Seenotrettung in Gefahr: Italien setzt Schiff fest, libysche Küstenwache feuert Schüsse ab

Seenotretter im Mittelmeer geraten bei ihren Einsätzen zunehmend unter Druck. Zuletzt kam es erneut zu zwei Vorfällen mit Rettungsschiffen.
Frankfurt/Lampedusa – Bei Bootsunglücken auf dem Mittelmeer sind am Wochenende erneut mehrere Menschen ums Leben gekommen. Wie die tunesische Küstenwache am Sonntag bekannt gab, ertranken 29 Menschen aus Ländern der Subsahara. Elf „illegale Migranten“ konnten gerettet werden.
In der letzten Woche versuchten immer mehr Menschen das Mittelmeer in Richtung EU-Grenze zu überqueren – viele der Versuche endeten tödlich. Für die Rettung der in Seenot geratenen Menschen sind vor allem NGOs verantwortlich, die auf eigene Faust im Mittelmeer helfen. Doch den Organisationen wird der Einsatz immer mehr erschwert.
Seenotretter nach Rettungseinsatz auf Lampedusa festgesetzt: „Das ist inakzeptabel“
So wird seit Samstag das Schiff „Louise Michel“ am Hafen der italienischen Insel Lampedusa festgehalten. Die Besatzung des unter deutscher Flagge fahrenden Schiffes hatte zuvor 180 Menschen von mehreren Booten gerettet. „Wir wissen, dass in diesem Moment Dutzende von Booten direkt vor der Insel in Seenot geraten sind, aber wir werden daran gehindert zu helfen. Das ist inakzeptabel!“, schrieb die Besatzung der „Louise Michel“ am Sonntag auf Twitter.
Die italienische Küstenwache bestätigte die Festsetzung des Rettungsschiffs. Nach einer ersten Rettungsaktion in libyschen Gewässern sei der „Louise Michel“ der Hafen der sizilianischen Stadt Trapani zugewiesen worden, hieß es in einer Erklärung der Behörde. Nach Angaben der Küstenwache sollte durch die Anordnung verhindert werden, dass an Bord des Schiffs eine „so große Anzahl an Menschen gelangen könnte, dass diese die Sicherheit des Schiffs und der darauf befindlichen Menschen bedroht“. Die Besatzung habe jedoch gegen die Anordnung der Küstenwache verstoßen, „indem sie auf drei andere Migrantenboote zusteuerte“.
Italien geht gegen Seenotretter vor: „Louise Michel“ wird 20 Tage festgehalten
Am Montag verkündete die Crew der „Louise Michel“ auf Twitter, dass das Schiff für insgesamt 20 Tage auf Lampedusa festgehalten werde. Als Grundlage für die Entscheidung dient ein neues Gesetzesdekret der italienischen Regierung. Es verpflichtet Seenotretter dazu, jeweils nur eine Rettungsaktion pro Einsatz auszuführen. Kritikern zufolge erhöht dies die Gefahr tödlicher Unglücke im Mittelmeer.
„Wir werden alle notwendigen Schritte unternehmen, um diese Inhaftierung zu bekämpfen. Einziges Ziel des Gesetzesdekrets ist die Blockade von Rettungsschiffen, unter wissentlicher Inkaufnahme des Todes von Menschen auf der Fahrt“, schrieb die Crew weiter. Die knapp 30 Meter lange „Louise Michel“ wurde unter anderem von dem britischen Streetart-Künstler Banksy finanziert.
Vorfall im Mittelmeer: Um NGO-Schiff zu verjagen – Libysche Küstenwache eröffnet das Feuer
Bereits am Freitag war es zu einem weiteren Vorfall vor der Küste von Libyen gekommen. Wie die NGO „SOS Mediterranee“ mitteilte, wurde das Rettungsschiff „Ocean Viking“ auf dem Weg zu einem Boot in Seenot von der libyschen Küstenwache abgefangen. „Alle Versuche des Teams auf der Brücke, das Schiff der libyschen Küstenwache über Funk zu kontaktieren, blieben unbeantwortet, während die Besatzung des Patrouillenschiffs der libyschen Küstenwache anfing, sich aggressiv zu verhalten, mit Waffen zu drohen und Schüsse in die Luft abzugeben“, schrieb „SOS Mediterranee“ auf seiner Website. Ein Video von dem Vorfall teilte die NGO Sea-Watch International auf Twitter.
„Da die Sicherheit der Besatzung bedroht war, fuhr die Ocean Viking mit voller Geschwindigkeit vom Tatort weg, während die libysche Küstenwache weiter Schüsse abgab“, hieß es in der Erklärung weiter. Die in Seenot geratenen Menschen seien anschließend von der Küstenwache zurück aufs libysche Festland gebracht worden.
Es sei bereits das zweite Mal in diesem Jahr gewesen, dass die libysche Küstenwache eine Rettungsaktion der Organisation aktiv behindert habe. „SOS Mediteranee verurteilt diese Eskalation der Gewalt und die vorsätzliche Gefährdung der Sicherheit unserer Besatzung und der Schiffbrüchigen im zentralen Mittelmeer durch die von der EU geförderte libysche Küstenwache“, schrieb die NGO zum Abschluss der Stellungnahme. (fd mit AFP)