Warum ich Ihnen das erzähle? Weil durch Corona, die Folgen des Klimawandels und den Ukraine-Krieg die Stroh-Paneele über Nacht in Europa ein Baustoff erster Wahl geworden sind.
► Gips etwa, unerlässlich für Innenausbau, entsteht unter anderem als Nebenprodukt in Entschwefelungsanlagen von Kohlekraftwerken, deren Abschaltung die Politik immer weiter vorzieht.
► Baustoffe wie Zement, Sand, Kies und Holz sind ebenfalls im Preis gestiegen und in der Verfügbarkeit begrenzt, zumal es auch hier zu Hamsterkäufen durch Unternehmen kommt.
Demgegenüber bilden die rund 30 Millionen Tonnen Stroh, die nach Angaben des Umweltbundesamtes jährlich in Deutschland anfallen, ein unerschlossenes Potential. Ein Drittel davon ist für den Bau von Paneelen verwendbar und würde die unvorstellbare Menge von 400 Millionen Quadratmetern dieser Elemente ergeben. Es ist kein Wunder, dass Eckardt Dauck 2023 auch in Deutschland produzieren will.
Interessant ist, dass in unserer von Schlagworten wie Disruption und Digitalisierung geprägten Welt dieses bodenständige Verfahren eine Wiedergeburt erlebt. Es gibt uns Zuversicht und kommt aus einer Vergangenheit, in der Achtsamkeit kein Gebot in einer Welt des Überflusses war, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit. Mit solchen Paneelen wurde in Europa seit den 30er Jahren gebaut.
Allein in England ist der Baustoff bei etwa 250.000 Häusern in Dachkonstruktionen oder im Trockenbau verwendet worden. Das Verfahren sei auch nach englischem Standard zertifiziert worden, erklärt Dauck. Das habe ihm in Uganda bei der offiziellen Anerkennung seines Verfahrens geholfen. Gern führt der Unternehmer auch die 1958 in Essen errichtete "Grugahalle" an, die mittlerweile unter Denkmalsschutz steht. Im Dach seien 7500 Quadratmeter Stroh-Paneele verbaut.
Unser Gastautor Peter Pauls ist Vorsitzender des Kölner Presseclubs. Zuvor war er lange Jahre Chefredakteur der Tageszeitung Kölner Stadt-Anzeiger. Dieser Beitrag stammt aus dem Newsletter des Kölner Presseclub, den Sie hier abonnieren können.
Es gibt übrigens eine starke Kölner Komponente in dieser Geschichte, die etwas Freundliches hat, denn der Wandel kommt buchstäblich natürlich und organisch daher. Das Hilfswerk Malteser International, dessen Zentrale in Köln, Stadtteil Deutz liegt, hat als Pionier früh schon auf die Reisstroh-Methode gesetzt. Die international tätige Organisation gab mehrere Stroh-Gebäude bei Daucks Firma in Auftrag, was dieser Vorzeigeprojekte verschaffte und den Maltesern Gebäude, die frei von CO2 hergestellt sind.
Der 62-jährige Dauck will die Welt ein klein wenig zum Guten verändern. Er ist ein "Social Impact-Investor", wie es in der Fachsprache heißt. Eine große Rolle haben seine Kinder gespielt, sagt er. Worin denn seine Lebensleistung bestünde, was er durch seine Arbeit in der Welt verändert habe, hätten sie ihn gefragt und dadurch nachdenklich gemacht. Der materielle Gewinn stehe für ihn nicht im Vordergrund, sagt Dauck. "Sonst wäre ich nicht hier." Nachdem ich einige Tage mit ihm verbrachte, glaubte ich ihm das aufs Wort.
Was für uns in Europa einfach klingt, ist in Afrika schwer umzusetzen. Widerpart für Eckardt Dauck sind die Umstände und das Gewohnte, die trügerische Verfügbarkeit von illegal geschlagenem Brennholz, mit dem aus illegal abgegrabenem Lehm illegal Ziegel gebrannt werden. Unmittelbar bezahlt niemand dafür, doch zunehmend wird das Land dadurch verwüstet. Es ist eine Rechnung, die erst in der Zukunft beglichen werden wird.
Wären die Umstände andere, würden die Menschen sich um Häuser aus Stroh-Paneelen reißen, statt die eigene Umwelt zu zerstören, was sie kurzfristig billiger und ihre Kinder langfristig teuer zu stehen kommt. Hier treffen Nord und Süd aufeinander. Weltweit besteht die Tendenz, Kinder und Kindeskinder die Klimasuppe auslöffeln zu lassen, die ihnen die Eltern eingebrockt haben. Die Kunst sei, sich nicht entmutigen zu lassen, sagt Eckardt Dauck nach zehn Jahren Afrika, die ihm engelsgleiche Geduld abverlangten. Das von mir eingangs erwähnte Rumpelstilzchen, das am eigenen Wutanfall zugrunde ging, hätte hier keine Chance.
Auch dieser Gedanke birgt einen Verweis auf die aktuelle Lage. Mir sind beherrschte PolitikerInnen lieber als solche, die aus dem Affekt heraus handeln. Wie immer sie heißen und welcher Partei sie angehören mögen. (pp/IDZRW)