Russland-Gas: Expertin warnt vor „Wirtschaftstriage“ – Gazprom will sich offenbar von deutscher Tochter trennen
Putins neues Gaslieferungen-Dekret bereitet Sorge. Auch ein Energie-Embargo gegen Russland ist weiter im Gespräch. Kremlsprecher Peskow meldet sich zu Wort. News-Ticker.
- Wladimir Putin* macht im Zuge des Ukraine-Konflikts* Druck: Gas-Zahlungen nur noch über Gazprom-Bank.
- Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne*) ruft deshalb den „Gas-Notfallplan“ aus.
- Die Ampel-Koalition* will sich von russischer Energie emanzipieren - aber einfach wird es laut Unternehmen nicht.
- Dieser News-Ticker zu Gas-Lieferungen aus Russland nach Deutschland wird fortlaufend aktualisiert.
Update vom 1. April, 16.14 Uhr: Auch das Handelsblatt berichtet nun darüber, dass Gazprom sich von seiner deutschen Tochter trenne (siehe vorheriges Update). Die Gründe dafür seien noch unklar, ebenso, ob der Schritt Konsequenzen für die Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland habe.
Gazprom war bislang alleiniger Eigentümer von Gazprom Germania, zu den Beteiligungen gehören auch Töchter in der Schweiz und in Tschechien, heißt es in dem Bericht.

Bericht: Gazprom gibt offenbar deutsche Tochterfirma auf
Update vom 1. April, 15.03 Uhr: Gazprom will nach eigenen Angaben seine deutsche Tochter Gazprom Germania aufgeben. Das berichtet Spiegel Online und beruft sich dabei auf eine Mitteilung des Konzerns von diesem Freitag. Gazprom will sich demnach auch von den Beteiligungen von Gazprom Germania zurückziehen.
Von Gazprom Germania war laut Spiegel Online zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Zuvor hatte das Handelsblatt berichtet, den Deutschland-Ablegern von Rosneft und Gazprom drohe womöglich eine Verstaatlichung. Entsprechende Szenarien lasse Wirtschaftsminister Robert Habeck durchspielen, hieß es.

Gas-Lieferungen aus Russland: Deutsche Expertin fürchtet „Wirtschaftstriage“
Update vom 1. April, 14.46 Uhr: Jetzt steht wegen der Energiekrise das Wort „Wirtschaftstriage“ im Raum. Die Bau- und Energie-Expertin Lamia Messari-Becker verwendete es im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Sie berät die Bundesregierung, und warnte für den Fall eines Gaslieferstopps vor verheerenden Folgen.
Oberstes Ziel müsse es sein, mit allen Mitteln eine „Wirtschaftstriage“ zu verhindern, sagte Messari-Becker. Damit meint die Expertin ein Szenario, bei dem im Falle von Engpässen gewisse Unternehmen und Einrichtungen bevorzugt mit Gas versorgt würden - in Anlehnung an den medizinischen Begriff „Triage“, zuletzt in Verwendung in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Solch eine Priorisierung würde etwa greifen, wenn in Deutschland die höchste Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen würde.
Kreml: Rubelzahlung für Gas verlässliche Lösung für Russland
Update vom 1. April, 13.32 Uhr: Nun hat sich Putin-Sprecher Dmitri Peskow abermals zu den Rubel-Zahlungen geäußert. Die neue Regelung (siehe Erstmeldung) sei nicht in Stein gemeißelt und könne wieder geändert werden, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge an diesem Freitag.
Für Russland sei der Rubel aktuell die „bevorzugte und am ehesten verlässliche“ Währung, erläuterte der Kremlsprecher demnach. Der Übergang zu Rubelzahlungen bedeute aber nicht, dass bei Ausbleiben von Geld sofort die Lieferungen eingestellt würden.
Gas-Lieferungen aus Russland: Russischer Investor teilt Einschätzung
Nach Angaben der russischen Seite dient das neue Schema vor allem dazu, den Eingang der Zahlungen sicherzustellen. Bisher habe es die Möglichkeit gegeben, das Geld formal über eine europäische Bank zu überweisen, die Summe aber anschließend zu blockieren, so dass Gazprom nicht an das Geld kommt. Das sagte der Direktor der Abteilung für Finanzmarktanalyse bei der Investmentgesellschaft Alfa Capital, Wladimir Bragin, der russischen Wirtschaftszeitung Wedomosti mit Blick auf die bisherigen Risiken für Moskau.
In dem Putin am 30. März unterzeichneten Dekret ist eine Übergangsfrist vorgesehen. Experten gehen laut dpa davon aus, dass die Umstellung erst Ende April, Anfang Mai wirksam sein wird. Russland will damit vor allem seine zuletzt unter Druck geratene nationale Währung stabilisieren.

Russland-Gas: Anteil der Lieferungen nach Deutschland sinkt weiter ab
Erstmeldung vom 1. April: Berlin/Moskau - Seit dem 30. März gilt in Deutschland der „Gas-Notfallplan“. Grund ist, dass Russland im Zuge des eskalierten Ukraine-Konflikts mit einem Lieferstopp droht, sofern die westeuropäischen Abnehmer künftig nicht in Rubel bezahlen. Mit Wirkung zum 1. April müssten sie Konten bei der Gazprom-Bank eröffnen.
Die Versorgungssicherheit hierzulande sei zwar gewährleistet, betont Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin erfordere aber, sich auf mögliche Liefereinschränkungen oder gar Ausfälle vorzubereiten.
Die Bundesregierung mit Kanzler Olaf Scholz* (SPD) hatte sich im März auf ein zweites Entlastungspaket geeinigt, um den Effekt der hohen Energiepreise für die Bürgerinnen und Bürger abzumildern. Es umfasst unter anderem eine 300-Euro-Energiepreispauschale, einen Tankrabatt*, einen Kinderbonus*, sowie ein 9-Euro-Ticket*.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zeigte sich in einer ersten Bewertung des Pakets kritisch. Die sich schon jetzt durch die verschärfte Gangart Russlands bei den Gaslieferungen abzeichnenden Preissprünge werden die Kostensituation der Unternehmen weiter verschlechtern oder schlimmstenfalls zu Produktionseinstellungen führen, hieß es vom BVMW.
Russland-Gas: BASF warnt vor Boykott gegen Putin
Die Embargo-Debatte läuft indes weiter. Sollte die Politik russische Energielieferungen boykottieren? BASF-Chef Martin Brudermüller befürchtete im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in diesem Fall für die deutsche Volkswirtschaft die „schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“.
Dass ein Stopp der russischen Gaslieferungen „schwerwiegende Konsequenzen“ haben könnte, sagte auch Oliver Hermes der Nachrichtenagentur dpa. Hermes ist Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. „Wir können Gas aus Russland kurzfristig nicht ersetzen“, so seine Einschätzung.
Der Anteil russischer Gaslieferungen ist in Deutschland laut Wirtschaftsministeriums von Ende vergangener Woche von 55 auf 40 Prozent gesunken. Bis zum Sommer 2024 könne es gelingen, bis auf wenige Anteile unabhängig von russischem Gas zu werden, stellte Habeck in Aussicht. (frs mit Material der dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.