Türkei: Erdogan-Partei AKP startet Wahlkampf in deutschen Moscheen

Mehrere AKP-Abgeordnete schwören die Auslandstürken in Deutschland auf die Wahlen 2023 ein. Dazu dienen vor allem Moscheen der Ditib und IGMG (Milli Görüş).
Frankfurt – In mehreren deutschen Moscheen hat es am vergangenen Wochenende Veranstaltungen mit Abgeordneten der türkischen Regierungspartei AKP gegeben. Die Besuche fanden vor allem in Moscheegemeinden der Ditib und IGMG („Milli Görüş“) statt. Auch haben die Abgeordneten Büros der AKP-Lobbyorganisation „UID“ und den AKP-nahen Unternehmerverein „MÜSIAD“ besucht.
Türkei-Wahlkampf: „Wir sind muslimische Türken“
In der Ditib-Gemeinde Hemmingen hatte die Abgeordnete Tuba Varol Caliskan sich mit Funktionären der Moschee getroffen, teilte die Politikerin auf Twitter mit. „Unsere wichtigste Eigenschaft ist, dass wir muslimische Türken sind“, schreibt sie. Einen Tag vorher war Varol zu Besuch in der Ditib-Moschee in Heilbronn. Die Abgeordnete postete zudem mehrere Bilder von sich und ihren Treffen mit UID- und MÜSIAD-Funktionären am vergangenen Wochenende.
Türkei-Wahlkampf: AKP und MHP zu Besuch in Sehitlik-Moschee
In der zur Ditib gehörenden „Sehitlik Moschee“ waren am vergangenen Freitag neben dem AKP-Abgeordneten Erol Kavuncu auch der Abgeordnete Ibrahim Yurdunuseven zu Besuch – ein Mitglied der rechtsextremen MHP. Yurdunuseven teilte auf Twitter ebenfalls Bilder von seinem gemeinsamen Besuch mit der AKP-Repräsentantin für Deutschland, Meryem Göka, bei der UID in Berlin. An dem Treffen war auch der Vorsitzende der „Almanya Türk Federasyon (ATF), Ibrahim Yigit, anwesend. Die Organisation wird den rechtsradikalen „Grauen Wölfen“ zugerechnet.
Türkei-Wahlkampf: Besuch von AKP-Funktionären auch bei Milli Görüş
Die Deutschland-Repräsentantin der AKP, Meryem Göka, hatte sich in Berlin mit Führungspersönlichkeiten des Moscheeverbandes IGMG (Milli Görüş) getroffen. An dem Treffen nahm auch die Vorsitzende des Berliner UID-Frauenverbandes Hümeyra Ciftci und die stellvertretende Vorsitzende für AKP-Außenbeziehungen Tugba Isik Ercan teil.
Der AKP Abgeordnete Ismail Tamer hatte gleich auf Twitter seinen Wochenend-Besuchsplan in den AKP-nahen deutschen Moscheen und Organisationen gepostet. In Krefeld besuchte Tamer am Sonntag nach seinem Besuch der Ditib-Moschee gleich die IGMG-Moschee und unter anderem zwei Büros der UID.
Türkei-Wahlkampf: Besuch von AKP-Abgeordneten auch bei UID
Die AKP-Abgeordnete Betül Sayan hat neben den Ditib-Moscheen in Maulbronn und Rastatt ebenfalls UID-Büros bei ihrem Deutschlandbesuch am vergangenen Wochenende besucht. Auch war Kaya zu Besuch in dem AKP-nahen Unternehmerverein MÜSIAD. „Dass unsere Geschäftsleute in Europa einflussreicher und stärker werden, ist eine Ehre für uns“, schreibt Sayan auf Twitter. Ähnliche Besuche in Moscheen hat es auch in Frankreich gegeben.
Türkei:-Wahlkampf: Ditib ist nicht politisch unabhängig
Experten sind verärgert über solche Propagandaveranstaltungen. „Dass die AKP-Lobbyorganisation UID schon jetzt Wahlkampftouren für AKP-Politiker in Deutschland organisiert und freien Zugang zu Moscheegemeinden der DITIB, IGMG und ATIB bekommt, zeigt uns, was uns in der heißen Phase des Wahlkampfs in einigen Monaten bevorsteht“, sagt Eren Güvercin, Gründungsmitglied der Alhambra Gesellschaft, im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA – und fordert von der Politik und Muslimen eine klare Haltung.
