Selenskyj will Verteidigungsminister loswerden - Parlament dementiert
Im ukrainischen Verteidigungsministerium bahnt sich ein Wechsel an. Verteidigungsminister Resnikow muss wohl für Geheimdienstchef Budanow weichen.
Update vom 6. Februar, 12.35 Uhr: Die erwarteten personellen Veränderungen im ukrainischen Verteidigungsministerium werden wohl noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. „Personelle Veränderungen im Bereich Verteidigung finden in dieser Woche nicht statt“, gab David Arachamija, der Vorsitzende der Parlamentsfraktion von Selenskyjs Partei „Diener des Volkes“, am Montagmorgen auf Telegram bekannt. Arachamija war es auch, der am Sonntag ebenfalls via Telegram die personelle Veränderung angekündigt hatte. Amtsinhaber Oleksij Resnikow soll demnach seinen Posten für Geheimdienstchef Kyrylo Budanow räumen.
Wie der 43-Jährige weiter schrieb, warte man aktuell aber auf die Ernennung eines neuen Leiters des Innenministeriums und eines Leiters des ukrainischen Sicherheitsdienstes. Der amtierende ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj und sein Stellvertreter waren im Januar bei einem Helikopterabsturz ums Leben gekommen. Seitdem wird das Ministerium von Ihor Klymenko geführt. Dieser wurde jedoch offiziell nur zum stellvertretenden Innenminister ernannt, der jedoch mit den Aufgaben des Ministers betraut ist.
Selenskyj will Verteidigungsminister loswerden - fliegt er noch heute aus dem Amt?
Erstmeldung vom 6. Februar:
Kiew – Knapp ein Jahr nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs steht in Kiew offenbar eine wichtige Personalrochade bevor. Präsident Wolodymyr Selenskyj plant wohl mit einer neuen Führung für die Landesverteidigung. Während die Kämpfe in der Ostukraine weiter andauern, soll Verteidigungsminister Oleksij Resnikow seinen Posten räumen. Das teilte David Arachamija, der Vorsitzende der Parlamentsfraktion von Selenskyjs Partei „Diener des Volkes“ am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal mit. Eine offizielle Bestätigung der Personalie stand jedoch am Montagvormittag noch aus.

Ukraine-Krieg: Selenskyj tauscht wohl Minister aus – offizielle Bestätigung steht noch aus
Resnikow war nach einer Reihe von Skandalen um Korruption und Geldverschwendung in seinem Ministerium in die Kritik geraten. Arachamija begründete die Entscheidung jedoch nicht mit den Korruptionsskandalen. Dem Verteidigungsminister selbst konnte darüber hinaus auch kein persönliches Fehlverhalten nachgewiesen werden. Wie Selenskyjs Fraktionsvorsitzender weiter verkündete, soll Resnikow einen neuen Posten im Kabinett des Präsidenten erhalten. Der Posten des Ministers für strategische Industrie sei für ihn vorgesehen.
Resnikow äußerte sich noch am Sonntagnachmittag im Rahmen einer Presskonferenz zu den Berichten. Der Verteidigungsminister verwies darauf, dass er seinen Posten erst dann räumen werde, wenn der Präsident ihn darum beten würde. „Die Entscheidung, ob jemand Verteidigungsminister wird oder nicht, wird laut Verfassung von einer Person getroffen - dem Oberbefehlshaber und Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj“, sagte Resnikow. Dieser hat sich bisher nicht geäußert.
Militärangehöriger statt Politiker? Wechsel im ukrainischen Verteidigungsministerium bahnt sich an
Den Berichten zufolge soll es jedoch bereits ein Nachfolger für den Posten des Verteidigungsministers geben. Die Wahl der ukrainischen Präsidenten soll dabei auf den bisherigen Chef des Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, gefallen sein. „In dieser Phase sollten die Sicherheitsbehörden von professionellen Sicherheitsbeamten und nicht von Politikern geleitet werden“, schrieb Arachamija.
Mit der Begründung verweist der Fraktionsvorsitzende von „Diener des Volkes“ auf die zu erwartende russische Großoffensive in den kommenden Monaten. Präsident Selenskyj betonte in der vergangenen Woche bei einer Ansprache an die Bevölkerung wiederholt, welchen Wert die Symbolik für die russische Militärführung habe. Auch deswegen rechne Kiew mit großangelegten Offensivbemühungen der russischen Armee um den 24. Februar – dem ersten Jahrestag der russischen Invasion.
Kiew erwartet russische Gegenoffensive – Kämpfe um „Festung Bachmut“ dauern an
Ein weiter Punkt für die zu erwartende russische Offensive ist die bevorstehende Lieferung von westlichen Kampfpanzern an die Ukraine. Im Frühjahr sollen die ersten Panzer von den Modellen Leopard 2 (Deutschland), Challenger 2 (Großbritannien) und Abrams (USA) im Kriegsgebiet eintreffen. Mit diesen könnte die ukrainische Armee russische Angriffe effektiver verteidigen und schneller zu Gegenstößen ansetzten. Die Militärführung in Moskau könnte deshalb die Offensive noch vor dem Eintreffen des neuen Kriegsgeräts durchführen wollen.
Aktuell konzentrieren sich die Kampfhandlungen zwischen Russland und der Ukraine vor allem auf die Kleinstadt Bachmut in der Region Donezk. Russische Truppen hatten vor wenigen Wochen bereits die naheliegende Stadt Soledar eingenommen. Selenskyj erklärte in der vergangenen Woche, dass Ukraine die „Festung Bachmut“ nicht aufgeben werde. Bachmut wird nach Einschätzung britischer Militärexperten jedoch immer mehr von russischen Truppen eingekreist. Das ging aus dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des britischen Verteidigungsministeriums am Sonntag hervor.
Geheimdienstchef könnte neuer Minister werden – 2014 kämpfe er noch selbst in der Ostukraine
Diese Entwicklungen könnten Selenskyj zu einem Tausch an der Spitze des Verteidigungsministeriums bewegt haben. Budanow trat bereits in den vergangenen Monaten immer wieder in der Öffentlichkeit auf und lies mit deutlichen Aussagen über Russlands Militär und Präsident Wladimir Putin aufhorchen. So sprach er in einem Interview mit der britischen Daily Mail vom November davon, dass die Rolle des russischen Präsidenten von mehreren Doppelgängern gespielt werden würde. Russlands militärische Führer bezeichnete er in einem Gespräch mit dem Spiegel als „Schönwetter-Generäle“.
Im Gegensatz zu Resnikow, der vor seiner politischen Karriere als Jurist gearbeitet hatte, hat Budanov einen militärischen Hintergrund. Der Geheimdienstchef hält im ukrainischen Militär den Rang eines Generalmajors inne. Budanov nahm ukrainischen Berichten zufolge nach der Eskalation des Ukraine-Konflikts im Jahr 2014 auch selbst aktiv an Kampfhandlungen in der besetzten Ostukraine teil. Im August 2020 wurde er dann zum Chef des Militärgeheimdienstes ernannt – ebenfalls von Präsident Selenskyj. Nun könnte der nächste Schritt in der Karriere anstehen. (fd mit dpa)