Der Publizist erlebt das parteipolitische Leben nun von unten und formuliert interessante Gedanken. Auch er kritisiert die ewigen TV-Debatten der Großen und regt Runden an, die ähnlich wie die Vorwahlen in den USA funktionieren: „Warum lassen wir nicht die Spitzenkandidaten neuer Parteien gegeneinander antreten und das Publikum entscheiden?„, fragt er und bemängelt: „Wir konnten unsere Ideen nirgendwo vortragen. Ständig sehen wir immer die gleichen Gesichter und hören die immer dieselben Schlagworte?“ Sein „Team Todenhöfer“, wie die Partei sich auch nennt, sei im Wahlkampf häufig behindert worden, wie in Frankfurt etwa, wo jeder seiner 700 Zuhörer einzeln fotografiert worden sei.
Das Gespräch mit dem Politik-Veteranen war von außergewöhnlichen Umständen begleitet. Meine SMS-Anfrage aus Köln* nach einem Interview wurde mit „Bin in Kabul“ beschieden. Ich schrieb darauf der Partei-Sprecherin Sarah El Jobeili meine Fragen und bekam anderntags vier lange Sprachnachrichten Jürgen Todenhöfers aus der Hauptstadt Afghanistans, unterlegt von fernem Sirenengeheul. Seit 1979 beschäftigt er sich mit Afghanistan und ist einer der führenden Kenner des Landes. Jetzt gelang es ihm, mit einer Militärmaschine dorthin zu reisen, Gespräche zu führen und sich zu wundern. Die Berliner Regierung habe abgeschobene Schwerverbrecher zurückgeholt, berichtete er, bevor er zu politischen Gesprächen weitereilte.
Peter Pauls ist Vorsitzender des Kölner Presseclubs. Zuvor war er lange Jahre Chefredakteur der Tageszeitung „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dieser Beitrag stammt aus dem Newsletter des Kölner Presseclub.
Deutschland habe in Afghanistan einen guten Ruf, hat Todenhöfer stets gesagt und das gilt auch für ihn, den Islam-Kenner. Hier schließt sich ein Kreis zur Bundestagswahl, denn die „Gerechtigkeitspartei“ zielt auf ein Publikum, das dem Islam offen gegenübersteht. Es sind junge Menschen, die sich von gleich zwei Seiten bedrängt sehen: von muslimischen Eiferern ebenso wie von Teilen der deutschen Gesellschaft, die sie argwöhnisch betrachten und unter Extremismus-Verdacht stellen. In Todenhöfer, dessen Groß-Veranstaltungen stets bis auf den letzten Platz besetzt sind, finden sie jemanden, der sie versteht und ihnen politisch eine Heimat gibt. Die „Gerechtigkeitspartei“ ist nicht von ungefähr gegen Rassismus, Antisemitismus und Anti-Islamismus. Inwieweit sich das in Stimmen niederschlagen wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber für eine Überraschung sind diese Partei und ihr Vorsitzender sicher gut. (pp)