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„Wenn dieses Wochenende die AKP-Abgeordnete und enge Erdogan-Vertraute wie Betül Sayan Kaya in einer DITIB-Gemeinde in Wiesloch die Gemeinde mit dem Satz ‚Wir gehen mit sicheren Schritten auf 2023 zu‘, ganz offen auf die Schicksalswahl nächstes Jahr einstimmt, dann muss die Politik und auch wir Muslime eine klare Haltung einnehmen, wenn ein DITIB-Funktionär wieder uns einlullen wollen mit den üblichen Floskeln, die DITIB sei politisch unabhängig“, sagt Güvercin.
Türkei-Wahlkampf: Ditib keine normale Religionsgemeinschaft
Empört zeigt sich auch der Vorsitzende der „Kurdischen Gemeinde Deutschland“ (KGD), Ali Ertan Toprak. Oppositionsparteien wie etwa die CHP und HDP hätten nicht im Vorfeld der Wahlen im kommenden Jahr die Möglichkeiten, in deutschen Moscheen solche Wahlkampf-Veranstaltungen durchzuführen. „So viel zur Unabhängigkeit und Neutralität der DITIB als ´Religionsgemeinschaft´ in Deutschland“, sagt Toprak.
Der KGD-Vorsitzende geht davon aus, dass diese Propagandaveranstaltungen der AKP-Regierung in den nächsten Monaten in deutschen Ditib-Moscheen stark zunehmen wird und fordert deswegen Konsequenzen. „Die Ditib darf von deutscher Politik nicht länger als eine normale Religionsgemeinschaft behandelt werden. Jede politische Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung muss beendet werden, solange Ditib von der Türkei aus gelenkt wird“, so Toprak gegenüber FR.de von IPPEN.MEDIA.
Türkei-Wahlkampf: Erdogan fordert Unterstützung von Auslandstürken
Diese zunehmenden Besuche von AKP-Abgeordneten wird es in Zukunft offenbar in Zukunft immer mehr geben. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seine Abgeordneten und auch Auslandstürken auf die anstehenden Wahlen eingeschworen. In einem Brief an die Auslandstürken fordert Erdogan Zustimmung„Ich bin mir absolut sicher, dass ihr weiterhin jede Unterstützung für unser Land geben werdet“, heißt es darin. „Wir werden so Gott will, mit euch gemeinsam eine große und starke Türkei errichten“, so Erdogan. Fragen zu den Hintergründen der AKP-Besuche wollte uns die Ditib nicht beantworten.
Türkei-Wahlkampf: 2023 jede Stimme „goldwert“
Auch der türkische Verfassungsrechtler Dr. Mustafa Yasar Demircioglu geht davon aus, dass die Besuche von AKP-Abgeordneten wegen der anstehenden Wahlen zunehmen werden. „Jede Stimme wird bei den Wahlen 2023 goldwert sein. Mit dem Besuch der AKP Abgeordneten hat die AKP auch in Deutschland den Wahlkampf eingeläutet,“ sagt Demircioglu auf Anfrage von FR.de. Demircioglu geht davon aus, dass alleine im September 10 AKP-Abgeordnete Deutschland für ahnliche Veranstaltungen besucht haben.
Türkei-Wahl: Erdogan kann sich Wahlniederlage nicht erlauben
In mehreren Umfragen sieht es für Erdogan und seine AKP schlecht aus. Das türkische Staatsoberhaupt könnte die Wahlen verlieren. Das allerdings kann er sich nicht leisten. Exiljournalisten wie Cevheri Güven oder auch Erk Acerer hatten immer wieder die Verbindung von Erdogan und seiner Regierung zur organisierten Kriminalität aufgedeckt. Während Acerer vor seinem Wohnhaus mit Faustschlägen angegriffen wurde, hat die regierungsnahe Zeitung „Sabah“ des Wohnortes von Güven samt Foto des Wohnhauses veröffentlicht. Erdogan erwarten bei einer Niederlage Prozesse wegen Korruption, Menschenrechtsverstößen und Kriegsverbrechen unter anderem in Nordsyrien. (Erkan Pehlivan)