Dorf vor dem Abriss

Bilder zeigen: So gespenstisch sieht es in der alten Heimat von Michael Schumacher aus

Braunkohledorf Kerpen-Manheim
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Kerpen-Manheim: Die ehemalige Heimat von Formel-1-Star Michael Schumacher wird abgerissen.
  • Peter Sieben
    VonPeter Sieben
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Formel-1-Star Michael Schumacher ist in Manheim aufgewachsen. Der Ort soll dem Tagebau Hambach weichen: Doch nicht alles wird abgerissen.

Köln – Kurz nach dem Unfall hatten sie in der Kirche St. Albanus und Leonhardus noch gebetet für den berühmtesten Sohn der Stadt. Damals an Silvester 2013, zwei Tage nach dem schlimmen Ski-Unglück von Formel-1-Star Michael Schumacher, war das Gebäude noch eine katholische Kirche.

Michael Schumacher: Alte Heimat Manheim ist ein Geisterdorf

Inzwischen ist der Bau in Schumis alter Heimat Manheim, einem Stadtteil von Kerpen, entwidmet. Der letzte Gottesdienst wurde 2019 gefeiert. Im Gemeindehaus nebenan hatte Michael Schumacher 1995 seine Frau Corinna geheiratet. Zeitweise wohnte das Paar auch in Manheim, das zwischen Köln und Aachen in der Jülich-Zülpicher Börde liegt. Michael Schumacher ist hier aufgewachsen, nachdem seine Eltern aus Hürth nach Manheim gezogen waren. Seine ersten Rennerfahrungen hat er auf der nahen Kartbahn Erftlandring gemacht.

Frühe Jahre: Das Bild zeigt die Erftlandbahn, wo Michael Schumacher seine ersten Rennerfahrungen gesammelt hat. (Repro-Aufnahme von 2018, die Original-Fotografie hing in einer Imbissbude an der Kartbahn)

Jetzt ist der Stadtteil von Kerpen ein Geisterdorf. Denn der Ort am Tagebau Hambach soll so wie zuletzt Lützerath abgerissen werden, damit RWE die Braunkohle darunter abbaggern kann. Anders als die fünf geretteten Dörfer um Lützerath, hat Manheim aber keine Chance mehr auf Wiederbelebung. Knapp 1.600 Menschen wohnten hier bis zum Beginn der Umsiedlung im Jahr 2012. Jetzt sind es noch 17 – Stand Herbst 2022, wahrscheinlich ist die Gemeinde inzwischen noch weiter geschrumpft. Viele Häuser stehen schon längst nicht mehr.

Michael Schumacher

► Geboren ist Michael Schumacher in Hürth. Die Familie zog später nach Kerpen-Manheim um: Auf dem Erftlandring machte Schumi seine ersten Rennerfahrungen.

► In den 90er Jahren wohnte Michael Schumacher in Manheim mit Frau Corinna, Mitte der 90er Jahre zog die Familie in die Schweiz.

► Am 29. Dezember 2013 stürzte Michael Schumacher beim Skifahren im französischen Méribel. Dabei prallte er mit dem Kopf gegen einen Felsen und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Schumacher wurde in ein künstliches Koma versetzt. Wie es dem einstigen Formel-1-Star heute geht, ist nicht bekannt.

Erftlandring von Michael Schumacher steht noch

Immerhin: Die Kartbahn Erftlandring, die Michael Schumacher zum Teil gehört, bleibt erhalten. Der Rest von Manheim aber wird dem Erdboden gleichgemacht. Für Schumi-Fans wird damit auch ein Stück Formel-1-Geschichte begraben.

Braunkohlebagger graben sich immer näher an Heimatdorf von Michael Schumacher heran

Die Braunkohlebagger von RWE graben sich derweil immer näher an den Ort heran. Seit dem Start 1978 wird Hambach so wie auch der Tagebau Garzweiler vom Energiekonzern RWE betrieben. Immer wieder gibt es Streit um den Tagebau: Vor allem die vehementen Proteste gegen die geplante Abholzung des Hambacher Forsts hatten bundesweit für Aufsehen gesorgt. Aktivisten hatten sich monatelang in dem Waldstück verschanzt. Bei der Räumung durch die Polizei hatte es Verletzte gegeben, bei einem Unfall war ein Mensch sogar ums Leben gekommen.

Die Erftlandbahn von Michael Schumacher in Manheim bleibt erhalten.

