Auch das Verhalten der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bemängelte Söder auf dem Parteitag. Wochenlang sei sie unsichtbar gewesen. Seiner Meinung nach müssten „in so schweren Zeiten wie diesen“ die besten im Amt sein. Den Grünen warf der CSU-Chef wiederum vor, in kurzer Zeit zu große Schritte zu machen: Sie seien von Friedensdemonstrationen zu Aufrufen zur Aufrüstung gekommen. Schließlich bemängelte er, dass die FDP ihre finanzpolitischen Prinzipien über den Haufen geworfen hätten.
Update vom 30. April, 10.10 Uhr: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Bundesregierung aufgefordert, mit diplomatischen Initiativen auf Länder zuzugehen, die Russland bislang etwa aus ökonomischen Gründen unterstützen. „Ganz entscheidend ist, dass strategische Partner Russlands sich von Putin abwenden. 45 Staaten haben den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt, darunter fünf Atommächte“, erklärte Mützenich in der Düsseldorfer Rheinischen Post. „Putins Regierung muss isoliert werden. Und das müssen wir durch Gespräche in den Ländern erreichen“, so Mützenich.
Beispielsweise wolle Indien große Gasmengen aus Russland kaufen. Auch China sei ein wichtiger Unterstützer Russlands. Ebenso Brasilien, Südafrika und andere Staaten, sagte Mützenich. „Es ist jetzt die Aufgabe unserer Partner, aber auch deutscher Außenpolitik, diese Länder in den Blick zu nehmen und vor Ort Gespräche über Bündnisse gegen Putins Russland zu verhandeln“, betonte der Sozialdemokrat. Solche Initiativen bekämen sicher zusätzliches Gewicht, wenn Deutschland oder andere große Länder eine Delegation schickten.
Der SPD-Fraktionschef sagte weiter, er sehe Deutschland auch nach dem Beschluss für eine Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine nicht als Kriegspartei: „Deutschland hat schon länger dazu beigetragen, dass sogenannte schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden können. Die Bundesregierung hat nach reiflicher Überlegung zugestimmt, dass solche Systeme im Ringtausch aus Partnerländern kommen und jetzt eben auch aus Deutschland.“ Dennoch müsse man darauf achten, dass die Nato nicht zur Kriegspartei werde.
Update vom 29. April, 21.55 Uhr: Im Ukraine-Krieg soll Moldau, Nachbarstaat der Ukraine, von Deutschland und Frankreich besser unterstützt werden. Die Außenminister Frankreichs und Deutschlands, Jean-Yves Le Drian und Annalena Baerbock (Grüne) hätten zur Lage in der ehemaligen Sowjetrepublik telefoniert und dabei ihre „gemeinsame Entschlossenheit“ bekundet, das Land „angesichts der Gefahren seiner Destabilisierung zu unterstützen“, sagte eine Sprecherin des französischen Außenministeriums am Freitag.
Die prorussische Separatistenregion Transnistrien war diese Woche von mehreren Explosionen erschüttert worden, die die Furcht vor einem Übergreifen des Ukraine-Kriegs auf Moldau verstärkten. Transnistrien hatte sich im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion 1990 von Moldau abgespalten. International wird das Gebiet nicht als eigenständig anerkannt. Die russische Armee verfügt aber in der Region über einen Militärstützpunkt und ein großes Munitionslager. Seit langem fordert die Regierung in Moldaus Hauptstadt Chisinau den Abzug der russischen Truppen aus der Region.
Update vom 29. April, 16.00 Uhr: Die Bundesregierung prüft nach der Grundsatzeinigung auf die Lieferung schwerer Waffen auch eine Abgabe der Panzerhaubitze 2000 aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine. Dabei gehe es um ein Materialpaket, zu dem neben den Niederlanden auch Deutschland und Italien beitragen könnten, berichtete die Welt am Sonntag. Nach dpa-Informationen handelt es sich um einen möglichen Beitrag Deutschlands in mittlerer einstelliger Zahl.
Laut Welt am Sonntag sind jedoch von den 119 Panzerhaubitzen 2000 der Bundeswehr nur etwa 40 einsatzbereit. Die Militärs stünden einer Lieferung deshalb kritisch gegenüber. Auch Vertreter der niederländischen Streitkräfte hatten sich skeptisch gezeigt, doch die Regierung in Den Haag setzte sich über die militärischen Bedenken hinweg. „Wir sind in Gesprächen mit diversen Partnern mit dem Ziel der wirkungsvollen Unterstützung der Ukraine - auch im Bereich der Artillerie. Dabei gibt es verschiedene Optionen, die aktuell geprüft werden“, sagte eine Sprecherin des deutschen Verteidigungsministeriums der Zeitung.
