Flüchtlingsgipfel: Wüst-Koalitionspartner geht gegen Abschiebepläne auf die Barrikaden
Beim Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt einigten sich Bund und Länder unter anderem auf eine Verschärfung des Asylrechts. Das gefällt nicht jedem.
Düsseldorf – Immer mehr Geflüchtete suchen Schutz in der Bundesrepublik. Über 110.000 Asylanträge gab es von Januar bis April 2023 – ein Anstieg von fast 80 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Vielerorts schlagen die Kommunen Alarm: Die finanziellen Mittel reichen nicht aus, um für Unterkunft und Integration der Asylsuchenden Sorge zu tragen. Beim Flüchtlingsgipfel am 10. Mai einigten sich Kanzler Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder unter anderem auf eine Verschärfung des Asylrechts. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zeigte sich überzeugt, doch ausgerechnet der Koalitionspartner ist da anderer Meinung.
Verschärfung des Asylrechts nach Flüchtlingsgipfel: Irreguläre Migration ist „spürbar zu reduzieren“
„In dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit dem Bundeskanzler [sind] verschiedene Änderungen des Asylrechts enthalten“, schreibt die Landtagsfraktion der Grünen auf Facebook. So soll unter anderem der Zugang von Geflüchteten stärker gesteuert werden, der Schutz der europäischen Außengrenzen soll verstärkt und Abschiebungen schneller durchgeführt werden. Zudem sollen die Regularien zur Abschiebehaft in mehreren Punkten verschärft werden.
Angetrieben werden diese Maßnahmen von einer klar formulierten Zielsetzung im Beschluss: „Um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren.“ Einige Landeschefs hatten Maßnahmen in die Richtung bereits vor dem Flüchtlingsgipfel gefordert. Doch da liegt nicht das Problem, finden die Grünen.
Grüne mit Kritik an Beschluss: „Werden nicht zulassen, dass Grundrecht auf Asyl ausgehebelt wird“
„Das Grundrecht auf Asyl ist ein Gebot der Humanität und darf nicht ausgehöhlt werden. Jeder Mensch, der bei uns Schutz sucht, hat Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller Prüfung“, heißt es von den Grünen NRW. Und weiter: „Die im MPK-Beschluss enthaltenen Verschärfungen des Asylrechts werden die Herausforderungen vor Ort nicht lösen“, denn: Viele der Asyl suchenden Menschen haben eine gute Bleibeperspektive, so die Regierungsfraktion. Deshalb seien viel eher integrative Maßnahmen zu ergreifen, als eine Verschärfung des Asylrechts.
Rückendeckung erhält die NRW-Fraktion der Grünen dabei von ihrem Parteichef Omid Nouripour. Der Politiker äußerte sich jüngst beim „Morgenmagazin“ des ZDF: „Wir werden nicht zulassen, dass das Grundrecht auf Asyl ausgehebelt wird.“ Die Ministerpräsidentenkonferenz sei ein Beratungs- und kein Entscheidungsgremium. Das parlamentarische Verfahren habe noch nicht begonnen.

Menschenrechtsorganisation zum Flüchtlingsgipfel: Abschiebung wird als Lösung instrumentalisiert
Auch die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ stellte sich nach dem Treffen der Spitzenpolitiker klar gegen die getroffenen Entscheidungen: „An dieser Stelle bedient sich der Beschluss des vor allem von der rechten politischen Seite immer wieder herangezogenen Framings der massenhaft Ausreisepflichtigen, die nicht schnell genug abgeschoben werden“, heißt es von den Menschenrechtlern. Dadurch werde versucht, eine strengere Abschiebepolitik als Lösung für die Überlastung der Kommunen zu instrumentalisieren.
Die Realität sei jedoch eine ganz andere: „Der überwiegende Teil der schutzsuchenden Menschen erhält einen Aufenthaltstitel, und von den Ausreisepflichtigen ist wiederum ein Großteil aus humanitären, gesundheitlichen oder familiären Gründen geduldet, die Abschiebung ist also ausgesetzt“, so die Organisation. In ihrer Analyse bezeichnet „Pro Asyl“ die Punkte im Beschluss als „Gipfel der Abschottung und der Entrechtung“. Ähnlich äußerte sich nun auch der Flüchtlingsrat NRW.
Doch nicht nur die Verschärfung des Asylrechts stand in den vergangenen Tagen im Fokus der Kritik: Auch die SPD-Fraktion aus Nordrhein-Westfalen stellte im Nachgang zum Flüchtlingsgipfel klare Forderungen an die Wüst-Regierung. Auch zur bisherigen Flüchtlingspolitik von NRW fanden die Sozialdemokraten klare Worte. Auch der Landesverband der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft fand zuletzt klare Worte für die Arbeit des Wüst-Kabinetts II.
NRW-Ministerpräsident Wüst: Einigung der Länderchefs über Reduzierung von irregulärer Migration
Der NRW-Regierungschef selbst zeigte sich zwar ebenso von den Ergebnissen des Bund-Länder-Treffens enttäuscht, jedoch aus anderen Gründen. Über die Reduzierung von irregulärer Migration seien sich die Teilnehmer des Flüchtlingsgipfels hingegen einig: „Wir brauchen endlich eine gemeinsame, solidarische, humanitäre, europäische Flüchtlingspolitik“, sagte der Münsterländer am Abend des Treffens. Dazu gehöre auch die Verbesserung von Abschiebemaßnahmen von Menschen ohne Aufenthaltsrecht. Bereits im Vorfeld fand Wüst in Bezug auf die Unterstützung der Kommunen bei der Flüchtlingsfinanzierung klare Worte. (mg) Fair und unabhängig informiert, was in NRW und Deutschland passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.