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Serbien-Präsident attackiert Scholz auf gemeinsamer PK: „Wenn Sie glauben, dass Sie uns drohen müssen“

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Von: Patrick Mayer

Trafen sich im Umfeld des Russland-Ukraine-Kriegs: der serbische Präsident Aleksandar Vucic (li.) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Spannungen während der PK: der serbische Präsident Aleksandar Vucic (li.) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). © IMAGO / Christian Spicker

Kanzler Olaf Scholz wirbt bei seiner Balkan-Reise auf eine Ende des Konflikts zwischen Serbien und dem Kosovo. Pristina kündigt einen Beitrittsantrag in die EU an.

Update vom 10. Juni, 19 Uhr: Olaf Scholz setzt sich für ein Ende des Serbien-Kosovo-Konflikts ein - befeuert mit seinem Besuch in Belgrad aber nur die Spannungen. Mit Äußerungen zur Anerkennung des Kosovo sorgte der Kanzler für Empörung. „Damit Sie es verstehen können“, sagte der serbische Präsident Aleksandar Vucic in Richtung Scholz. „Wir reagieren nicht auf diese Art und Weise auf Druck, wobei uns jemand droht und dann muss man etwas machen“. Aus der EU habe er „heute erstmals gehört, dass eine gegenseitige Anerkennung gefordert ist“.

Vor seinem Belgrad-Besuch machte Scholz einen Abstecher nach Pristina, die Hauptstadt Kosovos. Dabei sagte der SPD-Politiker zu den Bemühungen des Kosovos und Serbiens um einen EU-Beitritt: „Ein Abkommen muss am Ende auch die Frage der Anerkennung Kosovos klären; denn es ist nicht vorstellbar, dass zwei Länder, die sich gegenseitig nicht anerkennen, Mitglieder der EU werden.“ (siehe Erstmeldung).

Auf die Empörung Vucics reagierte Scholz in der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem serbischen Präsidenten gelassen. Er habe „etwas gesagt, was offensichtlich ist. Vielleicht hilft das ja.“ Scholz betonte, sein Ziel sei es, dass der Beitritt der Westbalkanstaaten gelinge. „Nicht nur in ganz ferner Zukunft, sondern so schnell wie möglich.“ Es wäre „sehr gut, wenn das mit großem Mut vorangetrieben wird“.

Serbien, dass das Kosovo als abtrünnige Provinz betrachtet, wolle „auch die territoriale Integrität“ wie die Ukraine, sagte Vucic. „Trotzdem sind wir bereit, über Kompromisslösungen zu reden.“ Serbien habe den Dialog „nie aufgegeben“. „Wenn Sie glauben, dass Sie uns drohen müssen ... wir haben nichts dagegen. Machen Sie Ihre Arbeit, wir machen unsere.“

Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo ist seit Jahren ungelöst und behindert die EU-Beitrittsperspektiven beider Balkan-Staaten. Die Regierung in Belgrad erkennt die ehemalige südserbische Provinz Kosovo nicht als eigenständigen Staat an.

Olaf Scholz in Belgrad
Bundeskanzler Olaf Scholz wird in Belgras vom serbischen Präsidenten Aleksander Vucic (r) empfangen. © Michael Kappeler/dpa

Nach Scholz-Besuch: Kosovo drängt in die EU – trotz Konflikt mit Serbien

Erstmeldung vom 10. Juni, 14.30 Uhr: München/Pristina - Am Südrand Serbiens liegt, eingebettet zwischen Montenegro, Albanien und Nordmazedonien, der kleine Staat Kosovo. 1,9 Millionen Einwohner leben hier, zumeist albanischer Herkunft. Von Belgrad wird der Kosovo inmitten des Westbalkans nicht anerkannt. Mit einer Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 hatte sich die ehemalige Teilregion von der Republik Serbien losgesagt. International wird das anerkannt, von der Regierung in Belgrad jedoch nicht.

Olaf Scholz auf dem Balkan: Bundeskanzler wirbt um EU-Beitritt des Kosovo

Und so rückt seit Wochen in Zeiten des Russland-Ukraine-Kriegs der teils bis heute verstrittene Westbalkan wieder in den Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang ist auch die geplante Serbien-Reise des russischen Außenministers Sergej Lawrow zu sehen, die die Europäische Union (EU) per Flugverbot über Territorium ihres Bündnisses verhindert hatte. Belgrad gilt bis heute als enger Partner Moskaus, auch nach dem russischen Überfall auf die Ukraine.

Kosovo und Serbien müssen mit einem umfassenden nachhaltigen Abkommen eine politische Lösung finden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

In dieser Gemengelage wirbt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Nachdruck um einen Beitritt beider Länder in die Europäische Union (EU). Aber nur, sollten diese ihren bis heute schwelenden Konflikt beilegen. Anfang Mai hatte Scholz den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić nach Berlin eingeladen, ebenso den kosovarischen Premierminister Albin Kurti.

Knapp einen Monat später reiste der Hanseate nun zu Kurti nach Pristina. In Zeiten wie diesen werde der Wert von Frieden und Sicherheit noch einmal besonders deutlich, erklärte der deutsche Regierungschef auf einer Pressekonferenz: „Und ein sehr gewichtiger Grund mehr, dass Kosovo und Serbien mit einem umfassenden nachhaltigen Abkommen eine politische Lösung finden.“

Olaf Scholz: EU-Beitritt nur bei Einigung zwischen Serbien und Kosovo

Klar sei, dass ein Abkommen am Ende auch die Frage einer Anerkennung Kosovos durch Serbien klären müsse, meinte Scholz: „Denn es ist nicht vorstellbar, dass zwei Länder, die sich gegenseitig nicht anerkennen, Mitglieder der EU werden. Alle müssen aufeinander zugehen, so schwer es manchmal fällt.“

Bisher galt der Kosovo als potenzieller Bewerber um eine Teilhabe an der EU. Jetzt kündigte Kurti im Beisein Scholz‘ einen baldigen Antrag auf Beitritt in die europäische Staatengemeinschaft an. „Wir planen in diesem Jahr, uns für den Kandidaten-Status für die Europäische Union zu bewerben“, sagte der kosovarische Ministerpräsident.

Im Video: Kompakt - Die wichtigsten News zum Russland-Ukraine-Krieg

Man unterstütze auch die angestrebte Mitgliedschaft der Ukraine, die von einer „absurden Invasion“ Russlands betroffen sei, meinte Kurti weiter. Wegen der aggressiven geopolitischen Haltung Russlands hatten zuletzt auch Moldawien und Georgien Beitrittsgespräche mit Brüssel angekündigt. „Wichtig für Kosovo ist, dass der EU-geführte Dialog zwischen Kosovo und Serbien vorankommt“, erklärte Scholz mit Blick auf den Westbalkan: „Kosovo und Serbien müssten „eine politische Lösung finden, die auch zur regionalen Stabilität beiträgt“.

Westbalkan im Russland-Ukraine-Krieg: Fragile Lage in Bosnien und Herzegowina

Insbesondere in Bosnien und Herzegowina ist die politische Lage bis heute fragil. So hat das Land drei verschiedene Präsidenten. Besonders die Republika Srpska macht dem Westen Sorgen. Milorad Dodik, der serbische Vertreter in der dreiköpfigen Präsidentschaft Bosnien-Herzegowinasgilt als enger Verbündeter des Kreml. Unter anderem die USA werfen Moskau vor, Abspaltungsbestrebungen der bosnischen Serben zu unterstützen. Auch um Bosnien wirbt die EU deshalb, während es mit dem Kosovo jetzt deutlich schneller gehen soll. (pm)

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