Update vom 29. April, 12.45 Uhr: Die Bundesregierung hat den russischen Raketenangriff auf Kiew am Tag des Besuchs von UN-Generalsekretär António Guterres scharf verurteilt. „Das Vorgehen der russischen Seite ist menschenverachtend“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin. „Es offenbart vor den Augen der Weltgemeinschaft zudem erneut, dass Putin und sein Regime keinerlei Respekt vor dem internationalen Recht haben“, so Büchner.
Update vom 29. April, 11.50 Uhr: Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat in der Bundestagsdebatte über den Bericht der Wehrbeauftragten die massiv gewachsene Dringlichkeit hinreichender Fähigkeiten zur Landesverteidigung hervorgehoben. „Es war noch nie so wichtig, in der Geschichte unseres wiedervereinten Landes, wehrhaft zu sein“, hob Lambrecht in der Plenarsitzung hervor. Mehrere Redner verwiesen in der Debatte auf die immer noch massiven Ausrüstungsmängel bei der Truppe.
„Handeln ist gefragt, mehr denn je“, sagte Lambrecht. „Wir sehen jeden Tag die Grausamkeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und wir können heute noch nicht sagen, wie weit Putin seinen Großmachtswahn treibt“, begründete dies die Ministerin. Daher brauche man eine „voll ausgestattete und einsatzbereite Bundeswehr“. Es sei gut und wichtig, dass der Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) hier die bestehenden Mängel offenlege, denn man müsse „wissen, wo es hakt“, um gegensteuern zu können.
Sie warb erneut um Unterstützung für das geplante Bundeswehr-Sondervermögen, denn „wir sind nach Jahren des Mangels auf diesen Booster dringend angewiesen, um die Einsatzfähigkeit schnell zu erhöhen“. Die gelte für die beschlossene Neuausstattung der Soldatinnen und Soldaten mit persönlicher Schutzausstattung bis 2025, für die 2,4 Milliarden Euro eingeplant sind, ebenso wie für den Kauf bewaffneter Drohnen, US-Kampfflugzeugen des Typs F-35 sowie die Anschaffung schwerer Transporthubschrauber.
Update vom 29. April, 10.45 Uhr: Für den Fall eines russischen Gasembargos will CSU-Generalsekretär Stephan Mayer auch Enteignungen in Betracht ziehen. „Für Enteignungen gibt es hohe Hürden. Aber unsere oberste Priorität muss in der Tat die Versorgungssicherheit sein“, sagte Mayer der Welt. Zunächst müssten jedoch „Firmen, die Verträge nicht erfüllen, in treuhänderische Verwaltung überführt“ werden.
Er warnte vor einem europäischen Embargo auf russisches Gas. „Natürlich sind Sanktionen gegen Russland wichtig und richtig“, sagte er und fügte hinzu: „Aber wir dürfen nicht sehenden Auges unsere Wirtschaft in eine kaum zu meisternde Bredouille bringen.“ Um die Unabhängigkeit von fossiler Energie voranzutreiben, sprach sich Mayer dafür aus, mehr Standorte für Windräder zu prüfen.
„Ich bin der Auffassung, dass man in unmittelbarer Nähe zu oder in vorhandenen Industriestandorten in Übereinstimmung mit der Bevölkerung zusätzliche Windräder bauen sollte. Das ist in anderen Ländern Europas üblich, in Deutschland nicht.“ Der Ertrag müsse dies aber rechtfertigen. Das Festhalten der Bundesregierung an den Abschaltplänen für die verbleibenden Kernkraftwerke bezeichnete Mayer indessen als "katastrophalen Fehler".
Erstmeldung: München - Der Konflikt in der Ukraine tobt weiterhin mit aller Härte. Russische Truppen konzentrieren ihre Angriffe auf den Osten des Nachbarlandes. Diese Karte zeigt, wo der Ukraine-Krieg wütet. Zusammenstöße mit ukrainischen Verteidigern intensivieren sich in den teilweise von pro-russischen Separatisten besetzten Oblasts Luhansk und Donezk. Zudem kam es zu Raketenangriffen auf Kiew während dem Besuch von UN-Chef António Guterres.
Die deutsche Politik befasst sich indes mit den (möglichen Folgen) des Ukraine-Kriegs. Die Energie-Versorgungssicherheit, die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas, die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine und die Gefahr eines möglichen Atomschlags durch Russland sind nur einige der Diskussionsthemen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde in einem am Freitag veröffentlichten Gastbeitrag für die Welt hingegen grundsätzlich: Er pries den Wert der Demokratie.
