss die Notbremse ziehen“

„NRW muss die Notbremse ziehen“, heißt es von der Menschenrechtsorganisation. Das Beschlusspapier vom für viele enttäuschenden Treffen der Spitzenpolitiker sei höchst mangelhaft – besonders in Bezug auf die geplante Änderung der Asylgesetzgebung. Dieses war eines der wenigen Punkte, die NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Nachgang des Gipfels als positiv herausstellte. Der Flüchtlingsrat sieht das jedoch vollkommen anders: Im Papier seien noch nicht einmal echte Lösungen enthalten, die Regierungschefs geben sich stattdessen mit Zugeständnissen an populistische Forderungen zufrieden.

Verstärkte Abschiebungsmaßnahmen „nur Scheinlösung“

Statt eine konstruktive Antwort auf die Fragen unserer Zeit zu geben, bediene sich der Beschluss bereits bekannten Mustern: Durch „verdrehte Zahlenspiele“ begründet, stelle die zum wiederholten Male erfolgte Einigung auf verstärkte Abschiebungsmaßnahmen nur eine Scheinlösung dar. Ähnlich hatte sich vor kurzem auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl geäußert. Die dafür verwendeten Ressourcen könnten viel sinnvoller in integrative Maßnahmen für Asylsuchende, wie beispielsweise die bessere Umsetzung des Chancen-Aufenthaltsrechts investiert werden, so die Ansicht des Flüchtlingsrats.

Birgit Naujoks, die Geschäftsführerin vom Flüchtlingsrat NRW, stößt die Argumentation der Regierungschefs sauer auf. Dort werde mit „angeblichen ‚Hilferufen und Überlastungsanzeigen‘ ehrenamtlicher Flüchtlingsunterstützerinnen und -unterstützern“ argumentiert: „Als Zivilgesellschaft verwehren wir uns entschieden gegen die Vereinnahmung für den Entrechtungskurs von Bund und Ländern!“, so Naujoks. Man stehe nach wie vor uneingeschränkt für das Recht auf Schutz außerhalb und innerhalb der EU, in Deutschland und NRW, für eine solidarische Aufnahme und die gleichberechtigte Teilhabe von Asylsuchenden.

Flüchtlingsgipfel: Menschenrechtler fordern eine „entschiedene Kurskorrektur“ von Wüst-Regierung

„Zivilgesellschaftliche Organisationen der Flüchtlingssolidaritätsarbeit zeigen sich tief empört über die Pläne von Bund und Ländern“, so der Flüchtlingsrat NRW. Die Menschenrechtler richten sich deshalb als „Sprachrohr“ der zahlreichen ehrenamtlichen Initiativen mit einer klaren Forderung an Ministerpräsident Wüst und dessen Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne): „Der Flüchtlingsrat NRW fordert von der Landesregierung eine starke Gegenstimme zu den unsäglichen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern“. Eine „entschiedene Kurskorrektur“ müsse her.

Eine erste Gelegenheit dafür gäbe es zumindest theoretisch bereits am Mittwoch (17. Mai). An diesem Tag findet eine Sitzung im Integrationsausschuss im NRW-Landtag in Düsseldorf statt. Dort soll die Landesregierung zur Umsetzung der vereinbarten Beschlüsse berichten. „Wir erwarten bei der Berichterstattung von Ministerin Paul ein klares Bekenntnis gegen die gefassten Beschlüsse und für einen umfassenden Flüchtlingsschutz“, so die klare Forderung vom Naujoks.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst
Kritik am NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst nach dem Flüchtlingsgipfel in Berlin. © Xander Heinl/photothek.de/Imago

Wüst-Koalitionspartner: Abgeordnete der Grünen entschieden gegen Verschärfung des Asylrechts

Das Fachministerium müsse sich – gerade aufgrund der grünen Führung – in dieser Frage durchsetzen und auf die im Koalitionsvertrag vereinbarten „Menschenrechte und gelebte Humanität“ in der Flüchtlingspolitik pochen. Dabei auf die Grünen zu setzen, erscheint nicht unlogisch. Denn ausgerechnet der Koalitionspartner aus NRW ging vor kurzem gegen die Verschärfung des Asylrechts auf die Barrikaden. Auch auf Bundesebene stellte sich die Partei dem Vorhaben entgegen: „Wir werden nicht zulassen, dass das Grundrecht auf Asyl ausgehebelt wird“, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour kürzlich im „Morgenmagazin“ des ZDF.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst positioniert sich nicht gegen Beschluss vom Flüchtlingsgipfel

Doch wenn es nach Hendrik Wüst geht, ist eine solche Korrektur mindestens zweifelhaft, wie auch der Flüchtlingsrat herausstellte: „Diese hochgradig restriktiven Vereinbarungen [...] wurden auch von Nordrhein-Westfalen, vertreten durch Ministerpräsident Hendrik Wüst, mitgetragen“. Und weiter: „Nicht einmal durch eine abweichende Protokollnotiz, wie etwa Thüringen sie eingebracht hat, hat sich NRW zumindest ansatzweise gegen die Beschlüsse positioniert“, so die Menschenrechtler. Dabei habe sich Integrationsministerin Paul vor dem Flüchtlingsgipfel mehrfach gegen eine Aushöhlung des Asylrechts ausgesprochen.

Die Kritik an der Politik vom Kabinett Wüst II kocht in diesen Tagen immer wieder hoch. So gab es nicht nur Gegenwind aus den eigenen Reihen, sondern auch aus der Opposition. Die SPD-Fraktion aus NRW monierte beispielsweise auch die landeseigene Flüchtlingspolitik. Der Umgang der Regierung mit Finanzspritzen aus dem Bundeshaushalt sorgte ebenso für Unmut bei den Sozialdemokraten.

Doch nicht nur aufgrund der Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen stand die Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst zuletzt in der Kritik. Auch der Landesverband der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft fand zuletzt klare Worte für die Arbeit des Wüst-Kabinetts II. Nicht immer nimmt Wüst jedoch die Rolle des Kritisierten ein: Bezüglich des umstrittenen Heizungsgesetzes vom Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) fand der Münsterländer klare Worte. (mg)

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