Explosion Ratingen: Drei Retter in Lebensgefahr – Polizei und Feuerwehr fordern Betreuungen und Schulungen
Nach der Explosion in Ratingen sind immer noch viele Fragen offen. Vor allem das Motiv des Täters wirft noch Rätsel auf.
Update vom 22. Mai, 16:31: Nach der anfänglichen Kritik an der Einberufung des Sonderausschusses, hat Michael Mertens, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft NRW, sich zufrieden über das Engagement der demokratischen Parteien im Landtag gezeigt. Nun sei wichtig, mehr in Betreuungs- und Beratungsangebote zu investieren, sagte er gegenüber 24Rhein. „Diese Einsätze machen was mit uns, daher sollte nun der Mensch im Vordergrund stehen.“
Auch Tobias Thiele, Sprecher der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft, wünscht sich mehr Fort- und Weiterbildungen sowie Schulungen für die Einsatzkräfte. „Dafür muss Zeit in den Dienstschichten zur Verfügung stehen. Regelmäßige Aus- und Fortbildung ist das ‚A und O‘ – unsere Lebensversicherung.“
Polizeigewerkschaftler zeigt sich erschüttert über die „Grausamkeit“ von Ratingen
Mertens, der dem Ausschuss persönlich bewohnen durfte, zeigte sich derweil am Telefon erschüttert über die „Grausamkeit und Skrupellosigkeit“, die der mutmaßliche 57-jährige Täter gegenüber den Einsatzkräften gezeigt hatte. „Diese Details nochmal zu hören, hat mich bis ins Tiefste meines Polizeiherzens erschüttert.“ Obwohl man auf körperliche Attacken vorbereitet sei und das auch trainiere – einen solchen Einsatz habe er noch nie erlebt.
Obwohl der Einsatz derzeit überall besprochen werde und einige betroffene Polizistinnen und Polizisten aus dem Dienst genommen werden mussten, sei Angst nun ein falscher Berater, so Mertens. „Wir werden unsere Arbeit weitermachen.“
Update vom 22. Mai, 12:58: Nach der Sondersitzung des Innenausschusses im NRW-Landtag sind die Hintergründe zu der Explosion in Ratingen weiterhin unklar. Wie Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag mitteilte, seien die Ermittlungen weiter in vollem Gange. Vieles sei immer noch unklar.
Wie der WDR berichtet, könne auch zu dem Motiv des 57-jährigen Tatverdächtigen, die Einsatzkräfte gezielt anzugreifen, derzeit nichts weiter gesagt werden. Laut WDR konnte Reul jedoch weitere Einzelheiten zum Einsatz bekannt geben.
Tatverdächtiger in Ratingen soll Einsatzkräfte mit Benzin überschüttet haben
Demnach sei die Polizei vom Hausmeister des Gebäudes benachrichtigt worden, da eine Bewohnerin vermisst worden wäre. Beim Versuch, in die Wohnung zu gelangen, sei dann festgestellt worden, dass die Tür verbarrikadiert sei. Mithilfe der Feuerwehr habe man sich Zutritt verschafft, so Reul.
Eine Polizistin sei dann von dem Mann mit einer Flüssigkeit überschüttet worden. Laut Reul handelte es sich wahrscheinlich um Benzin. Der Mann habe eine Flamme verursacht und die Einsatzkräfte in Brand gesetzt.
Nach Explosion in Ratingen: Weiterhin drei Einsatzkräfte in Lebensgefahr
Bei der anschließenden Explosion sind, laut derzeitigen Angaben, 35 Menschen verletzt worden. Eine Polizistin, ein Rettungssanitäter sowie ein Mann der Feuerwehr schwebten noch in Lebensgefahr und befänden sich im künstlichen Koma. Fünf weitere Personen müssten ebenfalls noch im Krankenhaus versorgt werden.
Im folgenden Statement widersprach Reul auch Mutmaßungen, dass die Einsatzkräfte besser hätten gesichert sein müssen. „Das war ein ganz normaler Einsatz, wo eine solche Gefahr gar nicht zu erwarten war“, zitiert ihn der WDR. Durch die Info, dass ein Haftbefehl vorlag, seien sie bereits sensibilisiert gewesen.
Update vom 21. Mai, 14:17 Uhr: Nach der Explosion in Ratingen findet am Montag (22. Mai) eine Sondersitzung im Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf statt. Dort soll die Landesregierung unter Führung von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst über die neuen Erkenntnisse berichten. „Es geht auch darum, wie wir unsere Sicherheitskräfte besser schützen können“, sagte Christina Kampmann, Sprecherin der SPD-Fraktion. Die SPD war es auch, die die Sondersitzung beantragt hatte.
