NRW-SPD schießt gegen Landesregierung: „Achtung: Kopfschmerz-Potenzial“

Der Wahlkampf zur Landtagswahl in NRW läuft auf Hochtouren. Die SPD wirft der Landesregierung aus CDU und FDP Versagen in vielen Bereichen vor.
Düsseldorf – Rund zwei Monate vor der Landtagswahl in NRW hat die SPD der Landesregierung aus CDU und FDP eine vernichtende Bilanz ausgestellt. In mehreren Ressorts, unter anderem in der Schulpolitik, beim verheerenden Hochwasser im vergangenen Juli und bei erneuerbaren Energien, werfen die Sozialdemokraten der schwarz-gelben Koalition Versagen vor.
Windkraft in NRW: SPD und Grüne wollen Landesregierung vorführen
Beim versprochenen Ausbau der Windkraft wollen SPD und Grüne die Landesregierung im NRW-Landtag sozusagen zum Schwur zwingen. Am Mittwoch steht dort ein gemeinsamer Gesetzentwurf beider Oppositionsfraktionen zur Abstimmung, der einen kompletten Wegfall der 1000 Meter Mindestabstände zwischen neuen Windenergieanlagen und der Wohnbebauung zum Ziel hat.
Die CDU/FDP-Koalition könne dann beweisen, ob sie es mit dem Ausbau erneuerbarer Energien – die in deren Kreisen neuerdings sogar als „Freiheitsenergien“ tituliert würden – ernst meine, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, Sarah Philipp, am Montag in Düsseldorf. Tatsächlich seien 2020 nur 91 Windkraftanlagen in NRW errichtet worden, während es im Jahr des Regierungswechsels, 2017, noch 323 neue gewesen seien.
SPD über CDU/FDP: Vernichtende Bilanz in mehreren Ressorts
Doch die Windkraft war nur der Anfang. Auf einem überdimensionalen schwarz-gelben Faltblatt unter dem Titel „Achtung: Kopfschmerz-Potenzial“ zog die SPD quer durch alle Ressorts eine vernichtende Bilanz, „wie Schwarz-Gelb Nordrhein-Westfalen seit 2017 schwindelig regiert hat“. Philipp und SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty präsentierten unter anderem folgende Beispiele und Zahlen:
- Stau: „Mehr Bewegung, weniger Stau“, sei 2017 ein herausragendes Wahlkampfversprechen der CDU gewesen. Die Bilanz sei aber: 143.000 Stau-Stunden 2017 und – im letzten vor Corona vergleichbaren Autofahrerjahr – 2019 eine Steigerung auf 171.000 Stau-Stunden.
- Schule: 3,3 Millionen ausgefallene Unterrichtsstunden im Schuljahr 2018/19, aber völlig unzureichende Gegenmaßnahmen. Laut einer Vorlage für den Haushaltsausschuss des Landtags seien zu Jahresbeginn in NRW über 8100 Stellen für Lehrkräfte, Schulverwaltungsassistenzen und Schulpsychologen unbesetzt gewesen. In der Pandemie sei bei den Schulen mit ständig wechselnden, kurzfristigen Vorgaben Chaos erzeugt worden.
- Corona: Aus dem 25 Milliarden Euro umfassenden Rettungsschirm seien bis Ende Januar erst 8,7 Milliarden Euro abgerufen worden, kritisierte Kutschaty. In vielen Fällen habe Bürokratie schnelle Hilfe für Bürger, Unternehmen und Verbände verhindert. Stattdessen habe die Landesregierung sich aus dem Rettungsschirm selbst bedient, um Haushaltslöcher zu stopfen und eine reguläre Neuverschuldung zu verschleiern. Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) habe indes als „Schweigeminister“ Profil vermissen lassen, bemängelte die SPD unter der Überschrift „Lutz – wer?“.
- Hochwasser: Beim Jahrhundert-Hochwasser im Juli 2021 habe sich die Landesregierung überfordert gezeigt, resümierte Kutschaty. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sei „statt im Krisenmodus im Urlaubsmodus“ gewesen. Wer meine, das Land aus dem Homeoffice auf Mallorca regieren zu können, während Hochwasser-Opfer zu Hause vor den Trümmern ihrer Existenz im Schlamm stünden, habe jedes Gespür für die Realität verloren, kritisierte Philipp.
- Armut: Mit einer Armutsquote von 17,4 Prozent liege NRW über dem Bundesdurchschnitt von 16,1 Prozent, moniert die SPD. Sie will Armutsbekämpfung zu einem Schwerpunkt ihres Landtagswahlkampfes machen und ihre politischen Antworten zu allen Themen am 29. März im Landtag vorstellen.
- Koalition: Aus SPD-Sicht hat die CDU/FDP-Koalition von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ausgedient. „Im Fußball mag Schwarz-Gelb echte Liebe sein“, sagte Kutschaty in Anspielung auf die Farben von Borussia Dortmund. Unter den Koalitionspartnern wachse in der Krise hingegen „echte Abneigung“.
Landtagswahl NRW 2022: Kutschaty wünscht sich Ampel-Koalition für NRW
SPD wirft Landesregierung Versagen bei Schulpolitik vor
Hinsichtlich der Schulvorwürfe hat Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) dagegen kürzlich eine andere Bilanz aufgemacht: Demnach hat die Landesregierung seit 2017 knapp 10.000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen und mehr als 6300 Stellen erhalten, die die rot-grüne Vorgängerregierung zur Streichung vorgesehen hatte. Im laufenden Schuljahr unterrichteten 13.300 Lehrkräfte mehr an den öffentlichen Schulen des Landes als noch im Schuljahr 2016/17, so Gebauer.
Die SPD und Thomas Kutschaty haben auch schon erste Andeutungen hinsichtlich möglicher Koalitionspartner für die Sozialdemokraten in NRW gemacht. Kutschaty betonte, dass er nach der Landtagswahl am 15. Mai mit allen demokratischen Parteien reden wolle, ließ aber Vorlieben erkennen. Die Ampel in Berlin sei sehr gut gestartet, meinte der SPD-Spitzenkandidat. „Union und Linke sind nicht unsere Traum-Koalitionspartner.“ (bs/dpa/lnw) Mehr News auf der 24RHEIN-Homepage. Tipp: Täglich informiert, was in NRW passiert – einfach unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.