Tote vor Katar-WM: Bauindustrie weist Mitschuld zurück
Todesfälle und Sklaverei: Kurz vor dem WM-Start tobt die Debatte um Ausbeutung in Katar. Deutsche Baufirmen halten dies für übertrieben. Amnesty ist entsetzt.
Katar – Körperlich schwere Aufgaben in der Hitze, schlechte hygienische Bedingungen und ausbleibende Lohnauszahlung – wenige Tage vor der Fußball-WM tobt weiterhin die Diskussion um die Arbeitsbedingungen für die Gastarbeiter in Katar. Beim Bau der WM-Stadien kam es zu massiven Menschenrechtsverletzungen, doch die Kritik daran stößt bei der Deutschen Bauindustrie auf Unverständnis. Schließlich seien die Arbeitsunterkünfte der Mitarbeiter in Katar regelmäßig inspiziert und von unabhängigen Beobachtern mehrfach als vorbildlich erwähnt worden, sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, zu kreiszeitung.de. Werden die Vorfälle in Katar also überdramatisiert? Amnesty International hat weiterhin Zweifel.
Arbeitsbedingungen in Katar: Todesfälle und Sklaverei beim Bau der WM-Stadien

Seit Jahren werden die Arbeitsbedingungen in Katar in Teilen der Politik kritisiert. In den vergangenen Wochen vor der WM in Katar häuften sich Berichte von Medien und Menschenrechtsorganisationen über die Umstände der Gastarbeiter in Katar. Besonders die Todesfälle, die im Zusammenhang mit dem Bau der WM-Stadien stehen, sorgten für Aufruhr. Seit Beginn der WM-Bauarbeiten gab es 1700 Tote, wie offizielle Zahlen der nepalesischen Regierung zugrundelegen. Tausende Arbeitsmigranten in Katar sollen versklavt und ausgebeutet worden sein, so der Vorwurf. Die Gastarbeiter in Katar lebten offenbar in zum Teil in menschenunwürdigen Unterkünften weit außerhalb der Stadt, auf engem Raum mit vielen anderen Kollegen. Derweil werden an die Nationalspieler für die WM Prämien von bis zu 50.000 Euro ausgezahlt, wie berichtete.
WM in Katar: Deutsche Bauindustrie verteidigt Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter
Trotz der Diskussion um die Arbeitsverhältnisse und Menschenrechtsverletzungen in Katar waren deutsche Unternehmen am Bau der Stadien beteiligt. Eine konkrete Zahl ist bislang nicht bekannt. Dennoch sieht die Branche den Einsatz als gerechtfertigt an. Im Zuge der Arbeitsmarktreformen in Katar im Jahr 2020 sei zum Beispiel die Verpflichtung für Arbeitsmigranten abgeschafft und ein diskriminierungsfreier Mindestlohn eingeführt worden, sagte Müller zu kreiszeitung.de und lag damit auf einer Linie mit den Machthabern in Katar, die ebenfalls zuletzt mit dieser Begründung jegliche Vorwürfe an den Missständen energisch zurückwiesen.
Müller betonte, dass die deutsche Bauindustrie Wert lege auf nachhaltiges und soziales Wirtschaften. Auch ein deutscher Subunternehmer hatte focus.de kürzlich bestätigt, dass bei der Versorgung und der Unterkunft der Arbeitsmigranten hohe Sozial- und Sicherheitsstandards eingeführt worden seien. Bei den Todesfällen soll laut dem nicht namentlich genannten Manager „maßlos übertrieben“ worden sein.
Wie viele sind in Katar bei der WM gestorben?
Häufig wurde die Zahl 6500 im Zusammenhang mit den Todesfällen der Bauarbeiter genannt. Die Zahl kam erstmals in der britischen Zeitung The Guardian vor. Allerdings wurde die Zahl fälschlicherweise in Verbindung mit „WM-Toten“ gebracht. Denn die Zeitung räumte ein, dass weder Jobs noch Arbeitgeber der verstorbenen Gastarbeiter bekannt waren. Jahrelang hat Katar zu den Todesfällen und Todesursachen der Gastarbeiter keine verlässlichen Daten erhoben und veröffentlicht. Es ist daher unklar, wie viele Gastarbeiter für die Fußball-WM in Katar wirklich gestorben sind.
Die Gewerkschaft in Deutschland steht dicht an der Seite der Arbeitgeber. Auch bei der globalen Gewerkschaftsföderation Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI) warnt man vor einer falschen Darstellung. So kritisierte BHI-Chef Dieter Schäfer, dass es für die Todesfälle der Gastarbeiter in Katar keine ordentliche Statistik gebe. Die Todesursache könnte man auch auf Hitze oder andere Gründe zurückzuführen, sagte der frühere Vize-Chef der IG Bau kürzlich zu faz.net. Laut Schäfer, der nach eigenen Angaben mit 300 Wanderarbeitern in Katar gesprochen hat, würde es den Wanderarbeitern auf den WM-Baustellen „jetzt viel besser gehen“.
Menschenrechtsorganisation Amnesty hält an Kritik der Arbeitsbedingung auf Katar-Baustellen fest
Doch bei Menschenrechtsorganisationen stößt diese Sichtweise weiterhin auf Unverständnis. Amnesty International hat bereits mehrfach wegen unhaltbarer Zustände zum Boykott der Katar-WM aufgerufen. Bereits im April 2022 hatte die Organisation die Arbeitsverhältnisse in Katar dokumentiert. Der Bericht liegt kreiszeitung.de vor. Untersucht wurden demnach die Arbeitsverhältnisse der Eingesetzten unter anderem während des WM-Aufbaus in 2022, dem FIFA Arab Club 2021 und dem Arabian Gulf Cup in Katar.
In allen Fällen hätten Betroffene unter Zwangsarbeit und Misshandlungen gelitten, heißt es. Für die exzessiven Arbeitsstunden seien die Beschäftigten nicht richtig entlohnt worden, Überstunden seien nicht bezahlt worden und die Betroffene seien zudem gefährlichen Arbeitsbedingungen wie Hitze und Erschöpfung ausgesetzt worden, schreibt Amnesty im Bericht Why FIFA and Quatar should remedy the 2022 World Cup. Hinzu seien Diskriminierungen wegen Herkunft und Sprache gekommen.
Kritik an WM in Katar: Amnesty rief mehrfach zum Boykott auf
Zwar hat Katar bereits wichtige Reformen eingeführt, doch die Realität sehe anders aus. Trotz der Reformen seien Arbeitgeber nicht gut behandelt worden, stellt Amnesty klar und fordert ein konsequentes Durchgreifen bei Gesetzesverstößen. Leider habe man noch von keinem Arbeitgeber gehört, der bestraft worden sei, weil wiederholt die Regeln missachtet habe, zitierte die Menschenrechtsorganisationen einen Experten für die Rechte von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in der Studie mit dem Titel Bestandsaufnahme 2021: Ein Jahr bis zum Anpfiff der FIFA-Weltmeisterschaft 2022. Auf ein an die FIFA adressiertes Schreiben bekam Amnesty lediglich die Antwort, dass FIFA die Arbeiter schützen und dafür Verantwortung übernehmen werde.