Auch die Zukunft des Tagebaus sorgt für erhitzte Debatten. Denn hier soll eines Tages der zweitgrößte See von ganz Deutschland entstehen. Doch das Mammut-Projekt könnte zu einem echten Risiko werden und ist in der geplanten Form gar nicht umsetzbar, sagen Umweltschützer. Denn für die Stabilisierung der Böschungen soll 600 Hektar Kulturland abgegraben werden – daraus soll die sogenannte Manheimer Bucht entstehen. Das sei „alternativlos“, erklärt RWE auf Nachfrage.

Streit um Hambacher See am RWE-Tagebau

„Das ist absurd. Man will 600 Hektar uraltes Kulturland abbaggern, um woanders zu verfüllen“, findet indes Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) NRW. Außerdem lebten in dem Bereich der geplanten Bucht streng geschützte Vogelarten, deren Lebensraum zerstört werde, und die Waldflächen würden auseinandergerissen, es könne kein zusammenhängendes Biotop entstehen.

Michael Schumachers Heimatdorf Manheim ist ein Geisterdorf geworden.

Hoffnungsschimmer im Heimatdorf von Michael Schumacher

Für den geplanten See sollen zudem Milliarden Liter Wasser aus dem Rhein in die Grube geleitet werden. Das kann laut RWE mehrere Jahrzehnte dauern, der BUND rechnet gar mit 80 bis 100 Jahren.

Der Turm von St. Albanus und Leonhardus steht dann vielleicht noch. Denn es gibt einen Hoffnungsfunken, dass außer dem Erftlandring mit der Kirche noch ein weiteres Stück von Michael Schumachers alter Heimat erhalten bleibt. Immer wieder hatte es in den letzten Jahren Proteste gegen den Abriss der um 1900 erbauten Kirche gegeben. Auch die Grünen in Kerpen hatten mehrfach gefordert, die alte Kirche zu erhalten. „Der Abriss der Kirche St. Albanus und Leonhardus in Manheim-alt würde die weitere Vernichtung eines christlichen Symbols der rheinischen Kulturlandschaft bedeuten und muss unbedingt verhindert werden“, sagte etwa Ratsmitglied Gero Donner vor der offiziellen Entwidmung des Sakralbaus.

