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Wüst-Regierung setzt sich „völlig unzureichendes“ Ziel – und scheitert daran

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Von: Maximilian Gang

Nach Einschätzung vieler war das Ziel von 34.500 Plätzen in Flüchtlingsunterkünften des Landes NRW bereits niedrig gesteckt. Erreicht wurde es dennoch nicht.

Düsseldorf – Ein Blick in das Jahr 2015: In vielen Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mussten Asylsuchende in Turnhallen untergebracht werden, weil es schlicht an Platz und Ressourcen fehlte. Solche Zustände sollten bei den aktuell wieder steigenden Zahlen an Flüchtlingen in Deutschland unbedingt verhindert werden. Doch nach der Meinung einiger Kommunen kommt die Landesregierung ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach – besonders in puncto Obdach von Geflüchteten. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gerät nach einem für viele enttäuschenden Flüchtlingsgipfel immer stärker in die Kritik.

Vorsitzender des Städtetags NRW: Notunterkünfte für Flüchtlinge „vielerorts inzwischen voll belegt“

70.000 Plätze in landeseigenen Unterkünften: So lautet die Forderung, die der Städtetag NRW im Anschluss an eine Vorstandssitzung vor wenigen Monaten stellte. Für Kommunen werde es ansonsten immer schwieriger, die geflüchteten Menschen angemessen unterzubringen, sagte Thomas Kufen, Oberbürgermeister von Essen und Vorsitzender der Vereinigung. Die Menge der Asylanträge ist in den ersten vier Monaten in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 80 Prozent angestiegen. „Auch die Notunterkünfte sind vielerorts inzwischen voll belegt“, so Kufen bereits im Februar 2023.

Flüchtlingsunterkünfte: Wüst-Ziel nur halb so hoch wie gefordert – und trotzdem nicht erreicht

„Wir erwarten vom Land mehr Tempo beim Ausbau der Plätze in den zentralen Landesunterkünften“, so der Essener Oberbürgermeister. Von 70.000 Plätzen war das selbst gesteckte Ziel der Landesregierung jedoch weit entfernt. Mit 34.500 geplanten Plätzen bis März 2023 wäre nicht einmal die Hälfte der Forderung abgedeckt. Und in der Realität klaffen Wunsch und Realität sogar noch weiter auseinander. Die Deadline ist abgelaufen – und die Regierung Wüst ist selbst an dem niedrig gesteckten Ziel gescheitert.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Rande des Flüchtlingsgipfels im Bundeskanzleramt.
Kritik an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kommt in diesen Tagen aus verschiedenen Richtungen. (Archivbild) © Xander Heinl/Photothek/Imago

Flüchtlinge in NRW: Zahlen auf Rekordniveau – doch Plätze in landeseigenen Unterkünften gering

„Seit Monaten stagniert deren Zahl bei 30.000 Plätzen“, schreibt der Essener SPD-Landrat Frank Müller auf Facebook. Dabei sei das gesetzte Ziel bereits „völlig unzureichend“ gewesen. Im Zuge der Flüchtlingswelle 2015 sei die Zahl der Plätze in Landeseinrichtungen fast dreimal so hoch gewesen – damals noch unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: „Als zum Beispiel im Jahr 2015 über 230.000 Menschen nach NRW gekommen sind, hat die damalige SPD-Landesregierung zur Abfederung des Drucks auf die Kommunen über 85.000 Plätze in eigenen Einrichtungen geschaffen“, heißt es von der nordrhein-westfälischen SPD-Fraktion.

SPD-Fraktion NRW: „Selbst dieses ambitionslose Ziel konnte die Landesregierung nicht erreichen“

Doch jetzt, wo im vergangenen Jahr mehr Menschen in das bevölkerungsreichste Bundesland gekommen sind als jemals zuvor, stünden rund 55.000 Plätze weniger zur Verfügung als in den Jahren 2015 und 2016. Stattdessen habe die Wüst-Regierung das eigene Ziel „klammheimlich einkassiert“, so Müller. „Selbst dieses ambitionslose Ziel konnte die Landesregierung nicht erreichen. Anstatt, dass die zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne) nun die Anstrengungen verstärkt, beschränkt sie sich darauf, gar kein Ziel mehr zu kommunizieren“, so die Sozialdemokraten.

Wüst-Regierung will nach Angaben von SPD-Politiker vom „eigenen Versagen ablenken“

Nun wollen Wüst und Fluchtministerin Paul nach Ansicht von Müller „vom eigenen Versagen“ ablenken – durch Mäkelei an den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels vom 10. Mai. Dort einigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder auf mehrere Maßnahmen, dazu zählen: Die Länder werden bei der Flüchtlingsfinanzierung mit insgesamt einer Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt unterstützt, die Behörden sollen zunehmend digitalisiert und einige Punkte im Asylrecht sollen verschärft werden. Viele – unter anderem auch der NRW-Ministerpräsident – fanden diese Ergebnisse insgesamt enttäuschend.

Für die SPD war der Mangel an landeseigenen Unterkünften indes nicht der einzige Kritikpunkt an der NRW-Flüchtlingspolitik. Im Zuge der Diskussion um die Finanzspritze aus dem Bundeshaushalt – rund 210 Millionen gehen zusätzlich nach NRW – befürchteten die Sozialdemokraten: Die Wüst-Regierung könnte den Kommunen Geld vorenthalten – das sei zuvor schon einmal der Fall gewesen: „Die Landesregierung hat bei der Weiterleitung der Bundesmittel klebrige Finger bewiesen“, heißt es von den Sozialdemokraten.

Flüchtlingsgipfel: Wüst-Koalitionspartner geht gegen Verschärfung des Asylrechts auf die Barrikaden

Zudem kämpft der CDU-Politiker im Nachgang des Flüchtlingsgipfels nicht nur mit Widerstand aus den Reihen der Opposition. Ausgerechnet die NRW-Fraktion der Grünen – Koalitionspartner im Kabinett Wüst II – gingen vor wenigen Tagen gegen die Planungen zur Verschärfung des Asylrechts auf die Barrikaden. Auch der Flüchtlingsrat NRW äußerte sich kritisch. Diese war einer der wenigen Punkte, die der NRW-Ministerpräsident nach dem Treffen der Spitzenpolitiker im Bundeskanzleramt positiv herausstellte. Einige Regierungschefs der Länder hatten eine solche Regelung bereits vor dem Bund-Länder-Treffen gefordert.

Doch nicht nur aufgrund der Flüchtlingspolitik in Nordrhein-Westfalen stand die Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst zuletzt in der Kritik. Auch der Landesverband der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft fand zuletzt klare Worte für die Arbeit des Wüst-Kabinetts II. (mg) Fair und unabhängig informiert, was in NRW und Deutschland passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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