Klimakleber flogen nach Thailand – Aktivisten wiegeln ab: „Haar in der Suppe“

Zwei Klimakleber waren mit dem Flieger nach Thailand gereist. Das sorgte für Kritik. Die „Letzte Generation“ findet die Debatte unnötig.
Köln – Die Aktion war mindestens ungeschickt: Zwei Aktivisten der Bewegung „Letzte Generation“ hatten sich noch im September in Stuttgart auf die Straße geklebt, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Jetzt verpassten die beiden Klimakleber einen Gerichtstermin, weil sie nach Thailand beziehungsweise Bali gereist sind – wohlgemerkt mit dem Flugzeug. Das berichtet unter anderem die Bild.
Klimakleber mit dem Flugzeug nach Bali unterwegs: viel Häme
Das hat für viel Kritik und Häme gesorgt. Das Klimakleber-Pärchen sieht sich dem Vorwurf der Doppelmoral ausgesetzt. Immerhin: Während sie auf der Straße klebten und den Verkehr behinderten, hatten sie ein Plakat mit der Aufschrift „Öl sparen statt bohren“ in die Luft gehalten – um nur wenige Monate später eine Fernreise mit einem Verkehrsmittel zu unternehmen, das mit sehr viel Kerosin betrieben wird.
Aktivist verteidigt Klimakleber-Paar: „Sie haben den Flug als Privatleute gebucht“
Gefundenes Fressen für alle, denen die Klimakleberei gegen den Strich geht: Und diese Gruppe ist groß, viele Menschen haben wenig Verständnis für die Aktionen von Bewegungen wie der „Letzten Generation“. So hatten zuletzt etwa Autofahrer in Köln kurzerhand Klimakleber eigenmächtig von der Straße gezerrt. Nebenbei bemerkt: Selbstjustiz gegen Klimaaktivisten: keine besonders gute Idee, wie Juristen erklären.
Ungeschickt war im Nachgang diese Aussage eines Sprechers der „Letzten Generation“: „Sie haben den Flug als Privatleute gebucht, nicht als Klimaschützer. Das muss man auseinanderhalten.“ Als Privatleute und nicht als Klimaschützer? Das ist in dem Kontext meme-reif.
„Letzte Generation“ äußert sich zu Klimaklebern:
Kritiker sprechen jetzt von Heuchelei – und viele schießen die gesamte Bewegung. Jetzt hat sich die „Letzte Generation“ dazu geäußert. Via Twitter schreiben die Klimaaktivisten:
„Doppelmoral und Klimakollaps – unser Statement: Natürlich können wir nachvollziehen, dass negative Gefühle ausgelöst werden – gerade bei ökologisch bewusst lebenden Menschen – wenn Protestierende der Letzten Generation in ein Flugzeug steigen. Vielen von uns geht es so.“
Klimakleber-Aufregung ist nur „Haar in der Suppe“
Die Aktivisten gehen dann rhetorisch in eine Verteidigungshaltung: Es sei, wie so oft in der Debatte, ein „Haar in der Suppe“ gesucht und gefunden worden. „Wie erwartbar. Und doch, angesichts der Katastrophe, die wir als Letzte Generation vor den Kipppunkten versuchen zu verhindern, immer wieder traurig“, schreiben sie.
Letzte Generation
Die sogenannte „Letzte Generation“ ist ein loses Bündnis von Klimaaktivisten, das vor allem mit Mitteln des zivilen Ungehorsams Maßnahmen der Regierung gegen die Klimakrise durchsetzen will.
Vor etwa einem Jahr starteten Aktivisten der Gruppierung, sich mit Klebstoff auf Straßen festzukleben. Die sogenannten Klimakleber sorgen mit den Aktionen immer wieder für Verkehrsbehinderungen.
Die „Letzte Generation“ war auch Teil des Aktionsbündnisses „Lützerath unräumbar“, das sich vehement gegen die Räumung und den Abriss des Braunkohledorfs Lützerath am Tagebau Garzweiler eingesetzt hatte. Dort war es zu teils heftigen Auseinandersetzungen gekommen: Aktivisten hatten Flaschen und Feuerwerkskörper auf Polizisten geworfen, Einsatzkräfte der Polizei hatten wiederum Schlagstöcke und Pfefferspray gegen Demonstranten eingesetzt. In der Folge war es auch zu einer Debatte um Polizeigewalt in Lützerath gekommen.
