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Nach Silvester-Ausschreitungen: Das blüht den Böller-Bubis jetzt

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Von: Maximilian Gang

Neun junge Männer sollen die Silvester-Krawalle geplant haben: Sie wollten offenbar auch einen Polizisten entführen. Ein Anwalt erklärt, was ihnen nun droht.

Bonn – Die Silvester-Ausschreitungen bestimmen auch Wochen nach dem Jahreswechsel die öffentliche Debatte. Teils maskierte Gruppen vornehmlich junger Männer hatten in vielen Städten Rettungs- und Einsatzkräfte attackiert und mit Feuerwerk, Steinen und Glasflaschen geworfen. Das Ausmaß der Gewalt zeigt dabei Abgründe auf und beleuchtet eine Parallelwelt, von der die meisten wohl nichts geahnt hatten. In Bonn wurden mehrere Tatverdächtige ermittelt. Den Silvester-Chaoten drohen nun empfindliche Strafen – theoretisch.

Was die Ermittlungen bis hierhin zeigen: Das Problem ist noch weitaus größer, als zunächst angenommen. Ein Hotspot der Silvesterkrawalle war die Stadt Bonn. Schnell zeigte sich: Die Gewaltakte waren keine spontanen Ausraster. Vielmehr sollen die jungen Männer ihre Gewalttaten an Silvester vorher in Chat-Gruppen geplant haben – der Nachrichtenverlauf ist erschreckend.

Silvester-Krawalle in Bonn: Irre Idee vom Kampf gegen „Nazis“

Was vor Silvester passiert ist: Ein Jugendlicher, der sich bei WhatsApp „Le Monde vous Appartient“ – die Welt gehört euch – nennt, gründet wenige Tage vor Silvester eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „MV vs. Nazis“. MV steht dabei wohl für den Bonner Stadtteil Medinghoven. Einer der Stadtteile in Bonn, in denen die Krawalle zum Jahreswechsel am schlimmsten waren. Doch wen meint er mit „Nazis“? Der Chat-Verlauf legt einen düsteren Verdacht nahe.

Silvester-Krawalle in Bonn geplant: Zwei Polizeiautos und zwei Bluttropfen

„Silvester wird brennen“, schreibt der Gründer der Gruppe, wie der Spiegel berichtet. Mit seinem martialischen Sprech will der Jugendliche offenbar klar machen: Er meint es ernst. Wenn einer der anderen „nur halb dabei“ sein wolle, solle er die Gruppe verlassen, schreibt er. Das passiert nicht. Im Gegenteil. Die Reaktionen: „100 Prozent“, Emojis, die eine deutliche Sprache sprechen: vier Flammen, zwei Blutstropfen, zwei Polizeiautos. Sind also Polizisten mit dem Wort „Nazis“ gemeint? Sollen sie bekämpft werden?

Der Eindruck verfestigt sich: Es finden sich Nachrichten mit der Frage, „wie viele Bullenwagen“ brennen sollen. Es wird darüber beratschlagt, ob man „einen Bullen entführen“ soll. Das private Auto eines „Hurensohns“, damit ist wohl ein örtlicher Polizist gemeint, wird ebenso Thema. Das klingt wie aus einem Spielfilm? Kein Zufall: Die Jugendlichen nehmen sich in ihrem WhatsApp-Gespräch den Netflix-Blockbuster „Athena“ zum Vorbild. Ein Film, in dem Jugendliche eine Stadt ins Chaos stürzen.

Silvester-Krawalle: Polizisten in Bonn von 40 Randalierern attackiert

Der Chat endet einen Tag vor Silvester – dann beginnen die Krawalle, die bundesweit für Empörung gesorgt haben. Müllcontainer brennen, die Feuerwehr wird beim Löschversuch mit Steinen und Pyrotechnik beworfen, 40 Randalierer greifen Polizisten an. In ganz NRW gibt es zum Jahreswechsel zahlreiche Angriffe auf Rettungs- und Einsatzkräfte. Doch Bonn sticht heraus, wie nun auch die Chatverläufe unterstreichen.

Bonn: Durchsuchungen bei neun Personen nach Silvester-Krawallen

Die Folgen für die Gruppe: Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Brandstiftung und noch einiges mehr. Am 2. Februar dann der nächste Ermittlungserfolg: Ein neunter Tatverdächtiger konnte von der Polizei gestellt werden – ein 34-Jähriger aus dem Bonner Stadtbezirk Hardtberg soll ebenfalls an den Planungen zu den Silvester-Krawallen beteiligt gewesen sein, wie die Bonner Polizei berichtet. Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung wurde ein Handy sichergestellt.

Herbert Reul nach Silvester-Krawalle: „Häufig Problem, die Täter zu erkennen“

Die Ermittlungserfolge sind keine Selbstverständlichkeit, denn: Die Behörden haben bei der Strafverfolgung der Silvester-Krawalle mit Schwierigkeiten zu kämpfen, wie NRW-Innenminister Herbert Reul im Interview mit 24RHEIN erklärte: „Wir haben häufig ein Problem, die Täter zu erkennen. Wenn Taten aus Gruppen heraus passieren, ist es schwer, einen Verdächtigen zu identifizieren.“

Er fordert deshalb weitergehende gesetzliche Regelungen. „Gerichte brauchen aber Namen und Beweise. Auch gesetzlich könnte man möglicherweise nachschärfen, um diejenigen, die als Gruppe einen Schutzwall um die Täter bilden, davon konsequenter abzuhalten oder aber sie dafür strafrechtlich verantwortlich zu machen“.

Die Chatverläufe könnten nun im Fall aus Bonn die Namen und Beweise geliefert haben. Die Jugendlichen und jungen Männer müssen mit empfindlichen Strafen rechnen, wie der Kölner Anwalt Christian Solmecke gegenüber 24RHEIN erklärt:

Silvester-Krawalle: Geringere Strafen für Minderjährige wahrscheinlich

Einige der Verdächtigen waren zum Tatzeitpunkt noch minderjährig. Auch das hat Einfluss auf das Strafmaß, wie Christian Solmecke erklärt: „Wenn einer der Tatverdächtigen zur Tatzeit 14 bis 17 Jahre alt war, muss das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen“. Dieses sei vom Erziehungsgedanken geprägt. „Es soll durch Instrumente wie Erziehungsmaßregeln und den so tatsächlich noch genannten Zuchtmitteln primär erzieherisch auf den jungen Täter einwirken“. Nur als letztes unausweichliches Mittel sei auch eine Jugendstrafe möglich. (mg) Fair und unabhängig informiert, was in NRW und Deutschland passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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