Hate Speech: Wie kämpft IPPEN.MEDIA gegen Hass-Kommentare unter Artikeln?
Hate Speech taucht immer wieder unter Artikeln der Portale von IPPEN.MEDIA auf. Das Community-Management-Team schickt solche Beiträge an die Staatsanwaltschaft zur Prüfung.
München - „Ich bin dafür, dass speziell für euch die KZ Lager mit Spezial-Einladung wieder eröffnet werden sollten. Da seid ihr definitiv richtig.“ Dahinter zwei Tränen-Lach-Emojis.
Derartige Kommentare reichen Stefan Stukenbrok und sein Team an eine bayerische Prüfstelle gegen Hate Speech im Netz ein. In dem journalistischen Artikel ging es eigentlich um eine Corona-Demo in Kassel, doch die Diskussion darunter artete so aus, dass die Mitarbeiter des Teams „Community Management“ von IPPEN.MEDIA eingreifen mussten. Jeden Tag ist genau das ihr Job: Kommentare lesen, moderieren, notfalls löschen und melden.
Hate Speech im Netz: Pro Monat über 650.000 Kommentare unter Artikeln von Portalen von IPPEN.MEDIA
Die Zahl an Leser-Kommentaren, die netzwerkweit bei verschiedenen Nachrichtenplattformen und Portalen einlaufen, schwankt monatlich zwischen 650.000 und 800.000 Beiträgen. Die, die nicht der Netiquette* entsprechen, werden von den 24 Moderatoren des Teams gelöscht. Ausschlaggebend sind etwa die Sachlichkeit der Bemerkung, der thematische Bezug zum Artikel und Respekt gegenüber anderen. Je nach Thema müssen die Team-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter unterschiedlich viele Beiträge löschen.
„Als zum Beispiel die Querdenker-Demos im Blickpunkt standen, mussten wir überdurchschnittlich viele Kommentare entfernen – das kann dann allein bei einem Artikel durchaus hunderte Löschungen ausmachen“, sagt Stukenbrok. „Wir versuchen natürlich, großflächige Löschungen zu vermeiden. An guten Tagen löschen wir nicht mehr als ein Prozent.“
Neben dem Löschen existiert noch eine weitere Strategie, die gegen Hate Speech im Netz helfen soll: das Anzeigen von User-Beiträgen, die möglicherweise unter einen Straftatbestand fallen – also zum Beispiel Beleidigungen, Verleumdungen oder Volksverhetzung – bei den Behörden. Wie viele Kommentare das Team verdächtigt, zu diesen Kategorien zu gehören, variiert sehr. Manchmal falle wochenlang kein derartiges Posting auf, dann sind es mal an einem Tag gleich drei, erklärt Stukenbrok.

Hass-Kommentare anzeigen: Eine bayerische Initiative macht es Medien leichter
Damit Medien diesen Schritt schnell und effizient erledigen können, hat der Freistaat Bayern im Oktober 2019 die Initiative „Justiz und Medien – Konsequent gegen Hass“ ins Leben gerufen. Mittlerweile unterstützen 112 Medienunternehmen das Projekt, darunter IPPEN.MEDIA.
Ansprechpartner für die Reaktion ist dabei die Staatsanwaltschaft München I. Unter anderem der bayerische Hate-Speech-Beauftragte Klaus-Dieter Hartleb, selbst Oberstaatsanwalt, erhofft sich dadurch eine schnelle Verfolgung von möglichen Tätern. Um eine Größenordnung zu nennen: 1648 Ermittlungsverfahren wegen Hass-Postings wurden 2020 bei den bayerischen Staatsanwaltschaften geführt.
„Das lassen wir nicht zu“: IPPEN.MEDIA im Kampf gegen Hate Speech
Stukenbrok findet die Initiative gut: „Volksverhetzungen, Angriffe auf die Menschenwürde, Aufstacheln zum Hass sowie Diffamierungen von Bevölkerungsteilen und Minderheiten sind Gift gegen die Freiheit der Meinung im Netz. Das lassen wir nicht zu.“ Doch wie läuft das Melde-Verfahren ab?
Sobald das Community-Management-Team einen möglicherweise strafbaren Kommentar entdeckt, füllt Stukenbrok ein einseitiges Formular aus: die Prüfbitte. Darin muss er Kontaktdaten angeben, den zu meldenden Beitrag mit Ort und Datum beschreiben sowie einige Anlagen anfügen – und zwar in Form von Screenshots. Pro Fall kommen rund fünf bis sechs Stück zusammen, unter anderem das Posting selbst, Kommentare für den Kontext drumherum, der eigentliche Artikel und das Profil der Person, die den Beitrag erstellt hat. Nach rund zehn Minuten kann Stukenbrok alles an die Generalstaatsanwaltschaft München übermitteln.
Dort wiederum wird die strafrechtliche Relevanz untersucht. Sollten die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft einen Verdacht feststellen, erhält die Polizei den Auftrag für die notwendigen Ermittlungen. IPPEN.MEDIA wird dann weiter informiert und über das Verfahren auf dem Laufenden gehalten. So bekommen Medien auch ein immer besseres Gespür dafür, was überhaupt strafbar ist.
Mögliche Täter schneller schnappen: 90 Prozent der Urheber von Hass-Kommentaren können ermittelt werden
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Verfahrens ist auch, wie viel über den möglichen Täter ermittelt werden kann. Mehr als 90 Prozent der Urheber von Hass-Kommentaren, die bei der Initiative gemeldet wurden, konnten laut Justizministerium Bayern ermittelt werden (Stand: 31. März 2021).
In Corona*-Zeiten seien die Leute insgesamt gereizter geworden, stellt Stukenbrok fest. Direkten Einfluss darauf, was er meldet, habe das aber nicht. „In unserem Job ist es ähnlich wie bei einem guten Schiedsrichter: Er ist kaum sichtbar, hält den Spielfluss aufrecht und unterbindet grobe Fouls. So halten wir das bei unserem Community Management auch.“ Nutzer, die immer wieder gegen die Regeln verstoßen, können gesperrt werden. Wichtig an dieser Stelle: Die große Mehrheit der Kommentatoren auf den Portalen von IPPEN.MEDIA gestaltet eine positive Diskussionskultur. Stukenbrok ist wichtig, diese offene Community zu erhalten - indem sein Team konsequent gegen Hass-Kommentare vorgeht.
Tipps gegen Hassrede, die jeder selbst befolgen kann, haben wir hinter dem Link zusammengetragen. (cibo) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
Dieser Artikel ist Teil der Serie „Hate Speech im Netz“ von IPPEN.MEDIA. Darin beleuchten wir das Problem Hassrede aus unterschiedlichen Blickwinkeln und wollen konstruktive Möglichkeiten aufzeigen, diesem gesellschaftlich relevanten Thema zu begegnen. Als reichweitenstarkes Medium ist uns eine offene Community wichtig - doch Regeln müssen eingehalten werden. Hate Speech findet bei uns keinen Platz. Um zügig gegen womöglich strafrechtlich relevante Kommentare vorzugehen, sind wir Teil der bayerischen Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“.