Das Klimakleber-Paar sei überdies nicht auf Bali, sondern in Thailand, und das für einen längeren Zeitraum, so die „Letzte Generation“ in dem Twitter-Post. Ihre Argumentation: Man müsse nicht auf alles verzichten, um gemeinsam gegen die Folgen des Klimawandels zu kämpfen. „Sich politisch gegen den Klimakollaps zu engagieren, geht oft damit einher, das eigene Leben umzustellen. Es ist jedoch keine Voraussetzung, dies zu tun. Insbesondere beeinflusst es auch nicht, wie richtig oder falsch Forderungen an die Bundesregierung sind.“
Klimaaktivisten: Doppelmoral auch auf der Autobahn
Und weiter: „Aber falls irgendein Zweifel bestand, ob Menschen, die Fleisch essen, Auto fahren oder Langstreckenflüge machen, mit uns gegen den Verfassungsbruch der Regierung auf die Straße gehen können, dann möchten wir den hiermit ausräumen: Ja!“
In Richtung Politik schreiben die Aktivisten: „Ist es keine Doppelmoral, „Klimakanzler“ zu sein und Lützerath abzubaggern? Ist es keine Doppelmoral, Klimaschutz wichtig zu finden, aber in Bayern keine Windkraftanlagen haben zu wollen?“ Und in Richtung von Tempolimit-Gegnern: „Das Rasen auf den Autobahnen als Freiheit zu sehen, eine Freiheit, für die andere mit ihrem Leben bezahlen müssen?“
Mehr Diskussion um die Sache – weniger um einzelne Klimakleber
Was sich aus dem sehr langen Twitter-Thread als Quintessenz herauslesen lässt: Es solle mehr um die Sache und nicht um die vermeintlichen Verfehlungen einzelner gehen: „Wenn wir warten, bis alle Menschen sich klimabewusst verhalten, ohne dass sie es müssten, dann gehen wir über die Klippe. Wir laden alle ein, jetzt den Blick voneinander ab - und dem wirklich Wichtigen zuzuwenden: Wie schaffen wir es, als Gesellschaft zu überleben?“
Zum Schluss weisen die Aktivisten noch auf die Idee des sogenannten Gesellschaftsrats hin: Zufällig ausgeloste Menschen sollen in einer Art Bürgerrat Lösungen erarbeiten, mit deren Hilfe Deutschland bis 2030 klimaneutral werden soll. Ein Konzept, mit dem kürzlich die Aktivistin Aimée van Baalen im WDR-Talkformat „Hart aber fair“ mit Louis Klamroth für Diskussionen gesorgt hatte.
Kritiker werfen den Aktivisten Rechthaberei vor
Die Reaktionen auf die jüngste Stellungnahme der „Letzten Generation“ zu den Klimaklebern, die nach Thailand oder Bali geflogen sind, fallen sehr unterschiedlich aus. Manche halten der „Letzten Generation“ whataboutism und Rechthaberei vor: „Ultimativ theatralisch Moralpredigten halten, sich dann so saublöd erwischen lassen, aber bloß schnell wieder mit dem Zeigefinger auf die anderen“, schreibt ein Nutzer. Andere weisen darauf hin, dass es viel mehr um die eigentliche Sache, nämlich den Klimawandel, und viel weniger um einzelne Personen gehen sollte und unterstützen die Bewegung. „Danke für dieses offene und ehrliche Statement. Und überhaupt für euer ganzes Engagement!“, schreibt ein Kommentator.
Herbert Reul über „Klimaterroristen“: „Das ist Quatsch“
Tatsächlich scheint die alte Regel vom Zweck, der die Mittel heiligt, bei den Klimaklebern nur bedingt zu fruchten. Häufig dreht sich die öffentliche Debatte eher um die Aktionen selbst und weniger um das Thema Klimawandel.

Das geht so weit, dass Aktivisten zuletzt gar von manchen als „Klimaterroristen“ bezeichnet wurden – ein Wort, das NRW-Inneniminster Herbert Reul im Interview mit 24RHEIN als „Quatsch“ bezeichnet hatte: „Wenn junge Menschen sich politisch engagieren, für welches legitime Anliegen auch immer, ist das prima.“ Aber: „Auch junge Leute müssen wissen, dass es in einem demokratischen Rechtsstaat Regeln gibt. Und ich finde, dass sie auch die Haltung haben sollten, dass sie vielleicht nicht immer nur recht haben“, so Reul. (pen)