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Historische Wahl in Nordirland: Erstmals Sinn Fein-Partei stärkste Kraft - Johnson unter Druck

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Nach der Parlamentswahl in Nordirland bahnt sich ein Machtwechsel ein. Die Sinn Fein-Partei wird stärkste Kraft. Sie unterstützt die Einheit mit der Republik Irland. Boris Johnson steht damit unter Druck.

Belfast - Nach Auszählung der meisten Stimmen am Samstagabend (7. Mai) stand fest: Nordirland erlebt nach der Parlamentswahl einen historischen Machtwechsel. Erstmals hat die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein die meisten Stimmen bekommen. Sie bekommt voraussichtlich mindestens 27 der 90 Sitze.

Das Besondere: Die Sinn Fein-Partei setzt sich für die Loslösung des Landesteils von Großbritannien und eine Vereinigung mit der Republik Irland ein. Dies gilt als symbolischer Wendepunkt in der Geschichte der vor gut 100 Jahren gegründeten Provinz.

Historische Wahl in Nordirland: Sinn Fein-Partei stärkste Kraft - „bedeutsamer Tag des Wandels“

Bislang war in Nordirland die protestantisch-unionistische DUP, die stärkste Kraft des Landes. Bei der Parlamentswahl musste die Partei schwere Verluste hinnehmen. Damit stellt den First Minister nun keine Partei mehr, die eine Beibehaltung der Union mit Großbritannien befürwortet.

Das Recht auf den Posten der Regierungschefin steht nach der Wahl Sinn-Fein-Spitzenkandidatin Michelle O‘Neill zu. „Heute ist ein sehr bedeutsamer Tag des Wandels“, sagte O‘Neill in einer Ansprache. Sie fügte hinzu: „Heute beginnt eine neue Ära, die uns allen die Möglichkeit gibt, Beziehungen in der Gesellschaft neu zu definieren auf der Grundlage von Fairness, Gleichbehandlung sowie von sozialer Gerechtigkeit unabhängig vom sozialen Hintergrund“, so die Spitzenkandidatin der Sinn Fein-Partei, die einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA galt.

O‘Neill rief die anderen Parteien zur Kooperation auf, um eine Regierung zu bilden. Dies könnte sich aber als zäh erweisen.

Nordirland gehört zu Großbritannien. Die Sinn Fein-Partei setzt sich für eine Einheit mit der Republik Irland ein.
Nordirland gehört zu Großbritannien. Die Sinn Fein-Partei setzt sich für eine Einheit mit der Republik Irland ein. © P. Massow/J. Schneider/dpa

Historische Wahl in Nordirland: Die Regierungsbildung könnte schwer werden - Druck auf Johnson

Die Regierungsbildung in Nordirland ist klar geregelt. Dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 zufolge müssen sich die jeweils größten Parteien aus beiden konfessionellen Lagern in der ehemaligen Bürgerkriegsregion auf eine Zusammenarbeit in einer Einheitsregierung einigen.

Erstmals ist nach der Parlamentswahl in Nordirland mit der Sinn Fein-Partei eine Partei stärkste Kraft, die die Einheit Irlands unterstützt.
Erstmals ist nach der Parlamentswahl in Nordirland mit der Sinn Fein-Partei eine Partei stärkste Kraft, die die Einheit Irlands unterstützt. © Paul Faith/AFP

Die größte protestantisch-unionistische Partei DUP (Democratic Unionist Party) kündigte jedoch bereits an, einer Regierung aus Protest gegen den Brexit-Sonderstatus von Nordirland nicht beitreten zu wollen. Sie erhöhte unterdessen den Druck auf den britischen Premierminister, den Brexit-Vertrag zu brechen. „Boris Johnson hat jetzt die Wahl: entweder das Karfreitagsabkommen oder das Nordirland-Protokoll“, sagte der frühere DUP-Fraktionschef im britischen Parlament, Nigel Dodds, der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Sollte Johnson das Protokoll nicht aufkündigen, werde sich seine Partei nicht an einer Einheitsregierung beteiligen, so Dodds weiter.

Das Nordirland-Protokoll

Das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags sieht einen Sonderstatus für die Provinz vor, um Kontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland zu vermeiden. Dafür müssen nun aber Waren kontrolliert werden, wenn sie von England, Schottland oder Wales nach Nordirland gebracht werden. Die DUP befürchtet, das könnte der erste Schritt zu einer Loslösung Nordirlands von Großbritannien sein.

Boris Johnson hatte die Vereinbarung mit Brüssel gegen den Willen der DUP getroffen, inzwischen aber immer wieder damit gedroht, sie platzen zu lassen. Sollte das geschehen, wäre mit einer deutlichen Reaktion aus Brüssel zu rechnen.

Im Wahlkampf spielte das Thema irische Einheit nur eine untergeordnete Rolle. Sinn Fein konzentrierte sich stattdessen auf soziale Themen. O‘Neill kündigte an, sie wolle sich auch als künftige Regierungschefin vorwiegend diesen Themen widmen. Gleichzeitig rief sie zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Einheit Irlands auf. „Lasst uns alle an einem gemeinsamen Plan arbeiten“, so O‘Neill. Neben der lokalen Wahl steht Boris Johnson aktuell vor allem aufgrund der „Partygate“-Affäre unter Druck. (chd/dpa)

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