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Air Defender 2023: Wie der Ukraine-Krieg das Mega-Manöver verändert

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Von: Nils Bothmann

Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, erklärte in einem Interview, dass das Kampfjet-Manöver Air Defender 2023 zwar lange vor dem Ukraine-Krieg geplant wurde, sich durch diesen aber verändert habe.

Köln – Vom 12. bis zum 23. Juni 2023 werden verstärkt Kampfjets über Deutschland zu sehen sein: Das riesige Manöver Air Defender 2023, bei dem die Luftwaffe die Führungsrolle übernimmt, findet im deutschen Luftraum statt. Die Bundeswehr gab bekannt, wo die gigantische Kampfjet-Übung zu sehen sein wird, die als bisher größte in der Geschichte der NATO gilt. Angesichts des Zeitpunkts für das Manöver, an dem auch verschiedene Kampfflugzeuge der Bundeswehr teilnehmen, könnte man vermuten, dass dies mit dem Ukraine-Krieg zu tun habe, der zu neuen Bestrebungen in der westlichen Sicherheitsarchitektur führte.

Dazu wurde auch Generalleutnant Ingo Gerhartz, der Inspekteur der Luftwaffe, in einem Interview mit der Deutschen Welle befragt. Dabei erklärte der 57-Jährige, dass Air Defender schon wesentlich länger in der Mache ist. „Ich habe diese Übung schon 2018 dem Pentagon vorgeschlagen. Eine Übung, der bei der wir zeugen können, dass amerikanische Luftstreitkräfte sehr schnell nach Deutschland, nach Europa verlegt werden können“, so der Generalleutnant.

Allerdings war das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland nicht unbedeutend für die Genese des Manövers: „Wir haben schon nach Einnahme der Krim gesehen, dass wir uns stärker rückbesinnen müssen, auch nach Afghanistan-Jahrzehnten, dass wir in der Lage sind, unser Bündnis auch zu verteidigen.“

Air Defender 2023: Schritt zu „mehr Verantwortung“ für Deutschland

Generalleutnant Ingo Gerhartz
Laut Ingo Gerhartz, Generalleutnant und Inspekteur der Luftwaffe, hat der Ukraine-Krieg mehr Mitgliedsstaaten zur Teilnahme an der deutsch geführten NATO-Übung bewegt © Political-Moments/imago

Deutschland war in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert worden, weil es die Verpflichtung nicht erfüllt, zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts als NATO-Beitrag zu zahlen. US-Bürger reagierten in einer Umfrage ausgesprochen verstimmt: 30 Prozent der Befragten waren sogar dafür, Ländern im Verteidigungsfall nicht beizustehen, wenn diese das Zwei-Prozent-Ziel nicht erfüllen. Gerhartz sieht daher auch ein wichtiges Signal in dem Kampfjet-Manöver: „Es ist eine Übung, bei der die NATO unterstützt, aber es ist eine deutsch geführte Übung. Das kommt dem nahe, dass viele fordern, dass Deutschland mehr Verantwortung übernimmt.“

Den Löwenanteil der Flugzeuge, 100 von insgesamt 240, stellen jedoch die USA, verlegen unter anderem F-35, F-16 und F-15 für Air Defender 2023 nach Europa. Deutschland wird mit 62 Fliegern an dem Manöver teilnehmen, die zum Flugzeugbestand der Bundeswehr gehören:

Ukraine-Krieg als „verschärfter Kontext“ für Kampfjet-Manöver

Airbus A400M mit Sonderfolierung Air Defender 2023.
Die Luftwaffe präsentierte Anfang April einen besonderen Airbus A400M im „Air Defender 2024“-Gewand © Francis Hildemann/dpa/Bundeswehr

Während der Ukraine-Krieg nicht ursächlich für das riesige Kampfjet-Manöver ist, so hatte er doch Auswirkungen auf die Übung und sorgte dafür, dass sich immer mehr Nationen anschlossen. „Im weiteren Verlauf der Planung der Übung sind immer mehr Teilnehmer dazu gekommen“, erläuterte Gerhartz. „Hier hat sicherlich der Krieg in der Ukraine viele Teilnehmer noch einmal dazu bewegt, auch in Europa, zu sagen: ‚Wir müssen unbedingt bei dieser Übung dabei sein, um einfach zu zeigen, dass diese Allianz verteidigungsfähig ist.“ Jüngst hatte die Bundeswehr bekannt gegeben, dass anstelle der ursprünglich geplanten 18 Nationen insgesamt 25 Länder an Air Defender 2023 teilnehmen werden.

Diese Länder nehmen an Air Defender 2023 teil:

Air Defender 2023 soll Zusammenhalt beweisen

Im Interview machte der Inspekteur der Luftwaffe auch klar, dass die Übung defensiven Charakter besitzt und kein Säbelrasseln gegenüber Staaten wie Russland darstellen sollen. „Wir möchten gar nicht gegen jemanden operieren, sondern wollen zeigen, dass wir in der Allianz zusammenstehen“, erläuterte Gerhartz die Intention von Air Defender 2023. „Wir können als Luftstreitkräfte nur dann gemeinsam agieren, wenn wir unsere Systeme miteinander vernetzen können. Wir nennen das interoperabel sein.“

Die stärkere Vernetzung wird sich auch dadurch zeigen, dass sich in naher Zukunft auch neue US-Flieger in den Beständen der Bundeswehr befinden werden: Neben 15 neuen Eurofightern sollen 35 Tarnkappenbomber F-35A von der Bundeswehr angeschafft werden, um die veralteten Panavia 200 Tornado im Bestand zu ersetzen. Der Kauf trägt laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur nuklearen Teilhabe Deutschlands innerhalb der NATO bei.

Auf die Nachfrage, an wen die Botschaft des Kampfjet-Manövers gehe, betonte Gerhartz: „Die Botschaft geht an uns. An uns als Streitkräfte, an unsere Bevölkerung, dass wir in der Lage sind unser Bündnis zu verteidigen.“

Natürlich dürfte der Inspekteur der Luftwaffe seine Worte auch deshalb mit Bedacht wählen, um keine Provokation in Richtung Russland zu schicken.

Eine weitere Botschaft hatte Gerhartz für die deutsche Bevölkerung, die sich Sorgen wegen Einschränkungen des Reiseverkehrs durch Air Defender 2023 macht. Er erwarte, dass es nur zu geringfügigen Auswirkungen auf den Luftverkehr während der Reisezeit durch das Manöver kommen werde. Neben gesteigertem Fluglärm durch die Übung gehört dies zu den Hauptsorgen der Bevölkerung, wenn es um das NATO-Manöver im Sommer geht. Die 240 Flieger, die an der Übung teilnehmen, setzen sich aus 23 Flugzeugtypen aus 25 Nationen zusammen und werden für einigen Betrieb im deutschen Luftraum sorgen, auch wenn sich die Luftwaffe mit Institutionen der zivilen Luftfahrt zusammentut, um sich möglichst gut zu koordinieren und die Einschränkungen durch das Manöver auf ein Minimum zu bringen. Allerdings gab die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) jüngst eine ganz andere Einschätzung zu Protokoll: Dort rechnet man mit massiven Ausfällen durch Air Defender 2023. (nbo) Fair und unabhängig informiert, was in Deutschland und NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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