„Sein Krieg richtet sich gegen alles, was Demokratie ausmacht: Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Selbstbestimmung, Menschenwürde“, warf Scholz dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor. Putin verfolgte nicht nur das Ziel, die Ukraine zu zerstören.
Dagegen stünden die demokratischen Länder der Welt allerdings so geschlossen zusammen wie selten zuvor, betonte Scholz und verwies auf bereits getroffene Maßnahmen: „Gemeinsam unterstützen wir die Ukraine, gemeinsam haben wir härteste Sanktionen gegen die russischen Aggressoren verhängt, gemeinsam stärken wir unsere Verteidigung.“ Nach Scholz zeigt dies, was Demokratien verbindet: „Die Überzeugung, dass Recht der Macht Grenzen setzen muss.“
In autokratischen Staaten hingegen sei das Gegenteil der Fall: „Sie stellen die Macht über das Recht, und genau darin liegt ihre größte Schwäche.“ Eine nicht an Recht gebundene Macht, sei „anfällig für Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch“, unterstrich Scholz in seinem Beitrag. Der Bundeskanzler ist überzeugt: „Nur die Demokratie ist geeignet, die Probleme des 21. Jahrhunderts in den Griff zu bekommen. Ihr gehört die Zukunft!“
Gegen Waffenlieferungen sprachen sich allerdings nun mehrere Prominente aus, darunter die Feministin Alice Schwarzer, der Schriftsteller Martin Walser und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. Ihre Position begründen sie mit der Gefahr eines neuen Weltkriegs. In einem offenen Brief wandten sie sich an Bundeskanzler Scholz.
Kreml-Chef Putin dürfe kein Motiv für eine Ausweitung des Krieges auf die Nato geliefert werden, schreiben die Unterzeichner in dem Brief, den die Zeitschrift Emma veröffentlichte. Zu den 28 Erstunterzeichnern gehören auch der Autor Alexander Kluge, der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, der Sänger Reinhard Mey, die Kabarettisten Gerhard Polt und Dieter Nuhr, die Schauspieler Lars Eidinger und Edgar Selge und die Schriftstellerin Juli Zeh.
Anders als viele Kritiker, die Scholz eine zaudernde Haltung vorwerfen, bekunden die Unterzeichner des Briefes ihre Unterstützung dafür, dass der Bundeskanzler bisher alles getan habe, um eine Ausweitung des Ukraine-Kriegs zum Dritten Weltkrieg zu vermeiden. „Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können“, heißt es in dem Brief.
Die Unterzeichner betonen, dass Putin mit dem Angriff auf die Ukraine das Völkerrecht gebrochen habe. Dies rechtfertige aber nicht, das „Risiko der Eskalation dieses Krieges zu einem atomaren Konflikt in Kauf zu nehmen“. Die Lieferung großer Mengen schwerer Waffen könnte Deutschland selbst zur Kriegspartei machen. „Ein russischer Gegenschlag könnte sodann den Beistandsfall nach dem Nato-Vertrag und damit die unmittelbare Gefahr eines Weltkriegs auslösen“, heißt es in dem Brief.
„Dazu steht selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor in einem unerträglichen Missverhältnis. Wir warnen vor einem zweifachen Irrtum: Zum einen, dass die Verantwortung für die Gefahr einer Eskalation zum atomaren Konflikt allein den ursprünglichen Aggressor angehe und nicht auch diejenigen, die ihm sehenden Auges ein Motiv zu einem gegebenenfalls verbrecherischen Handeln liefern.“
Eine zweite „Grenzlinie“ sei das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung. Die Verfasser schienen am Sinn weiteren Widerstands gegen Russland zu zweifeln, äußerten dies allerdings eher verklausuliert: „Die Entscheidung über die moralische Verantwortbarkeit der weiteren ‚Kosten‘ an Menschenleben unter der ukrainischen Zivilbevölkerung“ falle nicht ausschließlich in die Zuständigkeit der Regierung in Kiew: „Moralisch verbindliche Normen sind universaler Natur.“
Die vom Bundestag nun offiziell unterstützte Lieferung schwerer Waffen erntet unterdessen allerdings offenbar weitgehend Zustimmung von der Bevölkerung. Mehr als die Hälfte der Bürger unterstützt laut einer Umfrage die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine. 56 Prozent der Befragten finden die Lieferung etwa von Panzern richtig, 39 Prozent sprechen sich dagegen aus, wie aus dem ZDF-„Politbarometer“ der Forschungsgruppe Wahlen hervorgeht. (bb mit Material von dpa/AFP)