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Mythos toter Mönch: Das steckt hinter der aufgebahrten Legende

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Von: Ines Baur

Buddhist Temple Datsan, Ivolginsk, Russia, 29.03.2015 11:50:04, Copyright: xflocux Panthermedia13881963
Buddhistischer Tempel in Burjatien. © Panthermedia/flocu/IMAGO /

Der nicht verweste Körper des Mönchs Daschi-Dorscho Itigelow gibt Rätsel auf. Was hat es mit dem Leichnam auf sich? Ein Forensiker äußert sich.

München/Burjatien - Daschi-Dorscho Itigelow wurde 1852 geboren. Im Alter von 16 Jahren begann er Buddhismus zu praktizieren. 1911 wurde er 12. Pandito Hambo Lama – das Oberhaupt der russischen Buddhisten. Kurz vor seinem „Tod“ 1927 bat er seine Schüler, ihn nach 30 Jahren auszugraben. Er soll vorausgesagt haben, dass seinem Körper nichts geschehen werde. Der Mönch verstarb, angeblich während einer tiefen Meditation. Noch heute sitzt er im Lotussitz, die Arme im Schoß, die Augen geschlossen, der Körper unverwest. Wissenschaftler rätseln und Pilger verehren ihn.

Toter Mönch - Mythos für Pilger, Phänomen für Wissenschaftler

Da Buddhisten während der Sowjetzeit verfolgt wurden, verzögerte sich die öffentliche Exhumierung Itigelows. Zweimal soll das Grab dennoch heimlich geöffnet worden sein, in den Jahren 1955 und 1973. Den Leichnam hätte man, wie vorhergesagt, nicht verwest vorgefunden. Bei der öffentlichen Exhumierung im Jahr 2002, fand man den Körper in einem außergewöhnlich guten Zustand, schreibt unter anderem travelbook.de. Um die Unversehrtheit des Körpers zu bestätigen, untersuchten Wissenschaftler im Auftrag der Mönche den Leichnam.  

Toter Mönch weist Merkmale eines vor 36 Stunden Verstorbenen auf

„Wir haben ihn äußerlich komplett untersucht, von Kopf bis Fuß“, sagt Pathologe Juri Tampoleev in einem Beitrag von Arte. „Wir haben aber keinerlei Spuren von künstlichen Eingriffen festgestellt. Ich meine Einschnitte, Nähte oder Spuren von Spritzen – nichts davon wurde festgestellt.“ Der Körper des verstorbenen Mönchs solle sich kaum von einem lebendigen Körper unterscheiden.

Toter Mönch in tiefer Meditation?

„Für mich ist das das größte Wunder im Leben“, sagte Hambo Lama Ayusheyev, seit 1995 geistliches Oberhaupt. „Es stellt sich heraus, dass es Dinge gibt, für die die Zeit keine Macht hat.“ Am 23. April 2003 erkannte die Buddhistische Konferenz den Körper von Dashi-Dorzho Itigilow als eines der heiligen buddhistischen Objekte Russlands an. Seit 2005 wird Itigilows Körper im Freien aufbewahrt, ohne Temperatur- oder Feuchtigkeitsregulierungen einzuhalten.

Die buddhistischen Mönche nähern sich ihm wie einem lebenden Menschen, schreibt ancientpages.com. Sie gäben ihm die Hand und einige sind überzeugt, Itigilow sei noch am Leben und befinde sich lediglich in einem Winterschlaf- oder Nirwana-ähnlichen Zustand.

In einem glücklichen weltlichen zustand ist Benediktinermönch Anselm Bilgri, der sich in einer katholischen Kirche von seinem Mann Markus den Ehering an den Finger stecken ließ.

Körper des toten Mönchs ist weder einbalsamiert, noch mumifiziert

In einer 2021 bei Terra X erschienenen Dokumentation schildert Alexander Chatschaturow, ein Wissenschaftler von der Chemisch-Technischen Universität Moskau, den Zustand des Körpers: „Er ist weder einbalsamiert, noch mumifiziert. Er hat weiche Haut, die dem Druck nachgibt, die Gelenke sind elastisch. Er reagiert auf die Umgebung. Nicht schnell, aber er reagiert. Ab und zu macht er den Mund auf, ab und zu die Augen.“ Weiter wird berichtet, dass der Körper ohne Stütze in der Lotuspose verweile. „Wenn ein System von sich aus aktiv ist, dann kann man sagen, es ist lebendig. Es ist eine Existenzform, von der wir nichts wissen, aber er ist lebendig. Das ist ein Fakt“, so Chatschaturow.

Die Wissenschaft widerspricht dem Mythos

Andere Wissenschaftler stehen dem Ganzen skeptisch gegenüber. Travelbook.de sprach mit Forensiker Mark Benecke. Auf die Frage, wie es dazu kommen könne, dass der Körper keine oder kaum Verwesungsspuren aufweist, antwortete der: „Das ist Zufall. Der Körper ist teils ausgetrocknet, teils ist eventuell auch Fettwachs entstanden.“ Fettwachs, entstehe wenn ein toter Körper sich in einem luftdichten Raum befindet. Die Verwesung stoppt und körpereigene Fette bilden eine Schutzhülle um den Leichnam.

Zudem gibt Forensiker Benecke zu bedenken, dass der Leichnam in Sibirien begraben wurde. „Kälte wirkt auch erhaltend.“ Auch die elastische, weiche Haut sei nichts Ungewöhnliches. „Es könnte sich auch um eine Lösung, also um eine Flüssigkeit, handeln, die bei Lenins Leiche in Moskau, der kleinen Rosalia in Palermo und anderen verwendet wurde. Sie kann die Haut geschmeidig halten, auch nach dem Tod.“ Für eine solche Behandlung seien keine Einschnitte nötig. Zur Verdeutlichung vergleicht Benecke die Haut Itigelows mit Leder: „Das ist auch weiche Haut von Wirbeltieren, die eben bearbeitet wurde.“

Mythos toter Mönch: Scharlatanerie wie blutende Madonnen

Dass der Mönch in irgendeiner Form lebendig sei, schließt Benecke aus. Prof. Dr. Michael Tsokos, Direktor des Institutes für Rechtsmedizin der Charité, sagte gegenüber travelbook.de, dass er „trotz 25 Jahren Berufserfahrung als Rechtsmediziner und über 100.000 Leichen keine naturwissenschaftliche Erklärung“ für Itigelows Zustand habe. „Mit anderen Worten: Ich halte das für Scharlatanerie wie Tränen blutende Madonnenstatuen und ähnlichen Quatsch, der in allen Religionen den Schwachen und Leichtgläubigen etwas vorgaukelt und sie damit in ihren Bann zieht – und das Geld aus der Tasche.“

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