Die verlassenen Dörfer bei Lützerath – so sehen sie heute aus

Leerstehende Häuser in Dörfern bei Lützerath
Eine Gaststätte in Keyenberg. Weinranken haben die Fassade überwuchert, der Innenraum ist leer.  © Peter Sieben
Straße in Keyenberg
Leere Straßen und leere Häuser in Keyenberg. © Peter Sieben
Leerstand in Keyenberg
Auch dieser Metzgerladen steht leer. © Peter Sieben
Keyenberg bei Lützerath
In dem Tagebau-Dorf wohnen kaum noch Menschen.  © Peter Sieben
Fenster eines Hauses in Keyenberg
Einige Bewohner sind geblieben – in der Hoffnung, dass es eines Tages wieder lebendig wird in Keyenberg.  © Peter Sieben
Hausfassade in Keyenberg
Um viele Häuser kümmert sich niemand mehr. © Peter Sieben
Verlassene Häuser in Keyenberg
In einigen Dörfern wohnt nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Einwohnerzahl © Peter Sieben
Leerstand in Kuckum
Ein leerstehendes Geschäft in Kuckum. Von den einst 500 Einwohnern sind noch etwa 40 übrig.  © Peter Sieben
Überwuchertes Ladenschild
Ein Laden in Unterwestrich bei Lützerath, den es schon lange nicht mehr gibt.  © Peter Sieben
Verlassener Hof in Unterwestrich
Auch dieser alte Hof in Unterwestrich bei Lützerath ist längst verlassen. © Peter Sieben
Leere Straßein Keyenberg
Die Rolläden sind an den meisten Häusern in Keyenberg heruntergelassen.  © Peter Sieben
Weihnachtsschmuck in Keyenberg
Obwohl nicht mehr viele Menschen hier leben, steht ein Weihnachtsbaum vor der Kirche in Keyenberg. © Peter Sieben
Schild gegen Diebe in einem Vorgarten
In den leerstehenden Häusern in Unterwestrich, Keyenberg oder Kuckum kommt es oft zu Einbrüchen. Die, die noch hier wohnen, wollen Diebe und Vandalen mit solchen Schildern fernhalten.  © Peter Sieben
Gelbes Kreuz auf einer Mauer
Das gelbe Kreuz ist zum Symbol der Protestierenden geworden, die Dörfer wie Lützerath vor dem Abriss bewahren wollen. Man findet es überall in den halbverlassenen Orten nahe dem Tagebau Garzweiler.  © Peter Sieben
Der Friedhof von Kuckum bei Lützerath
Der Friedhof von Kuckum: Regelmäßig werden Gräber werden immer noch umgebettet – obwohl der Ort erhalten bleibt.  © Peter Sieben
Camp in Lützerath
Von den ursprünglichen Hof-Bewohnern ist in Lützerath niemand mehr da. Heute besetzen Klimaaktivisten den Weiler.  © Peter Sieben
Camp Lützerath
Das Camp der Klimaaktivisten in Lützerath am 7. Dezember: RWE hat das Dorf an diesem Tag vom Strom getrennt. © Peter Sieben
Baumhaus im Camp von Lützerath
Ähnlich wie im Hambacher Forst, leben die Aktivisten auch in Baumhäusern.  © Peter Sieben
Baumhaus in Lützerath
Manche der Baumhäuser in Lützerath sind in großer Höhe erbaut. © Peter Sieben
Hof in Lützerath
Die alten Gehöfte bieten ohnehin nur bedingt Schutz – ohne Strom wird es in Lützerath noch härter © Peter Sieben
Barrikaden in Lützerath
Im Januar soll Lützerath geräumt werden. Die Klimaaktivisten rund um die Initiative „Lützerath lebt“ haben Widerstand angekündigt.  © Peter Sieben
Ein zerstörtes Auto im Camp von Lützerath
Direkt an der Grenze zum Camp in Lützerath liegt der Tagebau Garzweiler von RWE.  © Peter Sieben
Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler II
Die gigantischen Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler II sind dauerpräsent: Langsam graben sie sich in Richtung Lützerath.  © Peter Sieben
Plastikstühle in Lützerath am Tagebau Garzweiler II
Protestcamp am Abgrund: Lützerath liegt direkt am RWE-Tagebbau Garzweiler II.  © Peter Sieben
Braunkohlebagger
Die Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler von RWE stehen unmittelbar an der Kante zu Lützerath.  © Peter Sieben
Heimtrainer vor der Grube von Garzweiler
Ein Heimtrainer am Abgrund. Am Tagebau Garzweiler gibt es immer wieder Mahnwachen der Aktivisten aus Lützerath. © Peter Sieben
Gespensterpuppe in Lützerath
Plakativ: Für die Aktivisten aus Lützerath ist Strom aus Kohle ein Schreckgespenst.  © Peter Sieben
Besetzer mit Sturmhauben in Lützerath
Wenn Menschen von außerhalb kommen, vermummen sich viele Besetzerinnen und Besetzer.  © Peter Sieben
Besetzer auf einem Hochsitz in Lützerath
„Wir bauen in die Höhe, um es der Polizei so schwer wie möglich zu machen“, erklärt eine Aktivistin. An mehreren Stellen in und um Lützerath besetzen die Aktivisten permanent Hochsitze, verbringen dort oft Stunden. © Peter Sieben
Ein alter Wohnwagen dient als Barrikade vor Lützerath
Ein alter Wohnwagen dient als Barrikade vor Lützerath. Unterstützung gibt es auch von Gruppen aus anderen Städten. © Peter Sieben
Menschen besuchen das besetzte Lützerath
Anfang Januar kommen immer mehr Menschen nach Lützerath. Aktuell besetzen mehrere hundert Menschen das Dorf. Am 8. Januar gab es zudem einen öffentlichen Dorfspaziergang.  © Peter Sieben

Proteste im Geisterdorf Manheim wie in Lützerath? Bislang deutet nichts darauf hin

Nach jüngsten Plänen kann die Kirche als letztes Gebäude von Manheim aber womöglich erhalten bleiben. Zwar steht der Bau im Bereich der geplanten Manheimer Bucht. Laut Gutachten ist aber denkbar, dass der Bereich unter der Kirche nicht notwendigerweise genutzt werden muss. Eine Mehrheit im Kerpener Stadtrat setzt sich derweil für den Erhalt der Kirche ein.

Riesige Proteste wie zuletzt in Lützerath, das monatelang von Aktivisten besetzt worden war, sind in Manheim bislang nicht geplant. (pen) Fair und unabhängig informiert, was in NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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