Michael Mertens, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, warnt indes vor „parteipolitischen Ränkespielen“: „Dass sich Politiker über den Stand der Ermittlungen informieren, gehört zu ihren Aufgaben“, so Mertens. „Aber die Art und Weise, wie es zu der Sondersitzung gekommen ist, deuten darauf hin, dass es einigen Politikern nicht nur um ihr Mitgefühl mit den schwer verletzten Einsatzkräften geht, sondern auch darum, den Innenminister aus parteipolitischen Motiven unter Druck zu setzten“. Man sei davon zutiefst verstört.
Nach Explosion in Ratingen: Französische Feuerwehrwache bekundet ihr Beileid
Update vom 21. Mai, 11:52 Uhr: Die Explosion in Ratingen sorgt weiterhin für Fassungslosigkeit. Am Bürgerhaus am Marktplatz im westlichen Teil der Stadt ist im Nachgang ein Ort der Anteilnahme entstanden. Dort hatten zahlreiche Ratinger Kerzen, Bilder und von Kindern bemalte Steine abgelegt. Nun wurde die Gedenkstätte auf den Vorplatz der Kirche „St. Peter und Paul“ verlegt, wie die Feuerwehr Ratingen mitteilte. „Stadtverwaltung und die Kirche St. Peter & Paul möchten den Menschen damit auch künftig eine Anlaufstelle anbieten, um ihre Anteilnahme und Solidarität zu bekunden“, so die Feuerwehr.
Doch nicht nur in Deutschland ist die Anteilnahme groß. Auch die Einsatzkräfte der Feuerwache aus dem französischen Le Quesnoy haben auf Facebook nun ihr Beileid bekundet: „Ein solidarischer Gedanke für unsere Freunde und Kollegen aus Ratingen, Deutschland! Mut an euch alle und schnelle Genesung an die Verletzten“, heißt es.
Explosion in Ratingen: Der aktuelle Stand und wie es den verletzten Rettern geht
Erstmeldung: Ratingen – Die verheerende Explosion in einem Hochhaus in Ratingen, bei der am 11. Mai mehrere Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden, sorgt immer noch für Fassungslosigkeit. Ein 57 Jahre alter Mann, der wohl der Prepper-Szene angehört, soll die Einsatzkräfte gezielt attackiert haben. Gegen ihn wird wegen versuchten Mordes in neun Fällen ermittelt. Eine Woche nach dem Angriff schwebten zwei Einsatzkräfte noch immer in Lebensgefahr. Was zu den Vorfällen in Ratingen bekannt ist, was noch nicht und wie es weitergeht.
Wie geht es den Einsatzkräften nach der Explosion in Ratingen?
Insgesamt wurden bei dem Vorfall in Ratingen am 11. Mai 31 Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst verletzt. Fünf von ihnen schwebten zunächst in Lebensgefahr. Vier Feuerwehrleute erlitten schwere Verletzungen. 22 weitere Personen wurden leicht verletzt.
Nach letztem Stand vom Donnerstag (18. Mai) kämpften eine 25-jährige Polizistin und ein Rettungshelfer noch immer um ihr Leben. Sie befänden sich mit schwersten Verletzungen im künstlichen Koma, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der Rheinischen Post. Weitere Einsatzkräfte von Polizei und Rettungsdienst würden noch immer auf der Intensivstation behandelt. „Der Genesungsprozess wird bei einigen voraussichtlich sehr, sehr lange andauern“, sagte Reul.
War die Explosion in Ratingen ein gezielter Angriff auf die Einsatzkräfte?
Davon gehen die Ermittler aus. Noch am Tattag wurde ein 57 Jahre alter Mann von Spezialeinheiten der Polizei festgenommen. Er soll am 11. Mai den Einsatzkräften mit einem Gefäß Benzin entgegengeschleudert und entzündet haben, als diese die Wohnungstür geöffnet hatten und dahinter auf einen Stapel aus Wasserkästen stießen, mit denen der Eingang verbarrikadiert war.
Die Einsatzkräfte waren ursprünglich zu dem Hochhaus gerufen worden, weil der Briefkasten der Wohnung nicht mehr geleert worden war und überquoll. Daraufhin hatte die Vermieterin die Polizei gebeten, in der Wohnung nach dem Rechten zu sehen.
Die Einsatzkräfte fuhren dann unter dem Stichwort „hilflose Person“ zur Wohnung. Mit einer solchen Eskalation vor Ort habe niemand rechnen können, sagte ein Polizeisprecher. Die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft gehen also von einem gezielten Angriff auf die Einsatzkräfte aus. Daher wird wegen versuchtem Mord in neun Fällen gegen den 57-Jährigen ermittelt.
Was ist über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Der Verdächtige war bereits in der Vergangenheit wegen drei Körperverletzungen polizeibekannt. Gegen ihn wurden auch bereits zwei Strafbefehle verhängt. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung und seines Kellers in dem Ratinger Hochhaus fand die Polizei mehrere Waffen, darunter PTB-Waffen, allgemein sind damit Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen gemeint, sowie Messer und Dolche.
Er soll der Prepper-Szene angehören. Als Prepper, abgeleitet vom englischen „prepare“ (vorbereiten), werden Menschen bezeichnet, die sich auf das Überleben im Katastrophenfall vorbereiten. Davon gehen die Ermittler aus, weil in der Wohnung des Mannes ungewöhnlich große Vorräte an Wasser, Kerzen, Nudeln und Toilettenpapier gefunden worden sind. Außerdem wird vermutet, dass er Verschwörungstheorien folgte. Es wurden entsprechende handschriftliche Zettel in der Wohnung gefunden. „Da ist bei der Covid-19-Impfung von einer ‚Impfung des Teufels‘ die Rede. Zudem hat er seine Abneigung gegen Kirche, Staat und Arbeitsamt zum Ausdruck gebracht“, sagte Kriminaldirektorin Heike Schultz der Deutschen Presse-Agentur. Es wurde aber kein Abschieds- oder Bekennerbrief gefunden.
Was ist über das Motiv des Verdächtigen bekannt?
Ein konkretes Motiv ist bislang nicht bekannt. Das versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft aktuell zu ermitteln. Dafür sollen auch Festplatten und Mobiltelefone, die in der Wohnung des 57-Jährigen gefunden wurden, ausgewertet werden. Das gestaltet sich aber als schwierig, da die Geräte durch das Feuer, dass der Verdächtige nach der Explosion in seiner Wohnung gelegt hatte, schwer beschädigt wurden.
„Vielleicht werden wir die Frage nach dem Warum aber auch am Ende der Ermittlungen nicht abschließend beantworten können“, sagte NRW-Innenminister Reul der Rheinischen Post. Es deute aber vieles darauf hin, dass der Mann offenbar Vorbereitungen getroffen habe, „um heimtückisch Menschen zu verletzen oder gar zu töten“.
Wo ist der Verdächtige aktuell?
Der 57-Jährige befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wertet die Tat als „versuchtes Tötungsdelikt“ und hatte schon kurz danach Haftbefehl beantragt. Der Mann wurde noch am Freitag (12. Mai) einem Haftrichter vorgeführt. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft und soll sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert haben.
Was ist über die Leiche bekannt, die in der Wohnung gefunden wurde?
Noch am Tag der Explosion hatten Einsatzkräfte in der Wohnung des 57-Jährigen eine Frauenleiche entdeckt. Dabei soll es sich wahrscheinlich um die Mutter des Mannes handeln. Das werde aber noch abschließend geklärt, teilte die Polizei mit. Klar ist: Die Frau war bereits mehrere Wochen tot. Den Einsatzkräften vor Ort war ein starker Verwesungsgeruch aufgefallen.
Tausende bekunden Mitgefühl und Solidarität mit den Opfern

Sowohl in den sozialen Medien als auch direkt vor Ort in Ratingen haben tausende Menschen ihre Solidarität mit den verletzten Einsatzkräften bekundet. Am Sonntag nach der Explosion gab es eine große Mahnwache auf dem Marktplatz in Ratingen (Kreis Mettmann) mit mehr als 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Es wurden Blumen und Kerzen niedergelegt. Inzwischen wurde der Ort der Anteilnahme innerhalb der Stadt zu einer Kirche verlegt. Das teilte die Feuerwehr Ratingen am 19. Mai mit.
Demnach befindet sich der Bereich nun auf dem Vorplatz der Kirche St. Peter und Paul an der Skulptur „Gebeugt sitzende Figur“. „Stadtverwaltung und die Kirche St. Peter & Paul möchten den Menschen damit auch künftig eine Anlaufstelle anbieten, um ihre Anteilnahme und Solidarität zu bekunden“; erklärte ein Feuerwehrsprecher. Aber auch von vielen anderen Feuerwachen und Polizeidienststellen in NRW und Deutschland gab es Solidaritätsbekundungen. (bs mit dpa-Material) Fair und unabhängig informiert, was in NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.